Haushalt der Ampel-Koalition: Sparkurs mit Hintertür Ukraine-Krieg
Schuldenbremse Die Ampel-Koalition kürzt Staatsausgaben und alarmiert so nicht nur die deutsche Wirtschaft. Doch es wäre ein Wunder, würden Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner 2024 nicht doch eine Notlage ausrufen
Die Drei bleiben erst einmal zusammen: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP)
Foto: Emmanuele Contini/Imago
Friedrich Merz, die AfD und auch Sahra Wagenknecht dürften sich an diesem Tag erst einmal die Hände reiben. Denn was Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) als Einigung im Haushalts-Streit nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorgestellt und in Richtung Parlament geschickt haben, das ist „ein hartes Sparpaket, das Wirtschaft und Verbraucher schwer belasten wird“ – da hat der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, schon recht.
CO₂-Preis steigt steil, vom Klimageld ist keine Rede
sswurm, schon recht. CO₂-Preis steigt steil, vom Klimageld ist keine RedeWohlgemerkt: Was in den vergangenen Monaten auf die Ampelkoalition in Gestalt miserabler Umfragewerte zurückgefallen ist, das ist in erster Linie die Angst vor dem Niedergang der deutschen Wirtschaft, die vor allem Merz, AfD und Wagenknecht adressieren – und die Angst vor dem Verlust von Wohlstand bzw. dem persönlichen Absturz in noch mehr Armut. Wenn SPD, Grüne und FDP nun den CO₂-Preis wieder anheben, einen geplanten Zuschuss zu Stromnetz-Entgelten streichen, dem Klima- und Transformationsfonds zwölf Milliarden Euro abknapsen und weitere Kürzungen in Etats diverser Bundesministerien vornehmen – etwa um 250 Millionen Euro für ein Bonusprogramm im Bürgergeld –, folgt das der altbekannten Devise „Den Gürtel enger schnallen“.Das ist inmitten einer Umbruchsituation, der anvisierten Transformation in ein post-fossiles Zeitalter, unter konjunkturell schwierigen Umständen bei trüben volkswirtschaftlichen Prognosen und in Gegenwart eines geopolitischen Wettlaufs mit gewaltigen staatlichen Investitionen äußert gewagt. Ja, es kommt einem sozialen und ökonomischen Himmelfahrtskommando gleich, den CO₂-Preis von 30 auf 45 (statt, wie geplant, auf 40) Euro pro Tonne zu erhöhen – ohne das versprochene Klimageld zum Ausgleich mit nur einer Silbe zu erwähnen. In der Koalition dürfte sich da erst einmal nur Spar-Minister Lindner die Hände reiben.Lindners TriumphErst einmal – denn die Einigung jetzt dient zuvorderst dem Zweck, die Koalition zusammenzuhalten, Neuwahlen zu vermeiden, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und zu zeigen: Selbst wenn uns das Bundesverfassungsgericht so ganz und gar, völlig, wirklich überraschend, urplötzlich, einen Knüppel zwischen die Beine wirft, sind wir zum Weiterlaufen imstande.Der kleinste und in Umfragen prekärste Koalitionspartner, die FDP, kann ihren Fetisch für ausgeglichene Haushalte, ihr spitzes Klientel der Vermögenden und Höchstverdiener sowie ihre Propaganda pflegen: Seht her, wir bewahren das Land vor zu vielen Schulden und machen uns um die künftigen Generationen verdient, die sonst großen Schaden nehmen würden. Christian Lindner, genieße diesen Moment des Triumphs, denn er dürfte von kurzer Dauer sein.An Waffenlieferungen nach Kiew wird nicht gespartBleibt die Schuldenbremse auch einstweilen eingehalten und ruft die Koalition, abgesehen von 2,7 Milliarden Euro für die weitere Bewältigung der Folgen der Ahrtal-Flut, keine neuerliche Notlage aus: Die Ankündigung einer Abkehr davon hat Olaf Scholz ja gleich mitgeliefert: „Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine-Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen.“Und weiter: „Um vorbereitet zu sein, haben wir bereits miteinander vereinbart, in einer solchen Lage – von der heute niemand weiß, ob sie nun eintritt oder nicht – dem Bundestag einen Überschreitungsbeschluss vorzuschlagen, so wie Artikel 115 des Grundgesetzes das in Notsituationen zulässt.“Der Ukraine-Krieg als deutsche Haushalts-NotlageEiner der wenigen von den jetzigen Einsparungen ausgenommene Haushaltsposten – die Unterstützung der Ukraine in Form von acht Milliarden Euro für Waffenlieferungen sowie Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt und mehr als sechs Milliarden Euro zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland – ist damit vorgemerkt, wenn nicht vorprogrammiert als Begründung für das nächste Aussetzen der Schuldenbremse. Die Lage an der Front hat sich nach dem Scheitern der ukrainischen Offensive längst verschlechtert. Die Wahrscheinlichkeit des Zurückfahrens der Hilfen durch die USA illustriert der Verlauf des jüngsten Besuchs von Wolodymyr Selenskyj in Washington und der These von einer erhöhten Bedrohungslage für Deutschland und Europa wird ohnehin niemand widersprechen – wohl auch nicht Christian Lindner und seine Marie-Agnes-Strack-Zimmermann-FDP, und ebensowenig CSU und CDU, deren Ministerpräsidenten ohnehin nicht scharf darauf sind, sparen zu müssen, statt investieren zu dürfen.Es wäre sehr verwunderlich, diente der Krieg in der Ukraine der Bundesregierung im Jahr 2024 nicht dafür, wieder eine Notlage zu erklären und sich erneut von den Fesseln einer durch und durch unsinnigen Regel wie der Schuldenbremse zu befreien. Es würde dafür wahrlich bessere Argumente geben.
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