Neulich habe ich im Kino Das schweigende Klassenzimmer gesehen. In der wahren Geschichte von 1956 geht es um eine DDR-Abiturklasse in der damaligen Stalinstadt, heute Eisenhüttenstadt, die eines Morgens mit einer Schweigeminute der Toten und Verletzten beim ungarischen Volksaufstand gedenkt. Das ruft den Zorn der politischen Elite hervor, der „Anführer“ soll bestraft werden. Aber niemand aus der Klasse will sagen, wer sich die Schweigeminute ausgedacht hat, und so wird die gesamte Klasse vom Abitur ausgeschlossen.
Harter Tobak. Obwohl die Schülerinnen und Schüler weitgehend zusammenhalten, geht es nicht gänzlich ohne Sich-gegenseitig-Belauern, Misstrauen, Verrat ab. Vor allem durch den Druck von außen, von Parteikadern, dem Bildungsministerium, manchen Eltern. Der Film zeigt eine Gesellschaft der Partei- und Politräson statt einer Menschlichkeit, die der junge Staat vorgab, leben zu wollen.
Nach dem Abspann saß ich wie festgeklebt im Kinosessel. „Was war das nur für ein Scheißland“, sagte ich zu meinem Begleiter. Obwohl ich dieses „Scheißland“ genau kenne – ich bin dort geboren und aufgewachsen, ich habe dort mein Abitur gemacht und studiert – berühren mich Zeitdokumente wie dieses und fiktionale Filme aus jener Zeit immer wieder zutiefst. Sie führen mir eine Vergangenheit vor Augen, die meine Zukunft hätte sein können, wäre nicht 1989 die Mauer gefallen.
„Ja, ein Scheißland“, sagte mein Begleiter. „Deswegen bin ich ja abgehauen.“ Als Schlagzeuger in einer mehr als aufsässigen und längst verschwundenen Punkband und als offener Systemkritiker hätte der Mann in der DDR kein schönes Leben gehabt. 1986 „machte er rüber“.
Ich hatte nie vor, in den Westen zu gehen, damals zumindest nicht – trotz all meiner Dissidentenfreunde, die im Sommer 1989 fast alle in den Westen gingen, während ich brav mein Studium beendete. Im Herbst 1989 fühlte ich mich so einsam und verlassen wie schon lange nicht mehr.
Mein Begleiter kennt fast alle diese von meinen Geschichten, ich kenne nahezu alle von ihm. Und doch hockten wir da in den weichen Kinosesseln, mitten im Westen, und redeten so lange über den Osten, bis die Putzkräfte uns rausfegten. Die DDR liegt lange hinter uns, wir können nicht mehr viel mit ihr anfangen. Und doch entzünden wir uns immer wieder an ihr, trotz unterschiedlicher Erlebnisse und Ansichten. Der Osten steckt offenbar stärker in uns, als uns das bewusst ist. Man kriegt den Osten nicht so leicht aus sich heraus. Er ist so etwas wie unsere Blutgruppe, die kann man auch nicht mal so eben austauschen, auch wenn man das wollte. Man muss damit leben – ob mal will oder nicht. Und man kann es.
Kommentare 41
Dieser Text liest sich wie die Bewerbung als Drehbuchschreiberin für den nächsten großen Hit auf den Kanälen des Öffentlich-rechtlichen oder privaten Fernsehfunks. Dann brauchen diese auch nicht mehr in Endlosschleife "Der Turm", "Das Leben der Anderen" oder "Die Frau vom Checkpoint Charlie" zu wiederholen. Die sind ähnlich flach und einseitig.
Von einer Feministin, die auf gendergerechte Sprache wert legt, würde ich mir eine angemessene Überschrift wünschen. Den Griff in die Fäkalsprache sollte der Freitag anderen Medien überlassen.
Für mich 'liest sich dieser Text' erst mal wie eine gute Kolumne ....
