Die Welt denkt über Wege zum Frieden im Ukraine-Krieg nach: Und Deutschland?
Meinung Henry Kissinger scheint mit 99 Jahren geistig wacher als Annalena Baerbock: Auch in Zeiten erbarmungsloser Kämpfe muss es eine Suche nach Friedenslösungen geben
Brasiliens Präsident Lula spricht im Beisein von Olaf Scholz über Frieden!
Foto: Sergio Lima/AFP/Getty Images
Es brauchte einen Staatsbesuch des Kanzlers in Brasilien, um endlich einmal wieder das Wort „Frieden“ in den Schlagzeilen zu sehen. Er habe dieses Wort in der internationalen Debatte bisher sehr selten gehört, klagte Brasiliens Präsident Lula im Beisein von Olaf Scholz. Würde Lula erst einmal die deutsche Debatte kennen!
In Deutschland wird gerade über die Wehrpflicht diskutiert. Deren Aussetzen 2011, meint Marie-Agnes Strack-Zimmermann, könne man heute für einen Fehler halten. Allerdings seien zum Dienst an der Waffe dann laut der FDP-Politikerin nicht mehr nur Männer zu verpflichten, auch Frauen. Dafür bräuchte es aber erst „Milliarden“, um Kasernen herzurichten und zu bauen, bevor junge deutsche Soldat*innen einmarschie
immermann, könne man heute für einen Fehler halten. Allerdings seien zum Dienst an der Waffe dann laut der FDP-Politikerin nicht mehr nur Männer zu verpflichten, auch Frauen. Dafür bräuchte es aber erst „Milliarden“, um Kasernen herzurichten und zu bauen, bevor junge deutsche Soldat*innen einmarschieren können. Flecktarn ist in der Bundestagsfraktion der Grünen ja noch vorhanden; aber ob das Leoparden-Top im Kriegsdienst ein Logo des US-Modekonzerns Nike zieren darf? So und mit dem Nike-Werbeslogan „Just do it“ posierte eine Parlamentarierin der Grünen, um die inzwischen erfüllte Forderung nach Leopard-Kampfpanzern für die Ukraine zu erheben. Der Spiegel bringt derweil seinen Lesern bei: „Wenn der Leopard 2 A4 der VW Golf 1 ist, bei dem ein begabter Schrauber noch selbst Hand anlegen kann, gleicht der 2 A6 der erstmals mit Elektronik vollgestopften S-Klasse W 140 von Mercedes.“ Krieg als Mode-Gag und Auto-Quartett, das ist das deutsche Niveau, wenn ein Weltkrieg in den Bereich des Vorstellbaren rückt.Deutsche Liberale schmähen LulaZumindest das Niveau auf Twitter und in so manchem Leitmedium. In Kneipen und Kirchen wird anders geredet. Olaf Scholz weiß das. Die „vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich Sorgen machen“ konnten der direkten Ansprache des Kanzlers zuletzt ja kaum entgehen, so penetrant trug er sie auf allen Kanälen vor. Besorgte hätten wohl nur auch gerne erfahren: Was ist das Ziel, wenn jetzt deutsche Kampfpanzer in Kriegsgebiete rollen, in denen vor genau 80 Jahren die Panzerschlachten des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion wüteten? Ist es das gleiche Ziel wie das der ukrainischen Regierung? Ein Angriff auf die Krim, aber immerhin ohne deutsche Kampfjets und Bodentruppen? Und wenn das nicht das Ziel sein kann, aufgrund des atomaren Eskalationspotenzials oder weil etwa US-Generalstabschef Mark Milley sagt, „die Wahrscheinlichkeit, dass dies in nächster Zeit geschieht, ist nicht hoch“ – warum sollen dann noch Hunderttausende in einem Abnutzungskrieg sterben? Ist es wirklich nur Wladimir Putin, der diese Toten für hinnehmbar hält?Lula hat recht. „Wir müssen heute schauen, wer in der Welt in der Lage ist, Russland und der Ukraine dabei zu helfen, den Frieden auszuhandeln. Wir müssen jemanden dafür finden.“ Es ist wohl keine schlechte Idee, mal auf ein Land zu hören, zu dessen jüngerer Geschichte kein völkerrechtswidriger Angriffskrieg zählt. Liberale deutsche Publizisten, etwa von der Welt, Lula, den einstweiligen Verteidiger der Demokratie gegen Jair Bolsonaro, nun als „linken, populistischen Wirrkopf“ schmähen, verraten so nur ihre eigene nationale Borniertheit.Friedensvorschlag von Henry KissingerEin sehr großer Teil der Welt blickt auf diesen Krieg anders, als etwa Marie-Agnes Strack-Zimmermann es tut. Das kann, zur Vermeidung Hunderttausender Toter, nur hilfreich sein. Sogar in einem Land, dessen jüngere Geschichte voller völkerrechtswidriger Interventionen ist, kann man fündig werden. Henry Kissinger, 1973 bis 1977 US-Außenminister, hat gerade seinen Friedensvorschlag aktualisiert: Russland erhält Krim und Donbass, die Ukraine kann NATO-Mitglied werden, dies als „angemessene Folge“ der russischen Invasion. Klingt, als sei er mit 99 Jahren geistig wacher als Deutschlands „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“-Außenministerin Annalena Baerbock.Wobei solch eine Aussage, wie die ruhig ausgesprochene Baerbocks, kaum mit etwas anderem als Kalkül zu erklären ist. Das heißt, der Konflikt um die Ukraine soll nach Grünen-Meinung ohne Zweifel weiter ausgefochten werden, bis zum Äußersten. Und er nimmt ja in der Tat schon globale Dimensionen an – mit Bombardierungen iranischer Drohnen-Fabriken durch eine mutmaßlich israelisch-US-amerikanische Operation bei ukrainischem Applaus in diesen Tagen. Oder mit der vollzogenen Verbindung der russischen und der iranischen Interbankensysteme zur Umgehung westlicher Sanktionen. Lula ist nur alles Glück der Welt zu wünschen, wenn er demnächst mit US-Präsident Joe Biden, mit Chinas Staatschef Xi Jinping, hoffentlich auch mit Indien reden wird, und heute sagt: „Ich weiß ja nicht, wann dieser Krieg aufhören wird, wenn wir weiterhin so untätig bleiben.“Weniger Mode-Gags und Auto-Quartett, dafür ein Nachdenken über Lösungen und Diplomatie, trotz der nächsten, im Raum stehenden russischen Offensive – das wäre immerhin ein Anfang für Deutschland. Es geschähe dies in Übereinstimmung zumindest mit dieser einen älteren Frau, die just einem Reporter der Welt im brutal umkämpften ukrainischen Bachmut in die Kamera gesagt hat: „Sie mögen sich endlich versöhnen, es möge Frieden sein, wir wollen alle in Frieden leben, wir wollen keinen Krieg, und wir wollen vor allem nicht, dass noch mehr Waffen hierherkommen.“