Max Beckmann. Welttheater

Ausstellung Das Museum Barberini Potsdam zeigt Werke des Künstlers zur Welt des Theaters, Zirkus und Varietés

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Max Beckmann: Familienbild, 1920, The Museum of Modern Art, New York, Schenkung Abby Adrich Rockefeller, 1935, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Max Beckmann: Familienbild, 1920, The Museum of Modern Art, New York, Schenkung Abby Adrich Rockefeller, 1935, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Foto: Scala, Florence/The Museum of Modern Art

Nach großen Themen-Ausstellungen zum Exil in Amsterdam und Amerika in München und Frankfurt am Main, zu den Portraits in Leipzig, den Stillleben in Hamburg und vor drei Jahren in der Berlinischen Galerie zur Präsenz des Malers in der damaligen Hauptstadtmoderne legt nun auch das Potsdamer Museum Barberini mit einer weiteren Max-Beckmann-Schau nach. Max Beckmann. Welttheater beschäftigt sich mit der Leidenschaft des 1884 in Leipzig geborenen Künstlers für die Welt des Theaters, Zirkus und Varietés. Max Beckmann malte sich sehr gern in Gesellschaft aber oft auch allein in Maske und Verkleidungen posierend. Er portraitierte die bekannten Künstler seiner Zeit und bannte das große Welttheater als grelle Show, Katastrophenszenario oder Metapher für das gegenwärtige Weltgeschehen auf die Leinwand.

Die in Kooperation mit der Kunsthalle Bremen von Ortrud Westheider und Eva Fischer-Hausdorf kuratierte Ausstellung zeigt mehr als 100 Gemälde, Skulpturen, Grafiken und Skizzenbücher aus selten gezeigten Privatsammlungen und Beständen so berühmter Häuser wie dem MoMA in New York, der Tate Gallery London, dem Harvard Art Museums/Fogg Museum in Cambridge (MA) oder der National Gallery of Art in Washington D. C. Aber auch viele deutsche Museen mit großen Beckmann-Sammlungen wie die Kunsthalle Bremen, das Frankfurter Städel, der Kunstpalast Düsseldorf, die Münchner Pinakothek der Moderne, das Museum Ludwig in Köln, die Staatsgalerie Stuttgart, das Von der Heydt-Museum Wuppertal, das Museum der Bildenden Künste Leipzig, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Nationalgalerie Berlin haben Werke beigesteuert.

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Ausgangspunkt der Ausstellung im Barberini ist allerdings der Erste Weltkrieg, in den Beckmann mit großer Neugier und Begeisterung als freiwilliger Sanitätshelfer zog. Er erhoffte sich wie viele Künstler seiner Zeit Inspiration für seine Arbeit, wurde aber nach einem Nervenzusammenbruch stark traumatisiert wieder entlassen. In dieser Zeit entstanden düstere, theatral komponierte Radierungen wie Traum I (Totenklage) oder Das Leichenhaus, die sich im Stil des Expressionismus mit dem Tod befassen. Kurz nach dem Krieg entstanden Graphik-Mappen wie Gesichter mit Caféhausimpressionen und ersten Karnevalsbildern. Maskierte Menschen sind sein bevorzugtes Sujet. Oft malte Beckmann sich selbst als Clown. Im Selbstportrait als Clown (1921) schaut er eher traurig mit abgenommener Maske und Klatsche den Betrachter an. Aber auch als Musiker posierte der Maler gern wie in dem 1930 entstanden Selbstbildnis mit Saxophon.

Schon früh verband Max Beckmann viel mit dem Theater. Seine erste Frau Minna Tube, die er 1903 auf der Kunsthochschule in Weimar kennenlernte, trat neben ihrer Malerei auch als Opernsängerin auf. Eine Reminiszenz an diese Zeit ist das Gemälde Walküre von 1948. Und auch „Quappi“, seine zweite Frau Mathilde von Kaulbach, war vor der Ehe Sängerin und wurde vielfach von Beckmann portraitiert. Etwa das Doppelbildnis Karneval von 1925 zeigt Max Beckmann und Quappie in karnevalesker Verkleidung. „Maskerade. Rollenspiele im Raum“ nennt die Ausstellung dieses Werkkapitel. „Beckmann als Beobachter“ führt in Nachtlokale und Cafés, „Zirkus. Das Leben als Hochseilakt“ in die bunte Welt des Jahrmarkts und Zirkus und „Varieté. Szenen im Theater der Unendlichkeit“ in die berühmten großstädtischen Varietés der 1920er und 30er Jahre wie dem Tauentzienpalast (1924). Hier schüttelte Beckmann die schrecklichen Erinnerungen des Krieges ab. „Wenn man dies alles (…) nur als eine Szene im Theater der Unendlichkeit auffaßt, ist vieles leichter zu ertragen.“ schrieb er 1940 in sein Tagebuch. Der Hochseilakt in der Grafik Varieté von 1927 oder das Gemälde Artistin. Am Trapez von 1936 stehen hier gleichbedeutend symbolisch für einen Tanz am Abgrund der eigenen Existenz als Künstler. Waghalsig auch die Artistennummer zweier Ballonfahrer im 1928 entstandenen Gemälde Luftakrobaten. Die Welt steht Kopf in Beckmanns Bildern.