Dann gehöre ich wahrscheinlich nicht zum Kreis der Adressaten und ziehe meinen Kommentar zurück.
Liebe Frau Schmollack, ich habe seit geraumer Zeit schon einen Blogbeitrag zu "Das schweigende Klassenzimmer" geplant. Ich habe ihn eben reingestellt, weil es so gut passt. https://www.freitag.de/autoren/magda/zwei-filme-ueber-ein-nicht-vermisstes-land
Vielleicht ergänzt er das ganz gut aus der Sicht einer schon etwas älteren Person.
Guten Tag Simone Schmollack,
Sie haben auch aus meiner Sicht der Dinge einen interessanten Artikel geschrieben der mich an meine eigene Biographie erinnert.
Vielleicht ist es ja sogar auch von Vorteil bestimmte Erfahrungen aus dem Leben in der DDR als kostbaren Schatz in sich zu bewahren und zu gegebener Zeit für die Verbesserung unseres gemeinsamen Zusammenleben wieder einzusetzen.
Als Beispiel fällt mir dazu die Volkskammer ein, wir können doch einen zeitgemäßen Bundes Bürger Senat gründen, in dem alle überparteilichen Initiativen der Bürgerinnen und Bürger Sitz, Stimme, Gehör und bundesweit eine starke Lobby erhalten.
Dann denke ich an die volkseigenen Betriebe, wir können doch zeitgemäße Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Unternehmen in allen Branchen gründen.
Wenn es denn so ist und wenigstens ein kleiner Teil der über 16 Millionen DDR Bürger den Kapitalismus immer noch überholen ohne ihn einholen zu wollen gibt es gewaltfreie demokratische Möglichkeiten dies zu tun.
Die die wir aus unseren eigenen Erfahrungen beide Kehrseiten der Gesellschaftsformen eines Arbeiter und Bauern Staates und einer freien sozialen Marktwirtschafft kennen und verwandeln wollen, brauchen uns nur an unsere innere Schatzkammer der eigenen mitmenschlichen selbstverständlichen Solidarität als DDR Bürger zu erinnern.
Es steht uns frei ein überparteiliches Forum und eine Plattform der Volks Solidarität für eine Hand voll Themen wie die Umwelt-, Soziales-, Arbeit-, Kultur- und Bildung zu gründen.
Nobel! Aber zum Kreis der Adressaten gehören potentiell alle
Auch wenn ich erwarte, als Relativierer und/oder Verharmloser beschimpft zu werden:
Es gibt auf der Welt sicher 2-3 Milliarden Menschen, die sich nach so einem «Scheissland», wie es die DDR gewesen sein soll, sehnen. In Anbetracht von Hunger, Krieg, Drogenkriminalität, amerikanischen Drohnen- und Raketenangriffen,türkischen Invasoren, israelischer Besatzung ,islamistischen Terroranschlägen, politischer Repressionen, die die des deutschen «Unrechtsstaates» blass aussehen lassen, ect,.ect..
Da ich die Diskussionen mit und um den ehemaligen Chefredakteur Christian Füller noch in unguter Erinnerung habe, möchte ich in der Art des Artikels nicht angesprochen werden. @Magda hat da aus meiner Sicht wesentlich differenzierter zum Thema geschrieben.
Danke, @Metambigo! Ich (Jg.1929) sehe das ganz genauso.
Solche Kolumnen, die auf persoenlichen Erfahrungen beruhen, lese ich ganz gerne. Schliesse hat der Freitag mal als deutsche Ost/Westzeitung angefangen. Mir ist zwar nicht klar, ob man sich beim dF heute auch noch so versteht, aber es ist schon interessant, wie eine stellvertretende Chefredakteurin ihre und die Vergangenheit der DDR bewertet. Ich denke aber auch, dass viele Laender solch bedrueckenden Stories, wie das mit dem Klassenzimmer in ihrer Geschichte haben. Das Berufsverbot fuer Lehrer mit kommunistischen Background in der BRD der 1970er war auch nicht gerade vom Feinsten. Die Staat machen wie die Menschen grosse und Kleine Fehler, weil sie aus Menschen bestehen. Der einzelne Mensch kann immer nur im Rahmen seiner Einflussmoeglichkeiten, die Dinge zu veraendern, die er schlecht findet, wie das die Autorin in Bezug auf die Gerechtigkeit unter verschiedenen Aspekten zwischen Maennern und Frauen in der aktuellen Situation der BRD versucht.
