Der Blaue Punkt sorgt für Unfrieden

Logo Eine prominente Jury hat für die Frankfurter Kunsthalle Schirn ein alternatives Peace-Symbol prämiert. Prompt gibt es Zoff
Ausgabe 24/2017
Das alte Peace-Symbol erfand der britische Künstler Gerald H. Holtom 1958. Es starb einen stillen Bedeutungstod auf H&M-T-Shirts
Das alte Peace-Symbol erfand der britische Künstler Gerald H. Holtom 1958. Es starb einen stillen Bedeutungstod auf H&M-T-Shirts

Foto: John Franks/AFP/Getty Images

Sowohl aus der jüngsten Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens als auch aus Südafrika oder dem zerfallenen Jugoslawien weiß man, dass diplomatische Bemühungen, Frieden zwischen verfeindeten Lagern zu schaffen, von Aggressionen und Gewaltausbrüchen begleitet sein können. Ein dagegen harmloses, aber durchaus interessantes Lehrstück in Sachen Friedensdialektik bietet nun die Kunsthalle Schirn in Frankfurt.

Im Rahmen eines Wettbewerbs rief die Kunstinstitution Gestalter dazu auf, ein neues Friedenssymbol zu entwerfen. Ganz unverbindlich, ohne völkerrechtliche Konsequenz, einfach zum Spaß. Eine Jury, der unter anderem die Aktionskünstlerin Marina Abramovic und der Designer Konstantin Grcic angehörten, kürte aus den über 600 eingegangenen Entwürfen einen blauen Punkt zum Sieger. Ja, ein schlichter, blauer Punkt machte das Rennen. Ein bläulich ausfüllter Kreis soll der Weisheit letzter Schuss sein.

Manche denken an Nivea

Der Entwurf traf unabhängig voneinander sowohl von dem Künstler Paul Müller aus Deutschland als auch von Bekata Ozdikmen aus der Türkei ein. Bemerkenswert ist nun, wie ablehnend bis schroff die Facebookkommentare sind, die an die Adresse der Schirn gehen. An die untergegangene deutsche Elektronikfirma Blaupunkt denken viele Kommentatoren, andere weisen darauf hin, dass die Verschwörungssekte „Staatenlos“ aus dem Dunstkreis der sogenannten Reichsbürger sich mit einem blauen Kreis labelt. Weitere Assoziationen sind die Nivea-Cremedose, Grobi aus der Sesamstraße, Besoffene oder Schwermütige, als auch die ultimative Wasserflut, die eines Tages alle Landmassen und Kontinente verschlingen wird und einen menschenleeren, aber friedlichen blauen Planeten hinterlässt. Das Wort „peinlich“ fällt mehrmals, und auch die Frage „Was hat der Quatsch gekostet?“ gesellt sich nicht nur einmal in die Facebook-Diskussion.

Die Aktion zeigt immerhin, dass das alte Peace-Symbol, das der britische Künstler Gerald H. Holtom 1958 für eine Osterkundgebung entwickelte – und das aus den Zeichen für „Nuclear“ und „Disarmed“ des Seeleute-Alphabets abgeleitet war – mittlerweile zu nostalgisch ist und auf H&M-T-Shirts für Kleinkinder einen stillen Bedeutungstod gestorben sein muss.

Grüne Gesichter und Durchfall

Glücklicherweise kennt Frieden viele Symbole. Die Friedenspfeife, das Kalumet, der Indianer aus den Lucky-Luke-Geschichten gefällt mir persönlich am besten. Sie führt bei den Bleichgesichtern gleich nach dem ersten Schmauch zu grün angelaufenen Gesichtern und erheblichem Durchfall. Ein älteres Friedensgleichnis ist die biblische Taube, die mit einem Ölzweig im Schnabel zur Arche Noah und ihren verzweifelten Passagieren zurückkehrt. Der Ölzweig scheint das Friedensangebot des zerstörerischen Gottes des Alten Testaments zu sein, der den Leuten doch noch eine Chance geben will.

Alle friedliebenden Parytpeople und Artjunkies, die einen Anlass suchen, um ihre alten Friedenskettchen und „Die-weißen-Tauben-sind-müde“-Klamotten der Hans-Hartz-Tour 1982 auszuführen, sollten sich das Peace-Eröffnungswochende der Schirn vom 30. Juni bis 2. Juli in Frankfurt am Main merken. Denn Karl der Käfer wurde nicht gefragt, man hat ihn einfach blau übermalt. When Doves Cry!

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Geschrieben von

Sarah Khan

Jg.71, Autorin, Gespenster-Reporterin, Michael-Althen Preisträgerin, aufgewachsen zwischen Protestanten u Pakistanern in Hamburg

Sarah Khan

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