Elon Musk wurde vom Umwelthelden zum Star der Klimawandelleugner: Adieu, grüner Milliardär
Verwandlung Statt mit Yachten durch Ozeane zu schippern, hat der Tesla-Chef ein Imperium für E-Autos aufgebaut. Generell gibt der reichste Mann der Welt wenig auf irdischen Besitz. Wie konnte so einer zum Stichwortgeber der Klimawandelleugner werden?
Beten allein wird den Klimawandel nicht beenden, lieber Elon Musk
Foto: Alain Jocard/ Getty Images
Es gab eine Zeit, da wurde Elon Musk als eine Art grüner Tony Stark gefeiert – der geniale Erfinder, der ein Doppelleben als Superheld Iron Man führt. Er beeindruckte als Mann, der mithilfe seines Unternehmens Tesla im Alleingang die Klimakrise bekämpft, eine saubere Energiezukunft vorantreibt und sich für neue Steuern einsetzt, die die Nutzung fossiler Brennstoffe drosseln. Doch das Klimazeugnis des reichsten Menschen der Welt wird zunehmend überschattet.
Zum einen ist seine Unterstützung rechtsgerichteter Politiker problematisch, von denen einige explizit die Erderwärmung leugnen. Zum anderen hat sein Management von X, vormals Twitter, dazu geführt, dass sich viele Klimawissenschaftler von der Plattform zurückgezogen haben. Der Grund: zu
zurückgezogen haben. Der Grund: zu viel Desinformation über die Klimakrise. Diese Widersprüche ziehen sich wie ein roter Faden durch die Arbeit und das Leben von Elon Musk.Der Mann, der sich manchmal für einen spartanisch lebenden, grünen Denker zu halten scheint, gehört allerdings zur Elite des einen Prozents der Weltbevölkerung, das laut eines neuen Oxfam-Berichts genauso viel CO₂-Verschmutzung produziert wie die ärmsten Zweidrittel der Menschheit – also rund fünf Milliarden Menschen. Was ist also die Wahrheit über diesen Möchtegern-Tony-Stark?2020: Elon Musk schwört, sich von „fast allen irdischen Besitztümern“ zu trennen2020 schwor Musk, sich von „fast allen irdischen Besitztümern“ zu trennen. Seither hat er einige seiner Villen verkauft und sich stattdessen entschieden, gelegentlich auf der Couch von Freunden zu schlafen. Kürzlich zog er in ein 50.000 Dollar-Tiny House in Boca Chica, Texas, ganz in der Nähe der Test- und Entwicklungsstandorts seines Weltraumtourismusunternehmens SpaceX. Im Gegensatz zu vielen anderen Milliardären gehört Musk nicht zu den Besitzern von klimaschädlichen Superyachten.Er kann zudem auf seine Arbeit beim Aufbau von Tesla verweisen, einem Unternehmen, das die traditionellen Autohersteller herausfordert, indem es den Elektroauto-Markt auf der ganzen Welt verändert. Und er kann Xprize anführen, einen mit 100 Millionen US-Dollar dotierten Wettbewerb, der neue Technologien zur Entfernung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre anspornen soll. Viele Jahre lang, zuletzt in einem Interview im Jahr 2021, unterstützte Musk die Idee der Besteuerung von CO₂-Emissionen, um den Ausstoß von klimaerwärmenden Partikeln in der Atmosphäre zu reduzieren.Doch Musks häufige Privatjet-Nutzung ist Teil des Problems, das sein Autounternehmen in den Griff zu bekommen versucht. Seit er im Oktober vergangenen Jahres X übernahm, absolvierte Musks Privatflugzeug – ein 70 Millionen US-Dollar teurer Gulfstream-Jet mit 19 Sitzen und Küche – rund 200 Pendelflüge zwischen seinen geschäftlichen Aktivitäten in Texas, dem Standort von SpaceX und Tesla, und dem X-Hauptsitz in der Bay Area. Dazu kamen laut Flugaufzeichnungen längere Reisen nach Frankreich, Italien und Singapur. Der Privatjet des Milliardärs hat im vergangenen Jahr einen Monat in der Luft verbracht und dabei 2.500 Tonnen CO₂ ausgestoßenDas bedeutet, dass Musks Privatjet im vergangenen Jahr fast einen Monat in der Luft verbracht und dabei mehr als 2.500 Tonnen CO₂ ausgestoßen hat. Allein die von diesen Flügen verursachten Emissionen betragen also ein Vielfaches derjenigen eines durchschnittlichen US-Haushalts die sich auf weniger als 50 Tonnen pro Jahr belaufen. Musk verteidigt das Flugzeug: Es erlaube ihm, mehr zu arbeiten. Es sei zudem die „einzige Ausnahme“ in einem Lebensstil, der für einen Mann mit einem persönlichen Vermögen von mehr als 240 Milliarden US-Dollar – was ungefähr dem BIP Griechenlands entspricht – relativ bescheiden daherkomme.Die Emissionen, die von Musks Investitionen ausgehen, sind ebenfalls erheblich. Laut der Oxfam-Studie bedeutet sein Anteil an Tesla, dass er für weitere 79.000 Tonnen CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Damit liegt er immerhin deutlich unter anderen aus der erlesenen Welt der Ultrareichen. Laut der Studie stoßen die weltweit 125 reichsten Menschen durch ihre Finanzgeschäfte jährlich durchschnittlich drei Millionen Tonnen Treibhausgase aus. Die Forschung des Nachhaltigkeitsforschers Jared Star an der University of Massachusetts kommt zu dem Ergebnis, dass die reichsten zehn Prozent der Menschen in den USA 40 Prozent der Klimabelastung verursachen. „Musk