Ja gut - aber was soll man damit nun anfangen? Freilich, wer zwei Wochen nichts zu beißen hatte, nimmt liebend gerne einen schimmligen Kanten. Zählen wir nun deshalb schimmliges Brot zu guter Ernährung? NB: Syrien ist/war ganz ähnlich der DDR. Natürlich sehnt sich dort jetzt jeder, dem Bomben aufs Dach fallen nach wenigstens friedlichen Zeiten. Mit ihrer Argumentation lässt sich dagegen jeder Scheißstaat als erstrebenswert erklären, nur weil es irgendwem irgendwo noch dreckiger geht.
eeeeeeeeeeeeee
Nun ja, ich hatte es ja geahnt. Lieber/liebes? miaux:
Wenn die DDR lebensumständlich betrachtet schimmliges Brot war, was sind dann (z.B.) heute Syrien,der Irak, Afghanistan, Jemen, Palästina, der Sudan (ett.ect.)?
Und Ostdeutschland- man traut es sich fast gar nicht zu erwähnen und zu benenennen -, «zeichnete» sich doch nun wirklich nicht NUR durch die Abwesenheit von Krieg «aus»! Es gab auch keine Schulmassaker und Hunderttausende Obdachlose, niemanden, dem man medizinische Versorgung verwehrte.
Nein, politische Repression und Unfreiheit sind nicht «erstrebenswert» und/oder gar zu verteidigen. Aber es sollte legitim sein, sie im Bedarfsfall (und der besteht hier) den «westlichen Werten» und gleichzeitig diesen jedoch Hohn sprechenden Taten Ihrer lautesten Propagierer zumindest mal ins Verhältnis zu setzen. Sonst (ohnehin!) bleiben nur ohnmächtiges und resignierendes Schweigen.
Wollen Sie den vom «Weltpolizisten» und seinem Gefolge in(s) (sinnloses und unnotendige) wirkeliche! Leid gestossenen Syrern und Irakern nun tatsächlich zurufen, dass hinter all ihrem jetzigen Elend doch nur die unabdingbare Verteidigung von Freiheit und Demokratie stehen? Und Sie die Zeiten, in denen sie in unzerstörten Städten leben und arbeiten konten, so rosig doch nun auch nicht waren?
Vielleicht liegt der entscheidende Unterschied zwischen Syrien und der DDR ja darin, dass es neben dem "Schweigenden Klassenzimmer" auch eine "Verlorene Ehre der Katharina Blum" gab, über die heute im Verhältnis zum Klassenzimmer deutlich weniger gesprochen wird.
Ich stelle gerade fest, dass wir zu DDR-Zeiten öfter mal "Scheißland" gesagt haben. Das war auch - vor allem in den späteren DDR-Jahren nicht mehr so kreuzgefährlich .
Und ich denke auch daran, dass gerade unter den Bedingungen von Streit und Protest ganz wichtig war, welche Menschen da gerade an entscheidender Position standen. Meine Mutter z. B. hat sich mit der Direktorin der Schule, die ich besuchte, lang und breit über Toleranz gestritten. Das ging schon. Dass ich eine saumiese Beurteilung bekam, die mich auch an eine andere Schule begleitet hat, ist ne andere Kiste. Lange her.