In den 1920er Jahren entstehen Graphikmappen wie Berliner Reise mit den Lithografien Die Enttäuschten I und II. Oft arrangiert Beckmann seine Figuren wie auf einer Guckkastenbühne, zeigt Theaterfoyers, Bühnenbilder und Menschengruppen in Logen. Was weniger bekannt ist: Beckmann steuerte nicht nur Illustrationen zu Romanen und Erzählungen bei, er schrieb auch selbst satirische Theaterstücke wie Ebbi und Das Hotel. Beide Dramen sind in illustrierten Buchausgaben ausgestellt.

Der Werkteil „Theater. Die komplexe Welt auf der Bühne“ widmet sich den Portraits von berühmten Schauspielern wie dem befreundeten Heinrich George (Familienbild George, 1935) oder dem französischen Mimen N.M. Zeretelli, den er in Öl (1927) und auf Papier (1924) verewigte. Das große Triptychon Die Schauspieler von 1941/42 aus dem Havard/Fogg Museum, Cambridge (MA) ist sicher ein Höhepunkt der Ausstellung und Beispiel für sein zum Teil surreal verrätseltes Spätwerk im Exil.

Was in den 1930er Jahren in Pariser Vaudevilles und Varietétheatern entstand, zeigt die Abteilung „Varieté. Szenen im Theater der Unendlichkeit“. Viele von Beckmanns Bildern tragen das Varietéthema schon im Namen wie etwa Varieté mit Tänzerin und Zauberer von 1942. Der Künstler, der in Deutschland mittlerweile als entartet gilt, malte wieder Tänzerinnen in allen möglichen Posen (Tänzerin mit Pelzmütze, 1937 oder Tänzerin in schwarz mit Laute, 1943), maskierte Schöne mit Instrumenten (Mädchen mit Banjo und Maske, 1938) und expressiv gewalttätige Bordellszenen wie das Gemälde Apachentanz aus dem Jahr 1938, in dem ein Zuhälter (sogenannter „Apache“) eine Prostituierte über dem Kopf wirbelt. Flankiert werden diese Bilder von Beckmanns biegsamen aber auch wuchtigen Bronzen von Akrobaten, Tänzerinnen und Schlangenbeschwörerinnen.

Der letzte Teil der Ausstellung „Argonauten. Das Selbstverständnis als Künstler“ ist Beckmanns Vorliebe für Mythen und Symbolik gewidmet. Schon 1923 beschäftigte er sich mit Tamerlan, einem grausamen mongolischen Tyrannen, bekannt aber auch für seinen Sinn für Kunst und Literatur. Tucholsky dichtete 1922 „Mir ist heut so nach Tamerlan zu Mut / ein kleines bißchen Tamerlan wär gut.“ Beckmann fertigte dazu ein Wimmelbild aus dem wilden Großstadtvarieté. Sicher ganz ähnlich funktioniert die Übertragung alter Mythen in die Welt der Gegenwart im Triptychon Die Argonauten von 1949/50 (Eine Leihgabe aus der National Gallery Washington). Fast eine Art künstlerisches Vermächtnis des Malers, der auf den drei Bildtafeln noch einmal mit den für ihn typischen Symbolen und Figurengruppen das ganze Spektrum des Beckmann‘schen Welttheaters zusammenfasst.

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Zuerst erschienen am 23.04.2018 auf Kultura-Extra

Max Beckmann. Welttheater
24. Februar bis 10. Juni 2018
Museum Barberini
Alter Markt
Humboldtstr. 5-6
14467 Potsdam

Infos: https://www.museum-barberini.com/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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