ist ein komplizierter Fall“, sagt er.Einerseits spielt er durch Tesla eine zentrale Rolle dabei, Elektroautos und Batteriespeicher populär zu machen. Andererseits fliegt er Weltraumtouristen aus Reisen ins All, die einen enormen CO₂-Ausstoß verursachen. Privatjets verbrauchen ebenfalls eine Menge fossile Treibstoffe, sodass er selbst in die Kategorie der Leute mit extrem hohem CO₂-Fußabdruck fällt. Vielleicht noch beunruhigender ist, dass X unter Musk zu einer Plattform für Klimaleugnung verkommen ist. Star attestiert ihr einen „katastrophal schlechten zustand“ und kritisiert die Unterstützung des Milliardärs für republikanische Politiker, von denen einige die etablierte Klimawissenschaft ablehnen.Im Sog der Verschwörungstheorien „Das nimmt dem Bild vom wohltätigen Milliardär, der uns hilft, das gelobte Land einer sauberen Energiezukunft zu erreichen, etwas von seinem Glanz“, so Star. Unter anderem lobte Musk den Unternehmer und Präsidentschaftskandidaten in den Vorwahlen der Republikaner Vivek Ramaswamy als „einen sehr vielversprechenden Kandidaten“, obwohl Rawaswamy effektive Politik gegen den Klimawandel als „Schwindel“ bezeichnet. Musks selbst sagte über die Klimakrise: „Möglicherweise wird sie kurzfristig übertrieben, aber langfristig sollten wir besorgt sein.“ Erst kürzlich behauptete der Unternehmer, der immer mehr rechte Verschwörungstheorien zu unterstützen scheint, die Umweltschützer seien „zu weit gegangen“.Im populären Podcast von US-Comedian Joe Rogan offenbarte Musk seine wissenschaftsfeindliche Haltung: „Wenn man anfängt zu denken, dass die Menschen schlecht sind, dann wäre die natürliche Folgerung, dass die Menschheit aussterben sollte. Wenn die KI von den Ausrottungsbefürwortern programmiert wird, wird ihre Nutzenfunktion die Ausrottung der Menschheit sein. Sie werden es nicht einmal für schlecht halten.“ Musk, der elf Kinder hat, ist sichtlich besorgt wegen eines möglichen Bevölkerungsschwunds. Dabei prognostizieren Experten das Gegenteil.In den nächsten 30 Jahren wird die Weltbevölkerung voraussichtlich um weitere zwei Milliarden Menschen wachsen. Wissenschaftler und Aktivisten sind bestürzt über solche Äußerungen und Veränderungen auf X. „Täglich erhalte ich Kommentare, die von abschätzig bis hin zu geradezu niederträchtig reichen“, postet etwa die renommierte Klimaforscherin Katharine Hayhoe. Früher sei Twitter dagegen eine wichtige Quelle für Leute gewesen, die sich über die Verschlimmerung der Erderwärmung Sorgen machen. „Ich trauere sehr um ihre Zerstörung“, fügt Hayhoe hinzu. Musk versuche als Öko rüberzukommen, sei es aber nicht, urteilt Beatriz Barros, die an der Indiana University forscht und Ko-Autorin einer 2021 erschienenen Studie zum CO₂-Fußabdruck der Superreichen ist.Beatriz Barros hat eine Lösung: Eine CO₂-Steuer für MilliardäreDemzufolge war Musks Lebensstil allein für mehr als 2.000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr verantwortlich – selbst ohne die Nutzung seines Jets. „Er spielt sich als Problemlöser auf, während er für die schockierend hohen Emissionen seines Privatjets verantwortlich ist“, so Barros. Nicht nur hätten Milliardäre wie Musk durch ihren Konsum und ihre Geschäftspraktiken eine „absurd“ überproportionale Auswirkung auf die Umwelt, sondern auch einen zu großen Einfluss auf die Regierungspolitik. Das Weiße Haus versuchte in jüngster Zeit, sich mit Musk und anderen Milliardären wie Bill Gates zu verbünden, um seine Klimaziele zu erreichen.„Es ist alles so undemokratisch: Diese Leute meinen, sie könnten sich verhalten wie sie wollen, weil sie Geld und Macht besitzen“, kritisiert Barros. „Uns wird gesagt, wir sollten weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen und dass wir in diesem Kampf alle in einem Boot sitzen. Und dann stoßen diese Leute in einer Sekunde soviel CO₂ aus, wie andere in ihrem gesamten Leben. Wie kann das fair sein?“ Als mögliches Gegenmittel schlägt Star eine Kohlenstoffsteuer für Milliardäre vor, die Musk in der Vergangenheit bereits unterstützt hat. Allein eine solche Besteuerung von einem Prozent auf Musk würde laut Star genug Geld bringen, um die Mittel für die globale Klimaanpassung in den Entwicklungsländern um zehn Prozent aufzustocken – an den Orten also, die am stärksten von katastrophalen Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren infolge steigender Temperaturen betroffen sind.„Einerseits eine führende Rolle beim Klimaschutz zu spielen und andererseits die Leugner des Klimawandels zu unterstützen, das passt nicht zusammen“, sagt Star. „Eine Steuer in Höhe von einem Prozent würde Musk immer noch reicher werden lassen. Doch sie wäre ein enormer Fortschritt für die Länder, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, aber von dessen schlimmsten Auswirkungen betroffen sind.“
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