Und noch was finde ich generell von Belang: auch in Staaten, die nicht so autoritär gestrickt waren wie die DDR, kostet es etwas, wenn man sich querstellt. Die Schwarzen Listen in Hollywood während der Mc Carthy Zeit. Da konnten Leute jahrzehntelang nichts veröffentlichen. Usw. . Das soll nichts aufwiegen, sondern darauf verweisen, dass über solche Dinge im geeinten Deutschland weniger geredet wird. Nur in eine Richtung kann man schwer diskutieren.
"Nun ja, ich hatte es ja geahnt."
Ach was - Sie haben es nicht "geahnt", sondern kalkuliert ein Stöckchen geworfen. Spränge keiner drüber, wäre die Provokation verpufft. °-)
Spaß beiseite.
Freilich hinken meine Vergleiche.
"Nein, politische Repression und Unfreiheit sind nicht «erstrebenswert» und/oder gar zu verteidigen. Aber es sollte legitim sein, sie im Bedarfsfall (und der besteht hier) den «westlichen Werten» und gleichzeitig diesen jedoch Hohn sprechenden Taten Ihrer lautesten Propagierer zumindest mal ins Verhältnis zu setzen."
Worum geht es im obenstehenden Text? Um einen per Film reflektierten Vorfall in der DDR, der so - wenn auch nicht in jedem Falle - nicht untypisch für diesen Staat war. Vielmehr aber um die emotionale, ergriffene Reaktion der Autorin und ihres Begleiters im Kino.
Kann so etwas nicht möglich sein, ohne dass sogleich eine objektive Schau der ganzen Welt verlangt werden muss? Warum bzw. worin besteht der von Ihnen angemeldete "Bedarfsfall", nach einem Film über die frühe DDR über das Unwesen des Westens sprechen zu müssen?
Kann die Chefredakteurin Frau Schmolack ihre persönliche Meinung nicht selbst verteidigen, so dass sich ein männlicher Apologet als (lobhudelnde) Schutzmacht vor sie schmeißenj muss?
"Nach dem Abspann saß ich wie festgeklebt im Kinosessel. „Was war das nur für ein Scheißland“, sagte ich zu meinem Begleiter. Obwohl ich dieses „Scheißland“ genau kenne – ich bin dort geboren und aufgewachsen, ich habe dort mein Abitur gemacht und studiert – berühren mich Zeitdokumente wie dieses und fiktionale Filme aus jener Zeit immer wieder zutiefst. Sie führen mir eine Vergangenheit vor Augen, die meine Zukunft hätte sein können, wäre nicht 1989 die Mauer gefallen."
Sie fanden, dass die DDR ein "Scheißland" war, wegen eines in einem Film dargestellten Vorfalls in einer DDR-Schule? Oder gab es (noch andere) Gründe, solche beispielsweise aus ihrer eigenen Biografie, die Sie die DDR ausschließlich als "Scheißland" erleben ließen? War die DDR ganz generell ein "Scheißland" oder war sie es nach Ihrem subjektiven Empfinden, weil ....?
Ich hatte zwei Arbeitskolleginnen, die in der DDR aufgewachsen waren. Ungefähr so alt wie Sie. Wenn beide von der DDR erzählten, hatte man den Eindruck als sprächen sie von zwei verschiedenen Ländern. Woran könnte das gelegen haben?
Können Sie sich vorstellen, dass für nicht wenige Frauen, z.B. für alleinerziehende Mütter (aus ganz gravierenden Gründen) die BRD ein Scheißland war und die DDR ein Land in dem es alleinerziehenden Müttern und ihren Kindern (trotz einigen Fehlentwicklungen)deutlich besser ging?
Meine Fragen an Sie: Warum genau war für Sie (!) die DDR ein Scheißland? Und wäre die Mauer nicht gefallen, hätten Sie vielleicht eine Zukunft in einer reformierten DDR (die diesbezüglichen Ereignisse um den Runden Tisch und den neuen Verfassungsentwurf sind Ihnen hoffentlich nicht entgangen) haben können?
