Es ist schon atemberaubend, dieses Ausmaß an krimineller Energie. Auf der Spur waren US-Umweltbehörden dem Betrug schon 2014, dank Hinweisen von Wissenschaftlern und einer Nichtregierungsorganisation. Im Dezember rief VW freiwillig eine halbe Million Diesel-Fahrzeuge zurück. Doch statt die Diskrepanz zwischen den in Labortests gemessenen Emissionen und denen auf der Straße zu beheben, vertraute VW auf einen Algorithmus: Dieser erkannte Laborsituationen, drosselte in solchen die Leistung und damit die Zahl der in die Luft geblasenen gesundheitsgefährdenden Stickoxide. Um bis zu 40 mal höher lag diese, als Passat, Jetta oder Audi A3 auf den US-Highways im wirklichen Leben unterwegs waren.
Nachdem der Skandal aufgeflogen war, verlor VW sagenhafte 27 Milliarden Euro seines Börsenwerts in wenigen Tagen; es drohen Milliardenstrafen und private Sammelklagen. Die US-Justiz ermittelt, elf Millionen Fahrzeuge weltweit sind betroffen und VW drohen drastische Einbußen vor allem am US-Markt – ohne-hin die offene Wunde des Unternehmens. Als Firmenpatriarch Ferdinand Piëch im April die Demontage von Vorstandschef Martin Winterkorn vorantrieb, damals noch erfolglos, war das schwächelnde US-Geschäft sein Hauptmotiv.
Ist dieser Skandal nun ein Einzelfall, so spektakulär, weil ausgerechnet die Musterknaben aus Deutschland die Bösewichte sind? Ein Konzern aus dem Land, das sich mit seiner Energiewende so entschlossen dem Klimawandel entgegenstellt? Gewiss nicht.
Es wirft vielmehr ein Schlaglicht auf die dramatische Entwicklung westli-cher Konzerne, die gerade die Unternehmensberatung McKinsey in einem Report beschrieben hat: All die Rekord-Profite, die seit den 80er Jahren dank Steuererleichterungen und reduzierter Lohnkosten in einer globalisierten Welt erzielt konnten, werden sich demnach bis 2025 in Luft aufgelöst haben. Der Grund: boomende Firmen aus Schwellenländern und die Digitalisierung.
Letztere könne der Autobranche nichts anhaben, tönten deutsche Auto-Bosse noch kürzlich bei der Automesse IAA. Man werde Google und Co. unter Kontrolle halten und beim selbstfahrenden Auto die Richtung vorgeben. „Bis Ende des Jahrzehnts machen wir jedes unserer neuen Autos zum rollenden Smartphone“, erklärte VW-Chef Martin Winterkorn. Inzwischen muss man sagen: Rollende Computer sind die Volkswagen schon heute – aber nicht sonderlich smart.
Noch schwerer als der offenkundige Betrug wiegt das Versagen der deutschen Autobauer beim Thema Klimawandel, besonders in den USA. Dort verlangt ein Gesetz, dass die Kraftstoffeffizienz bis 2025 erheblich gesteigert werden muss. VW, BMW und Daimler setzen auf die in den USA verpönte Dieseltechnologie. Dass nicht nur VW, sondern die ganze Branche ihre Diesel-Modelle viel sauberer darstellt als sie sind, kritisieren Umweltorganisationen in Europa schon lange. Toyota, mit seinen Hybridantrieben am US-Markt viel erfolgreicher, lacht sich nun ins Fäustchen.
Doch Vorsicht: Kein Bereich industrialisierter Volkswirtschaften ist so schwer vom Öl zu entwöhnen wie der Verkehrssektor. Und auch ein Hybridauto ist nicht klimaneutral. Wer auf dem Weg in ein post-fossiles Zeitalter Toyota und Google vertraut, ist naiv. So wie die Energiewende von unten und gegen den Widerstand der Stromkonzerne eingeläutet wurde, so braucht es im Kampf um saubere Mobilität den langen Atem der Graswurzelbewegungen.
Kommentare 5
Angefangen mit der Bleifrei-Technik der 70iger und garantiert wirkungslosen Katalysatoren der 80iger war VW immer schon eine Betrügerklitsche. Diesmal haben sie nur den einen Fehler gemacht, dass sie auch in den USA betrogen haben. Nicht dass das irgendeinen Kunden ernsthaft tangieren würde, aber die USA garantiert keine Milliardenklage unter den Tisch fallen wenn die Milliarden in die richtige Richtung fließen.
So, so "All die Rekord-Profite, die seit den 80er Jahren dank Steuererleichterungen und reduzierter Lohnkosten in einer globalisierten Welt erzielt konnten, werden sich demnach bis 2025 in Luft aufgelöst haben. Der Grund: boomende Firmen aus Schwellenländern und die Digitalisierung."
Das mit den profiten stimmt (wahrscheinlich), die angeführten gründe dafür sind lächerlich.
Die wesentliche grundlage für die "Rekord-Profite" waren und sind staatliche subventionen. Und weil die immer spärlicher fliessen, müssen alle möglichen tricks her, um nicht nur rekord-, sondern überhaupt noch attraktive profite (für die shareholder) auszuweisen.
