Die Bundesregierung ringt um die Finanzierung des neuen Haushaltsjahres. Gleichzeitig läuft die Debatte, wie man langfristig mit der grundgesetzlichen Schuldenregel umgehen soll: abschaffen, beibehalten, reformieren? In langen Schleifen hat sich diese Debatte fortentwickelt – von der Frage nach der angemessenen Menge der Schulden hin zur bedeutsameren Frage, wofür Schulden gemacht werden. Weitgehende Einigkeit scheint darin zu bestehen, dass Schuldenaufnahme für Staatskonsum – worunter auch der Sozialstaat fällt – schlecht ist. Für Investitionen hingegen sollen ausreichend Verschuldungsspielraum da sein. Was aber sind Investitionen?
Staatliche Investitionen seien Ausgaben, die „den Bestand an öffentlichem Sachvermögen und/oder Sozia
Staatliche Investitionen seien Ausgaben, die „den Bestand an öffentlichem Sachvermögen und/oder Sozialkapital erhöhen und Wachstum zugunsten zukünftiger Generationen schaffen“, schrieb der Wirtschaftsweise Achim Truger. Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums versteht unter Nettoinvestitionen „Ausgaben, die die wirtschaftliche Substanz erweitern“.Im Gegensatz zu Konsumausgaben schaffen Investitionen also irgendwie ein „mehr“ an Reichtum, Wachstum, Steuereinnahmen, weswegen ihre Finanzierung über Schulden gefordert oder zumindest akzeptiert wird. Dem hielt der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kürzlich in der „FAZ“ entgegen: „Bei vielem, was in der Politik ‚Investition‘ heißt, ist völlig unklar, ob es hier jemals zu einer Mehreinnahme des Staates kommen wird.“Auf dem Tisch liegt also die Frage, welche Staatsausgaben das Wachstum stärken. Die entsprechende Maßzahl hierfür ist der sogenannte Fiskalmultiplikator. Er gibt an, inwieweit sich staatliche Ausgaben in ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt (BIP) und damit in wachsende Steuereinnahmen übersetzen. Ein Multiplikator von 1 bedeutet beispielsweise, ein Euro Staatsausgaben zieht einen Euro mehr BIP nach sich. Das Problem dabei ist allerdings, dass die Höhe des Multiplikators nur schwer zu beantworten ist. Eine Metastudie des Instituts IMK ergab vor einigen Jahren eine „große Streuung der Werte“.Hohe Ausgaben sind schlicht notwendigDas ist kein Wunder. Selbst bei als Staatsinvestitionen allgemein anerkannten Infrastrukturausgaben kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob beispielsweise eine Straße zu mehr Wachstum führt. Und wenn nach dem Straßenbau die Wirtschaftsleistung tatsächlich langfristig zulegt, ist nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten, ob dies an der Straße gelegen hat.„Identifikationsproblem“, nennen dies Ökonom:innen, und es hat seine Wurzel darin, dass die öffentliche Hand mit ihren Ausgaben dem Privatsektor lediglich die Bedingungen des Wachstums setzen kann. Ob sich das Wachstum dann tatsächlich einstellt, entscheiden die Konkurrenzverhältnisse auf dem Markt – Kapitalismus ist keine Planwirtschaft. Prinzipiell offen und damit Gegenstand der Debatte bleibt also, wie stark öffentliche Ausgaben für Infrastruktur, Schulden und anderes den langfristigen Wachstumspfad eines Landes erhöhen und damit problemlos über Schulden finanzierbar sind.In der aktuellen Situation allerdings stellt sich das Problem der öffentlichen Investitionen mit anderer Dringlichkeit: Hohe Ausgaben für Klimaschutz, Infrastruktur und technologische Transformation mögen wachstumsfördernd sein oder nicht, sie sind schlicht notwendig. Denn der Klimawandel orientiert sich nicht an Fiskalmultiplikatoren. Und Europas Konkurrenten USA und China legen billionenschwere Subventionsprogramme auf, um die Märkte der Zukunft zu besetzen und ihre Aufrüstung zu finanzieren. Schuldenfinanzierte Staatsausgaben sind für Deutschland daher offensichtlich schlicht notwendig, um mitzuhalten im globalen Rennen. Ausgang offen.