Wann erscheint Teil 2 des Beitrages mit dem Titel „Was ist das nur für ein Scheißland“?
Sorry. Die vielen e 's sind nur die Spur eines Vertippens. Sie haben keine tiefere Bedeutung.
Ja, könnte ich. Aber ich habe sie im Grunde schon gesagt, nämlich mit dem Text. Für alle, die wissen wollen, ob es weitergeht: Ja, es geht weiter. Mein nächste Kolumne Hegelplatz folgt in drei Wochen, regulär nach Jakob Augstein und Michael Angele. Und ich bin schon gespannt auf die nächsten wilden Vergleiche zwischen Syrien und der DDR ...
und ich denke,
daß Ihre spontane reaktion auf den im film gezeigten fall
(ein resümee über historische, gesellschaftliche verwicklungen)
mehr ist als der scheinbar gleichartige ausdruck eines trabbi-fahrers,
der keinen auspuff bekommt: "Scheiß-DDR".
Was soll aber die die immer gleiche Bestätigung schon tausend Mal gesagter Dinge über ein totes Land bringen? Es ist nicht mehr lange hin, dann feiern wir den Todestag, der markiert, dass die DDR genauso lange nicht mehr existiert, wie es sie gab. Ist die Überzeugungskraft des gegenwärtigen Landes wirklich so schwach, dass sie immer wieder vor diesem schwarzen Bild zum Leuchten gebracht werden muss? Gibt es heute und hier keine Zumutungen, mit denen Gruppen von Menschen sich auseinandersetzen müssen? Wie fühlt sich die Frau, die als Vertretung einer Kollegin, die in Mutterschaftsurlaub war und zurückkommt, entlassen wird? Wie gehen die anderen Kollegen damit um, wenn die Vertretung besser und angenehmer war? Wie verhalten sich Kolleginnen einer Kollegin gegenüber, die häufig wegen ihres kranken Kindes zu Hause bleiben muss? Wie fühlen sich die Mitarbeiter von Solarworld, die innerhalb kürzester Zeit zum zweiten Mal um Ihre Zukunft wegen Insolvenz des Unternehmens bangen mussten? Wie werden Konflikte ausgetragen, die durch die Auswahl von Entlassungskandidaten entstehen? Und, und und... Was für Stoffe für Kolumnen aus dem wirklichen Leben liegen hier brach. Der Freitag ist schon so weit im Mainstream angekommen, dass man gar nicht mehr in der Lage ist, auf solche Fragen zu kommen. Den vorliegenden Beitrag darf eine Pubertierende ins Tagebuch schreiben. Eine Zeitung, die überleben will, muss sich schon ein wenig mehr bemühen.
ziehen Sie Ihren schluß-strich: Sie sind nicht allein-
wenn für Sie aus akten und reflexionen überlebender
nichts dazuzulernen ist: machen Sie dicht.
und empören Sie sich von mal zu mal aufs neue
über aktuell schief-gelaufenes.
"ziehen Sie Ihren schluß-strich"
Der Schlussstrich ist längst gezogen, die Parallelen, die zu ziehen wären, sehe ich im Freitag nicht. Die DDR wird nicht wieder auferstehen, die Ruinen sind geschliffen. Wer sich daran noch abarbeitet, läuft Gefahr zu verbittern.
Einen interessanten Artikel zur Verlängerung der Striche gibt es aktuell auf Telepolis. "Inside Pegida" geht auf den Film "Montags in Dresden" ein und diskutiert unter anderem die These, dass Pegida "die Fortsetzung des Kampfes gegen die DDR" ist. Darüber lohnt es sich nachzudenken.
Mein verzögerter Kommentar wird sicher keine neue Debatte entfachen, aber vielleicht liest ihn wenigstens Frau Schmollack.
Zur Erläuterung: Ich bin neulich in mein 90. Lebensjahr eingetreten, körperlich nicht mehr ganz fit, geistig zwar noch einigermaßen, aber nervtötenden Auseinandersetzungen fühle ich mich doch nicht mehr recht gewachsen.
