Keine K.O.-Schläge

TV-Duell I Im ersten Fernsehduell mit seinem Herausforderer Mitt Romney sah Barack Obama erledigt aus und damit auch seine Präsidentschaft. Doch entschieden ist noch nichts
Romney verstand es tatsächlich, Obama herauszufordern
Romney verstand es tatsächlich, Obama herauszufordern

Foto: Rick Wilking-Pool/Getty Images

Am Ende gab es keine wirklichen Höhepunkte und keine großen Patzer – aber es gab einen Gewinner: Mitt Romney. Nach diversen Fehlversuchen und Neustarts hat er seine Stimme gefunden. Er war zwar nicht sympathisch, aber er war glaubwürdig. Weg waren die hölzerne Persönlichkeit und die exzessive Vorsicht. Der Kämpfer in ihm kam zum Vorschein. Wortgewandt, streitbar und selbstsicher brachte er rüber, was er zu sagen hatte. Barack Obama dagegen wirkte nervös, abgelenkt und unvorbereitet. Nach vier Jahren im Oval Office hat er offenbar seine Stimme verloren. Verschwunden sind bis auf weiteres Charisma, Optimismus und Eloquenz. Defensiv, stockend, langatmig wirkt er jetzt.

Die Wahlkampfteams hatten die Erwartungen nicht sehr weit nach oben getrieben. Für Obama galt das allemal. Hätte man das TV-Duell gesehen, ohne zu wissen, welcher der beiden Teilnehmer der Präsident war, hätte man nicht auf den richtigen gesetzt.

Der Big Government-Linke

Die schlecht moderierte, häufig streberhafte Debatte verlief sich immer wieder in Details, denen kaum jemand folgen konnte. Es gab einen gegenseitigen Austausch von Vorwürfen. Ob sie zutreffend waren, ließ sich nirgendwo verifizieren ließ. Sicher, Obama hatte durchaus seine Momente, etwa als er darauf hinwies, dass Romney kaum in fassbaren Einzelheiten darlegen könne oder wolle, was er eigentlich vorhabe. Auch traf der Hinweis zu, dass er eine Geisel der Extreme innerhalb seiner Republikanischen Partei sei. Doch selbst wenn Obama inhaltlich überlegen war, unterlag er in Sachen Stil. Seine Pointen verloren sich in Weitschweifigkeiten, seine Argumente versteckten sich hinter Statistiken. Nicht einmal hat er Romneys Fauxpas mit den 47 Prozent mehr oder weniger schmarotzenden Amerikanern erwähnt. Selbst wenn ihm durch die Fragen eine Steilvorlage zuteil wurde.

Ausgerechnet bei den Losungen, die ihm im bisherigen Wahlkampf halfen, eine – wenngleich knappe – Führung aufrechtzuerhalten, verhaspelte sich der Amtsinhaber oder vergaß sie ganz. Noch schlimmer ist, dass es ihm nicht nur misslang, dem Gegner einen Treffer zu versetzen, sondern dass er es auch nicht schaffte, seine eigene Vision darzulegen. Statt "Obamacare" für sich zu beanspruchen, trat er die Gesundheitsreform an Romney ab und sagte, es handele sich um eine Idee der Republikaner, die Romney zuerst ausprobiert habe. Statt das von ihm aufgelegte Konjunkturprogramm zu verteidigen, sprach er davon, wo er überall gekürzt habe. Er ließ den Namen George W. Bush vollkommen unerwähnt, obwohl die meisten Amerikaner Obamas Vorgänger als Verantwortlichen für die jetzige Krise sehen.

Romney trug seine Argumente nachdrücklich, immer wieder und lebhaft vor. Auch er sprach den Namen Bush nicht aus und hielt sich an die Behauptung, vier weitere Jahre Obama bedeuteten vier weitere Jahre Schmerz. Obama sei eben mit allem gescheitert, was er versucht habe.

Er stellte Obama als Big-Government-Linken dar, der darauf aus sei, die Geschäftswelt mit Vorschriften zu belegen und lieber Experten als Ärzte und Patienten darüber entscheiden lasse, welche gesundheitliche Fürsorge sie brauchten. Ob das stimmte oder nicht, war zweitrangig. Wichtiger war, ob es saß. Und das tat es.

Bereits festgelegt

Mitt Romney musste einen Auftritt hinlegen, der nochmal Bewegung in ein Rennen bringen würde, in dem er an Boden verloren hat. Er musste eine republikanische Basis hinter sich versammeln, die dabei war, den Glauben zu verlieren. In dem Maße, in dem seine bisherigen Bemühungen gescheitert waren, ist ihm das bei diesem ersten Duell gelungen. Endlich gibt es in seinem Wahlkampf einen Grund zum Jubeln.

Dennoch ist es unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich, dass die Fernsehdebatten grundsätzlich etwas an der Dynamik im Wettkampf um das Weiße Haus ändern. Das Gros der Wähler hat sich bereits festgelegt, und Romney ist in jeglicher Hinsicht längst nicht da, wo er sein müsste. Er hat Zeit gewonnen und die Gelegenheit, gehört zu werden. Hätte er das Duell verloren, wäre er jetzt aus dem Rennen. Nun ist er erst einmal noch dabei.

Jetzt schnell sein!

der Freitag digital im Probeabo - für kurze Zeit nur € 2 für 2 Monate!

Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Gary Young | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen