Junihitze: Wird 2023 das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen?
Klima Die im Juni bisher gemessenen Temperaturen deuten auf Hitzerekorde hin. Und das, noch bevor El Niño aller Voraussicht nach für einen zusätzlichen Temperaturschub sorgen wird
New York im Rauch: Waldbrände in Kanada haben Auswirkungen auf die US-amerikanische Ostküste
Foto: David Dee Delgado/Getty Images
Unsere Erde scheint vom Fieber gepackt worden zu sein: Die globalen Temperaturen sind im Juni auf bis dato unerreichte Rekordwerte gestiegen – kein gutes Zeichen, in der Klimakrise und vor einem drohenden El Niño-Wetterphänomen, das das Jahr 2023 zum heißesten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen machen könnte.
Die globalen Durchschnittstemperaturen, die bisher im Juni gemessen wurden, liegen fast 1 Grad Celsius über den höchsten Werten, die für denselben Monat seit 1979 aufgezeichnet wurden. Noch ist der Monat zwar noch nicht um, aber Klimawissenschaftler gehen jetzt schon davon aus, dass der Juni einem Muster zunehmender globaler Erwärmung folgt, welches dieses Jahr zum wärmsten jemals aufgezeichneten Jahr machen könnte. Bisher fü
her führt 2016 in dieser erschreckenden Statistik.Placeholder image-1Der Juni war bisher „bemerkenswert warm“, drückt es Copernicus aus, der Erdbeobachtungsdienst der Europäischen Union, der feststellte, dass in den ersten Tagen des Monats sogar ein Temperaturanstieg von 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erreicht wurde.Es ist jetzt schon heiß. Dabei hat El Niño noch gar nicht angefangenDie anschwellende Hitze wird wahrscheinlich durch El Niño einen weiteren Wärmeimpuls erhalten. El Niño ist laut Wikipedia „das Auftreten ungewöhnlicher, nicht zyklischer, veränderter Meeresströmungen im ozeanografisch-meteorologischen System des äquatorialen Pazifiks“, einem natürlich auftretenden Phänomen mit weitreichenden Folgen, bei dem sich Teile des Pazifischen Ozeans erwärmen.Letzte Woche bestätigte die National Oceanic and Atmospheric Administration (Noaa), dass die Bedingungen für El-Niño jetzt vorliegen und sich bis Anfang nächsten Jahres wohl „allmählich verstärken“ werden. Michael Mann, Klimawissenschaftler an der Universität von Pennsylvania, geht davon aus, dass die vom Menschen verursachte Erderwärmung dadurch verschärft werden wird: Normalerweise erhöht eine El-Niño-Episode die globale Gesamttemperatur um 0,1 bis 0,2 Grad erhöht.„Die Anomalie der globalen Oberflächentemperatur befindet sich derzeit auf oder in der Nähe von Rekordwerten, und 2023 wird mit ziemlicher Sicherheit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein“, sagt Mann. „Das wird wahrscheinlich auch in Zukunft für fast jedes El-Niño-Jahr gelten, solange wir den Planeten durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe weiter erwärmen.“Mika Rantanen, ein finnischer Meteorologe, bestätigt, dass die hohen Temperaturen in diesem Monat „außergewöhnlich“ seien. Auch er geht davon aus, dass sie „ziemlich sicher“ zu einem rekordverdächtig warmen Juni führen werden.2023 Jahr gab es bereits mehrere schwere Hitzewellen, die von Puerto Rico über Sibirien bis nach Spanien rekordverdächtige Ausmaße annahmen. Die glühende Hitze in Kanada verschlimmerte die dortigen riesigen Waldbrände, welche vergangene Woche den Himmel über New York City und Washington mit giftigem Rauch vernebelten.Laut einem am Mittwoch von der Noaa veröffentlichten Bericht erlebte die Welt im vergangenen Monat den drittwärmsten Mai in einer 174-jährigen Temperaturaufzeichnung, wobei sowohl in Nordamerika als auch in Südamerika der heißeste Mai aller Zeiten verzeichnet wurde.Die Noaa ist vorsichtiger, was die Aussichten auf einen Wärmerekord im Jahr 2023 angeht, und schätzt die Wahrscheinlichkeit auf etwa 12 Prozent, sagt aber, dass das Jahr mit ziemlicher Sicherheit zu den zehn wärmsten und sehr wahrscheinlich zu den fünf wärmsten gehören wird.Im Mai warnte die Weltorganisation für Meteorologie, dass die globalen Temperaturen in den nächsten fünf Jahren wahrscheinlich in die Höhe schnellen werden, angeheizt durch El Niño und den unverminderten Ausstoß von Treibhausgasemissionen, wobei ein neues heißes Rekordjahr in diesem Zeitraum fast schon sicher zu erwarten ist.Es besteht auch eine gute Chance, dass die Durchschnittstemperatur 1,5 Grad über die vorindustrielle Zeit hinaus ansteigt, eine von 195 Staaten im Pariser Klimaabkommen anerkannte Schlüsselschwelle, ab der Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und andere Klimaauswirkungen erheblich schlimmer werden.Der Nordatlantik ist ein halbes Grad zu warmWährend die Menschen an Land die Hitze spüren, ist die Erwärmung der Meere sogar noch bemerkenswerter: Die Noaa bestätigte im Mai den zweiten Monat in Folge Rekordtemperaturen an der Meeresoberfläche. Die überschüssige Wärme in den Ozeanen, die 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken, beeinflusst nicht nur die globalen Temperaturen, sondern auch die Fischpopulationen, das Ausbleichen von Korallenriffen und den Anstieg des Meeresspiegels an den Küsten.Am 11. Juni lag die Durchschnittstemperatur im Nordatlantik bei 22,7 Grad Celsius: Das ist mehr als ein halbes Grad wärmer als der bisherige Rekord – ein krass hoher Unterschied, wenn man bedenkt, dass das der Mittelwert für einen ganzen Ozean ist. Schon seit drei Monaten ist der Nordatlantik, Europas Ozean vor der Haustür, weit wärmer als normal.Placeholder image-2„Die Ozeane erwärmen sich stetig, aber jetzt erleben wir Rekordtemperaturen. Das ist alarmierend, wenn man bedenkt, dass das zu einer Verstärkung von El Niño führen wird“, sagt Ellen Bartow-Gillies, eine Klimawissenschaftlerin bei Noaa. „Das wird zweifellos Auswirkungen auf den Rest der Welt haben.“Bartow-Gillies denkt, die Noaa habe ihre Temperaturdaten für Juni noch nicht verarbeitet, aber es scheine, dass sich die große Hitze in diesem Monat fortsetzen wird, obwohl El Niño erst später im Jahr ein wichtiger Faktor sein wird.Unabhängig davon, ob 2023 das wärmste jemals aufgezeichnete Jahr wird, warnen viele Wissenschaftler davor, dass die immer stärker sichtbar werdenden Auswirkungen der Klimakrise sich nicht aufhalten lassen werden, solange die Treibhausgasemissionen nicht radikal reduziert werden.„Ohne stärkere Emissionssenkungen sind die Veränderungen, die wir beobachten, erst Vorboten der Auswirkungen, mit denen wir es zu tun kriegen werden“, sagt Natalie Mahowald, Atmosphärenwissenschaftlerin an der Cornell University. „Dieses Jahr und die bisherigen Extremereignisse sollten uns eine Warnung sein.“