Ím Rückblick sagte ich bereits in den 90ern: "Ich verdanke der DDR kein leichtes, aber ein erfülltes und sinnvolles Leben", und unter dem Motto "So habe ich das erlebt" schrieben Hunderte frühere DDR-Bürger auf tausenden Seiten ihre persönlichen Berichte über den "Unrechtsstaat", das "Scheißland" oder - wie heute im Freitag zu lesen - den "Polizeistaat" DDR. Veröffentlicht wurden sie ab 1995 im GNN-Verlag Schkeuditz, dieser Tage erscheint der 19. Band, aber ich war nur für die ersten drei hauptverantwortlich. Letztere sind auch komplett im Internet verankert. Zu meinen eigenen Beiträgen führen die unten stehenden Links, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich von ihnen oder anderen zumindest einen Eindruck verschaffen.
Was ich an Ihrer Haltung und der vieler anderer nicht verstehe ist, dass Sie dem manipulierten Meinungs-Mainstream ohne a) den Blick auf unsere äußerst schwierigen Start- und Existenzbedingungen sowie die von Anfang bis Ende massiven Stör- und Liquidierungsversuche des Westens folgen oder b) nicht wenigstens fragen, was sich denn in der Welt seit dem Ende der sozialistischen Staaten Europas einschließlich der DDR zum Besseren entwickelt hat? Das ganze Gegenteil ist doch der Fall, die Lage gefährlicher als zu Zeiten des Kalten Krieges, und die endgültige Katastrophe rückt unaufhaltsam näher. Sich angesichts einer zunehmenden innen- und außenpolitischen Aggressivität der Bundesrepublik abfällig über die DDR zu äußern, ist zumindest sehr kurzsichtig. Und was das "schweigende Klassenzimmer" betrifft - ich habe den Film nicht gesehen, gehöre aber wahrscheinlich zu den letzten Augenzeugen der Ereignisse des 16./17.6.53 vor dem Haus der Ministerien. Der hoch gelobte Egon Bahr schrieb später sinngemäß: Ohne den RIAS hätte es den 17. Juni nicht gegeben. Vor allem durch ihn wurde der anfangs reine Bauarbeiterstreik zum ersten Versuch des Regime-Change in einem sozialistischen Land organisiert und zum Muster für weitere. Budapest, Prag ...
Die DDR existierte nicht im luftleeren Raum, sondern stand unter Dauerbeschuss aus dem imperialistischen Lager und hatte außerdem, wie man heute weiß, ab 1953 auch in der UdSSR keinen verlässlichen Partner mehr.
Ich habe meine Meinung jahrelang in allerhand Foren einzubringen versucht und dafür, wie Sie sich vorstellen können, trotz aller unwiderlegbaren Fakten und Argumente derart viel Häme und Beschimpfungen geerntet, dass ich mich Ende letzten Jahres endgültig zurückzog und auch nicht beabsichtige, im Freitag erneut in die Auseinandersetzungen einzusteigen. Statt dessen ergänze ich meine Kenntnisse durch Studium von Er-Kenntnissen anderer, die ich mir bisher wegen Zeitmangels versagen musste. Beispielsweise die des verrufenen "Stalinisten" Kurt Gossweiler - der sich zu meiner eigenen Überraschung als sehr objektiver (und außerdem bescheidener) Analytiker entpuppte - sowie aktuell Peter Hacks, dessen politische Schriften 1953 -2003 vor wenigen Tagen erschienen sind, und der unabhängig vom Obengenannten zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen gelangte. Er äußerte übrigens kurz vor seinem Tod "Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR?" und "Ich hoff, die Menschheit schafft es". Dabei hätte er, wie auch bei Wikpedia ersichtlich, mehr Grund als viele andere gehabt, der DDR auf ewig gram zu sein. Seine Stasi-Akte wog bestimmt einige Kilo. Die meines Mannes sicher nicht ganz so viel, aber stattlich war sie auf jeden Fall. Auf Einsichtnahme haben wir verzichtet und ich wette, dass dies auch unter der Würde eines Peter Hacks war. Aber wer war/ist schon Peter Hacks? Kennt ihn heute überhaupt noch jemand?
