Erbitterte Schlacht um die Seele der Rechten

Frankreich Zwei politische Schwergewichte kandidieren für den Vorsitz der Ex-Regierungspartei UMP, deren Idol weiter Nicolas Sarkozy heißt
Die Hymne eint, sonst geht es allerdings rund zwischen Ex-Premierminister François Fillon (r.) und Jean-François Copé, amtierender Generalsekretär der UMP
Die Hymne eint, sonst geht es allerdings rund zwischen Ex-Premierminister François Fillon (r.) und Jean-François Copé, amtierender Generalsekretär der UMP

Foto: Gerard Julien/AFP/Getty Images

Es war eine hemdsärmelige Rede, mit der sich Jean-François Copé – wegen seines an den früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy erinnernden Ehrgeizes auch „Sakozilla“ genannt – um die Führung der Union pour un Mouvement Populaire (UMP) bewarb. Nach Sarkozys Abschied von der Macht ist die Ex-Regierungspartei auf der Suche. Der derzeitige Generalsekretär der Partei sprach von seiner Kindheit und seiner Liebe zur Nation. Er erinnerte an ausländische Wurzeln und jüdische Vorfahren, die 1943 während der Massenverhaftungen vor der Deportation nach Auschwitz oder Treblinka von einer Familie in Paris versteckt wurden. Eine „französische Flamme“ brenne seit jeher in ihm, beteuerte Copé. Er sei im Banne eines „Kults um Frankreich“ aufgewachsen.

Der Anwalt und Bürgermeister des bei Paris gelegenen Ortes Meaux zählt ohne Zweifel zur Parteirechten. Sich selbst sieht er als „Kreuzritter der Konservativen“. Auf seinem Schreibtisch steht eine Zorro-Figur neben einer Plastik von Napoleon, Kritiker nennen ihn arrogant. Bekannt ist „JFC“ nicht zuletzt für seine Keyboard-Konzerte. Unablässig gelobt er, einer „unerschrockenen Rechten“ vorstehen zu wollen, die keine Komplexe hat, sich entschieden gegen die Linke und die politische Korrektheit stellt.

Freilich können diese Bekenntnisse nichts daran ändern, dass François Fillon, der die Umfragen in Sachen UMP-Vorsitz anführt, bei seiner erbitterten Rivalität mit Copé bleibt und nicht im Traum daran denkt, auf die Parteiführung zu verzichten. Im Moment kann sich Sarkozys einstiger Premierminister nur eingeschränkt als Wahlkämpfer betätigen. Er hat sich bei einem Motorradunfall den Fuß gebrochen, als er den Präsidenten des italienischen Automobilgiganten Ferrari besuchte – ein Urlaub, der an Ferien denken ließ, wie sie Sarkozy gern verbrachte. Über die Presse gelingt es Fillon nichtsdestotrotz, Copé nach Kräften zu attackieren.

Vorentscheidung für 2017

Der 58-jährige Gaullist spielt sein Image als erfahrener Staatsmann aus, der moderiert und besänftigt, wo sich Konflikte zuspitzen. Die Selbstexpertise lautet, er sei abgeklärter und pragmatischer als Sarkozy. Als Staatschef habe der ihm oft „zu viel Besonnenheit“ bescheinigt. Diese Mitteilung veranlasste Copé, öffentlich nach dem Wert der Besonnenheit in der Politik zu fragen.

Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop von Mitte August lässt sich entnehmen, dass 48 Prozent der UMP-Anhänger für Fillon als Parteichef plädieren, nur 24 Prozent wünschen sich Copé. Bei der Wahl im November können jedoch nur UMP-Mitglieder ihre Stimme abgeben. Und im Parteiapparat hat Copé mehr Sympathisanten als Fillon. Die Konkurrenz um den Vorsitz der UMP wird deshalb so erbittert ausgetragen, weil dahinter klar die Frage steht, wer 2017 als konservativer Präsidentschaftskandidat antreten soll. Es muss nicht automatisch derjenige sein, der beim innerparteilichen Votum der UMP triumphiert – aber als designierter Anwärter auf jene Kandidatur gilt der Sieger allemal.

Über allem hängt nach wie vor Sarkozys Schatten. Wie die Ifop-Demoskopen herausfanden, hoffen 53 Prozent der UMP-Anhänger, dass er zurückkehrt und 2017 wieder nach dem höchsten Staatsamt greift. Selbst wenn das als unwahrscheinlich gilt, kann die Parteibasis von einer ausgeprägten „Sarkologie“ nicht lassen. Immer wieder versammeln sich Tausende zu Ehren ihres Idols.

Insofern wetteifern Copé wie Fillon auch darum, wer den Vorstellungen und Positionen des Ex-Präsidenten am besten entspricht. Ein leicht skurriles Gebaren angesichts der Herausforderungen, vor denen die Partei samt Führung steht. Frankreichs Linke kontrolliert neben der Nationalversammlung und dem Senat die meisten Regionen sowie großen Städte. Der Aufstieg des rechtsextremen Front National (FN) hat zudem innerhalb der UMP erbitterte Dispute darüber ausgelöst, wie weit denn die Partei in der nationalen, zuweilen nationalistischen Debatte gehen sollte.

Angelique Chrisafis ist Frankreich-Korrespondentin des Guardian

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Angelique Chrisafis | The Guardian

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