Machen wir uns nichts vor. Profite über drei bis vier prozent sind produktionstechnisch schon lange nicht mehr zu erlangen. Wenn der staat nicht bereitwillig dafür sorgt, ist selbst die "schwarze null" nicht mehr sicher.
Das automobilgeschäft wäre längst in den tiefroten zahlen, wenn die tatsächlichen aufwendungen (einschliesslich der umweltkosten) gegengerechnet würden. Selbst ein elektroauto hat im zuge seiner herstellung und entsorgung bereits eine derart schlechte öko-bilanz, dass diese während seiner betriebszeit niemals ausgeglichen werden kann.
Wer sein (elektro)auto täglich eine stunde fährt, kommt in zehn jahren auf 3653 betriebsstunden - das ist lächerlich, verglichen zum aufwand der produktion und erhaltung.
Autos werden niemals "öko" sein - egal ob von Google oder VW!
„Wir fahren aus Überzeugung ohne Katalysator“ hiess es schon damals schon... einige interessante Hintergründe wie man bei VW schon immer "gedacht" hat gibt es bei:
http://if-blog.de/guestauthor/mein-freund-der-softwarebetrueger/
Dem kann ich nur beipflichten. Die Annahme Autos von VW wären einfach zu substituieren ist natürlich falsch. Viel eher sollte man sich dann noch etwas mit intraindustriellem Handel befassen. Paul Krugman hat dafür den "Nobel-Preis" für Wiwis bekommen. Der Boom in den Schwellenländern ist positiv für die deutschen Autobauer zu bewerten.
"Autos werden niemals "öko" sein - egal ob von Google oder VW!"
Dazu ein Zitat: "Insgesamt, das zeigen die Ergebnisse deutlich, sind Kunden nicht bereit, für den Klimaschutz Einschränkungen im Fahrverhalten hinzunehmen oder ihre Kaufgewohnheiten zu ändern: Weniger Auto zu fahren nennen gerade einmal 14 Prozent als sinnvollen Vorsatz für die Zukunft." http://www.pwc.de/de/pressemitteilungen/2014/nur-1-prozent-der-autokaeufer-an-e-fahrzeugen-interessiert.html
Womit wir schon beim Kern der Problematik ankommen. Multinationale Unternehmen stehen nationalen Richtlinien und Gesetzen gegenüber für die sich niemand so recht einsetzen kann. Hier wird schon heute Zukunftsmusik verlangt.
Die ewige Mär vom ökologischen Auto...
Es gibt eine interessante Dissertation zu diesem Thema, die man hier einsehen kann:
http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/tu-berlin/diss/2000/eberle_reinhard.pdf
Diese Dissertation ist zwar schon 15 Jahre alt, am Grundtenor hat sich jedoch nichts geändert. Im Gegenteil, immer mehr Fahrzeugteile bis hin zu kompletten Komponentengruppen werden heutzutage in China hergestellt und zum Einbau/Montage nach Deutschland verschifft. Diese werden zu den ökologisch schlechtesten Bedingungen hergestellt, was bei einer Aktualisierung der o.g. Dissertation berücksichtigt werden müsste.
Um den Energieaufwand eines Neufahrzeugs "sinnvoll" abzunutzen, müsste das Fahrzeug bei einer jährlichen Kilometerleistung von 15.000km 16 Jahre lang gefahren werden.
Die Automobilindustrie will jedoch, dass der Kunde alle 5 Jahre ein Neufahrzeug bestellt.
Den ökologischen Nutzen am theoretischen CO2-Wert zu messen ist grundlegend falsch, da es das große Ganze ignoriert. Aber genau das wollen die Automobilhersteller und die Politik.
Wollen sie ein möglichst "ökologisches" Auto, dann kaufen sie sich einen Gebrauchtwagen. Dieser muss nicht extra hergestellt werden, denn er wurde bereits gebaut.
Hier noch ein interessanter Link zum Thema Hybrid-Technologie und dem Märchen, es handele sich um innovative Technik an Hand des Beispiels eines Hybrid-Fahrzeugs aus dem Jahre 1917:
http://www.louwmanmuseum.nl/ontdekken/ontdek-de-collectie/woods-dual-power
Wer des Niederländischen nicht mächtig, bitte Sprache oben rechts auswählen.
Der Verbrennungsmotor ist noch nicht ausgereizt. Statt 100-120 PS Literleistung aus den Motoren herauszukitzeln (und sie dadurch größtenteils auch ein Stück kurzlebiger zu machen), sollte man wieder leichtere Fahrzeuge bauen mit weniger Motorleistung. Diese Besinnung auf alte Werte birgt ein enormes Einsparpotential.
Aber leider will die Kundschaft immer mehr Luxus und Komfort und genau das ist der grund, warum moderne Fahrzeuge schwerer sind als noch vor 20 Jahren.
Das liegt nicht an den in der Tat leichteren Karosserien (bei deutlich höherer Crashsicherheit) oder dem Antriebsstrang aus Aluminiumguss. Nein, es liegt an der so genannten "Komfortbeaufschlagung" ... d.h. Sitze die bis zu 100kg wiegen können, aufwendige Achs- und Fahrwerkssysteme und das liebgewonnene Allerlei von technischem Schnickschnack, ohne das der moderne Mensch nicht mehr leben - geschweige denn - fahren kann.