Trotz dieses Einspruchs zu Ihrem Artikel freundliche Grüße
und an Stelle weiterer Erläuterungen die Links zu meinen Erinnerungen
U. M.
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Dresden-Hamburg und zurück (noch unter Pseudonym geschrieben) http://www.spurensicherung.org/texte/Band1/zimmermann.htm Wo auch immer wir wohnen http://www.spurensicherung.org/texte/Band1/muench.htm Den Panzer sehen und schreien war eins http://www.spurensicherung.org/texte/Band2/muench.htm#top Wir haben einen Plan gemacht http://www.spurensicherung.org/texte/Band3/umuench.htm#top Im Dschungel Vietnams (von meinem verstorbenen Mann Günter) http://www.spurensicherung.org/texte/Band3/gmuench.htm#top
na, also :
es gibt sie doch, die erkannt hatten,
daß es um einen welt-bürgerkrieg ging.
(der "kalte krieg" war vor allem : krieg,
mit distanz zu direkter militär.konfrontation,
aber sonst mit fast allem, was aussicht auf sieg hatte).
und die auf einer seite standen, die sie für "richtig" hielten.
bei allem, was im eigenen lager an kröten zu schlucken war.
auch hier eine "gnade der späten geburt"(günter gaus!) ?
jedenfalls ein anlaß für später-geborene: neu anzusetzen.
Sie sprechen in Ihrem Kommentar einige sehr wichtige Aspekte an. Aber: "Was nützen Fackeln, Licht und Brill'n, wenn die Levt nicht sehen will'n."
Liebe Grüße nach Dresden
"die Ruinen sind geschliffen." Es heißt korrekt: "die Ruinen sind geschleift."
Danke für den Hinweis, leider sind nachträgliche Korrekturen nicht mehr möglich.
@AltDresdnerin:
Ich hoffe, dass Frau Schmollack Ihren - wegen seiner klug abwägenden und berührend reflektierenden Tonlage - bemerkenswerten Kommentar liest und Sie sich dabei ihrer eigenen, eindimensionalen Sichtweise auf das «Scheissland DDR» bewusst(er) werden mag.
Ihnen meine Hochachtung für Ihre keineswegs nur noch «einigermassen» geistige Fitheit (Ihr Schreibstil zeugt vom Gegenteil!) und den Erläuterungen und Hinweisen, wie man Geschichte und Gegenwart ehrlicher analysieren kann, als es der Eingangsblog versucht.
Herzliche Grüsse nach Elbflorenz und bereichern Sie uns auch weiterhin mit Ihren Kommentarbeiträgen!
P.S.: Da Sie Peter Hacks erwähnten : « Schrecklicher als Unwahrheiten sind zu kleine Wahrheiten.»
Wie wahr.
Danke für das Aufschreiben an Sie und alle anderen. Es gibt nichts besseres zum Lernen als wie Authentizität von Zeitzeugen. Habe gerade mal reingeschnuppert:
Köstlich: Pieck zu Eggerath auf der Autobahn nach öffentlicher Rüge: "... Aber gräme dich deshalb nicht, Werner. Irgend jemand mußten wir doch nehmen ..."
Hüben wie drüben und wie schon immer die gleichen politischen Muster: hier dann mal das Bauernopfer.
Ich werde dann immer wieder mal fleißig weiterlesen.
Viele Grüße und besuchen Sie uns doch in diesem Forum ebenfalls immer mal wieder. :-)
ja:
"der anti-stalinismus" ist "das haupt-hindernis für die einheit
der anti-imperialistischen kräfte".
