Ende der Feuerpause in Gaza: Nun greift Israel den Süden massiv an
Israel/Palästina Werden nun die Angriffe auf den Süden der Region verstärkt, birgt dies das Risiko einer beispiellosen humanitären Krise. Alles ist dazu angetan, eine schlimme Situation noch schlimmer zu machen. Dort leben jetzt zwei Millionen Menschen
Die Gespräche über eine mögliche Verlängerung des Waffenstillstands liefen noch, da bereiteten sich die israelischen Streitkräfte auf eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten innerhalb weniger Tage vor. Dabei war von vornherein klar, wenn sich das Kampfgeschehen nach Süden verlagert, löst das unter einer ohnehin verzweifelten Bevölkerung eine beispiellose humanitäre Krise aus.
Ungeachtet dessen scheint Israel entschlossen, vor allem die Kontrolle über die Stadt Khan Younis zu übernehmen, wo der Hamas-Führer Yahwa Sinwar seinen Sitz haben soll. Dies wird dem Ziel zugeordnet, die militärischen und politischen Kapazitäten der Gruppe vollends zu zerstören.
Da es eine weitgehende Evakuierung des nördlichen Gazastreife
s zu zerstören.Da es eine weitgehende Evakuierung des nördlichen Gazastreifens gegeben hat, sind sich Insider und Experten einig, dass die Strategie geändert werden muss. „Die IDF weiß, dass sie im Süden kein Duplikat der Operation wie im nördlichen Gazastreifen abliefern kann“, sagte Tamir Hayman, ein ehemaliger Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, der seinen früheren Arbeitgeber seit dem 7. Oktober berät.Laut Hayman leben derzeit zwei Millionen Menschen im Süden, von denen eine Million seit Beginn der israelischen Angriffe dorthin gezogen sind als Reaktion auf die Forderung, sie sollten eine Kampfzone im Norden verlassen, in der sie zu Hause waren. Nur hat dies die Bombenangriffe der israelischen Luftwaffe auf den Süden kaum gestoppt.Wie Yahya al-Sarraj, der Bürgermeister von Gaza-City, gegenüber dem Sender Al Jazeera erklärt hat, sind in seiner Stadt 60 Prozent der Wohneinheiten und Wohnungen zerstört, was sich in etwa mit einer Analyse deckt, wie sie durch Satellitenbilder möglich ist. Im Gegensatz dazu sind in Khan Younis Schätzungen zufolge 10 bis 15 Prozent der Gebäude beschädigt.Eine Idee, die in israelischen Militärkreisen geäußert wird, wenn auch nicht öffentlich, läuft darauf hinaus, dass lokale Evakuierungen von Zivilisten für jedes Dorf oder jeden Bezirk organisiert werden sollten, bevor man angreift, um die Kontrolle über die entsprechenden Gebiete zu übernehmen und nach Tunneln zu suchen. Der Einsatz von Luftstreitkräften darf demnach erst erfolgen, wenn die Evakuierung abgeschlossen ist.„Ich würde das eine Nakba nennen“, sagte ein HelferDas schließt freilich langwierige Kämpfe nicht aus, aber „die übergeordnete Strategie“ sähe bekanntlich einen sehr langen Krieg vor, meint Hayman grimmig. Beit Hanoun, die nördlichste Stadt im Gazastreifen, wurde nach ersten Luftangriffen umzingelt und eingeschlossen. Oberst Arye Baat, ein Kommandeur der 252. Division, einer Reservisteneinheit, berichtet, es habe ungefähr 24 Tage gedauert, bis die militärische Kontrolle in schweren Kämpfen übernommen worden sei.Insofern geht die israelische Armee davon aus, dass die Kämpfe noch Monate andauern könnten, zumindest bis in den Januar hinein. Aber derartige Aussichten, vorrangig die damit stetig verbundenen Evakuierungen auf einem immer kleineren Raum des Gazastreifens, alarmieren die Hilfsorganisationen und beleben allgemeine Annahme, dass Israels ultimatives Ziel die Entvölkerung des Gazastreifens ist. „Ich würde das eine Nakba nennen“, sagte der Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, der nicht namentlich genannt werden möchte, eine Anspielung auf die Massenvertreibung von Palästinensern während des Krieges von 1948.Auf jeden Fall ist die humanitäre Lage im Süden extrem herausfordernd. Die Helfer von Oxfam sagen, dass sie und ihre Partner auch während der zurückliegenden Kampfpause Schwierigkeiten hatten, Unterstützung in dem erforderlichen Umfang zu leisten. Wasser, Strom und Telekommunikation seien nicht wiederhergestellt worden. Humanitäre Helfer kamen mit ihrem Equipment nicht zum Zug, um Trümmer zu beseitigen.Die WHO hält bisherige Sicherheitszonen für unzureichend Bushra Khalidi, politische Leiterin von Oxfam für Gaza, meint, aus ihrer Sicht sei die sechstägige Pause als wirksamer Mechanismus für einen verbesserten Transfer von Hilfen gescheitert. „Eines unserer Hauptanliegen bleibt die Einrichtung und Verwaltung von Sicherheits- oder humanitären Zonen, was sich als äußerst problematisch erwiesen hat.“Diese Besorgnis bleibt auch Israels wichtigstem Alliierten, den USA, nicht verborgen. „Wir unterstützen keine Operationen im Süden. Es sei denn, die Israelis können nachweisen, dass sie für alle Binnenvertriebenen im Gazastreifen die Verantwortung übernehmen“, sagt John Kirby, im Weißen Haus, Sprecher für nationale Sicherheit. Zu Beginn des siebenwöchigen Krieges kündigte Israel die Einrichtung einer humanitären Zone in al-Mawasi an, einem Stück Land an der Mittelmeerküste mit einer Breite von einem Kilometer und einer Länge von 14 Kilometern, von Tedros Adhanom Ghebreyesus, dem Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, wurde das als unzureichend eingestuft.
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