(kurt gossweiler, der "sehr objektive" und" bescheidene"zeuge der altdresdnerin)
-->wikipedia. glückwunsch zu dieser verstärkung des lagers
der auf-rechten.....
s.o.
Eine Verständnisfrage an Sie, weil ich es nicht weiß: Steht die alte Dame, die überzeugt von der Richtigkeit und den Idealen der sozialistischen Sache, Ihr DDR-Leben abseits jeder Gewalt geschildert hat, in einer persönlichen Beziehung oder hat sie sich geäußert zu Stalin oder zu Gossweiler?
Ich frage das deshalb, weil ich vorhin bisher gerade mal die Schilderung ihres Werdegangs als Funktionärin des Verwaltungs- und Planungsapparats gelesen habe.
Wenn ja, wenn sie irgendwas mit Gewalt oder Befürwortung von Gewalt zu tun haben sollte, dann wäre ich für einen aufklärenden Link dankbar. Ich habe bisher von einem arbeitsreichem und sich nahe bei den einfachen Menschen aufhaltendem Funktionärsleben gelesen.
Hat Sie damit nichts zu tun und Gossweiler bzw. die Stalinschen Prozesse nicht verteidigt, dann setzen Sie mit ihrem insistierendem Verweis auf Gossweiler doch gleich mal auch mich, der ich in der DDR zu den Widerborstigen gehörte, mal "einfach so" mit Stalin oder den Ansichten eines Kurt Gossweiler gleich, der, "so leid es ihm tut", an die Notwendigkeit von auch ausufernder Gewalt und die Unabwendbarkeit von Gewalt-Exzessen in jeglicher bisheriger Revolution glaubt.
Hier noch die von mir gelesene Quelle der AltDresdnerin:
http://www.spurensicherung.org/texte/Band3/umuench.htm
in obigem kommentar will die altdresdnerin doch für den gossweiler einnehmen.
steht da!
und daß stalins morde historisch gedeckt sind, da dem guten dienend,
hat der "historiker gossweiler" vertreten.
hobel-späne fallen halt an, wo gehobelt wird...
"in obigem kommentar will die altdresdnerin doch für den gossweiler einnehmen."
Den Satz verstehe ich leider nicht. Welcher Kommentar? Könnten Sie mich bitte aufklären, indem Sie meine obige Frage beantworten, ob Sie einen Link haben, in welcher Beziehung die alte Dame zur Gewalt oder Verteidigung von Gewalt durch Stalin oder Gossweiler steht?
Hatten Sie meinen Kommentar nicht gelesen und dabei nicht gesehen, dass genau das, was Sie schreiben, schon zu Gossweiler und dessen Verhältnis zur Gewalt aufgeschrieben habe?
Ich frage deshalb, weil sie es jetzt gerade nochmal hinschreiben. Übersehe ich da was, oder was ist der Grund ihrer Wiederholung?
Wie gesagt, den ersten Satz verstehe ich nicht.
Ah wie unaufmerksam von mir, Sie hatte ja schon im Kommentar selbst dazu geschrieben.
Da müssen wir mit der alten Dame mal drüber reden, wenn Sie das nächste Mal wieder vorbeischaut.
Danke wichtiger Hinweis.
@denkzone8:
Sie haben recht, ein Gossweiler sollte mit seiner kritikfreien Sichtweise auf Stalin (und dessen menschen-verachtender - und fressender Pathologie nun gerade nicht zur Verteidigung sozialistischer Errungenschaften sowie selbiger Irrungen und Wirrungen herangezogen werden.
Da muss ich mein (voreiliges?) Lob an die Dresdnerin zumindest abmildern.
Schade, dass sie sich wohl - wie angekündigt -, wohl nicht mehr dazu äußern will/wird.
dürfen Sie sich noch äußern?
oder sind ihre äußerungs-genehmigungen versteckt worden?