In dieser Woche erreichte mit den „ParadisePapers“ gewissermaßen die Fortsetzung der „PanamaPapers“ die Öffentlichkeit. Wieder geht es - nur zwei Jahre später - um die systematische Steuervermeidung von Konzernen und superreichen Privatpersonen mittels dubioser Firmenkonstrukte, die nur zu einem Zweck geschaffen wurden: Um die Steuerlast möglichst auf Null zu reduzieren.
Damit entziehen sich ausgerechnet jene ihrer Verantwortung der Allgemeinheit gegenüber, die am meisten von ihr profitieren; schließlich muss man das Geld zunächst einmal irgendwo einnehmen, bevor man es in verschleierten Kanälen verschwinden lassen kann.
Was privatwirtschaftlich reizvoll wirkt, ist volkswirtschaftlich eine Katastrophe: So fehlen ausgerechnet in jenen Ländern die Rückflüsse, welche die kaufkräftigsten Kunden und damit die wichtigsten Märkte bieten. Wenn Sie sich für über 1000 EUR den neuesten Apple-Schnickschnack kaufen, haben Sie als Arbeitnehmer mit Ihrem Einkommen mehr Steuern bezahlt, als Apple im gesamten Produktions- und Wertschöpfungsverlauf des Geräts.
Dass Deutschland ein reiches Land ist, bedeutet dabei noch lange nicht, dass die Gesellschaft nicht auf Steuern angewiesen wäre, schließlich bröckelt der Sozialstaat heute schon an allen Ecken und Kanten - fragen Sie mal einen Krankenpfleger, eine Lehrerin oder im Altenheim nach. Gleichzeitig kommt das Geld auch anderswo kaum der Allgemeinheit zu Gute - mit einem Prozent Steuern kann ein Staat nicht viel machen.
„Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.“ - Dieter Hildebrandt
Der feine Unterschied zu den Panama Papers war jedoch: Diesmal war offenbar alles legal. Während die Staaten der Welt bis auf Bestürzung wenig bis überhaupt nicht auf die letzten Enthüllungen reagiert haben, wussten die Unternehmen die zwei Jahre gut zu nutzen und haben einfach juristisch nachgerüstet - ob in Form von eigens eingekauften Gesetzen oder heimlichen Umfirmierungen, das sei dahingestellt.
Jedenfalls standen und stehen die größten Volkswirtschaften in der Pflicht, diesem Missbrauch von eigens dafür konstruierten Schlupflöchern vorzubeugen - und da stehen Deutschland, der deutsche Bundestag und der deutsche Finanzminister ganz vorne mit auf der Liste. Wenn sie es denn ernst meinen.
Kommentare 13
man muss sich anhand dieser "Leaks" , die ja genau genommen keine sind, wenn alles legal ist, klarmachen , dass gerade die Legalität all dieser Sachverhalte eben nicht eine Pflicht der Staaten zur Abhilfe offenbart , sondern das genaue Gegenteil. Es offenbart die erfolgreiche Komplizenschaft zwischen Kapital bzw. Markt und Staat auf unwiderlegbare Weise , und den fakt , dass nicht der Stast oder ein Paralment die Macht hat Gesetzesgrundlagen zu schaffen, sondern nur das Kapital alleine.
Damit ist nach dem des Marktes nun auch das ideologiche Narrativ der "Demokratie" endgültig gefallen. Es gibt keine Demokratie , nicht mal im Sinne einer Repräsentation des Souveräns "Volk", nur eine im Sinne des Souveräns Kapital.
... mit anderen Worten : Der Staat "schläft" nicht, sondern macht genau das wofür er schon immer da war, nämlich für den Schutz des Eigentums und für die Gewährleistung der Kapitalakkumulation, der er die eignen Existenz verdankt.
Sorry, aber Ihr Ansatz ist insofern naiv.
@Idog:
Richtig, der Staat schläft nicht, sondern die Volksvertretung scheint es genauso zu ignorieren, wie ein Teil der Bevölkerung auch.
Geht es beispielsweise um mehr Geld für Kultur, für diese und jenen äußerst notwenige Programme, kommt sofort die Keule mit der Schuldenbremse, was ja zudem selbstverräterisch ist, denn dieses Land hat genug Geld, um endlich zu tun, was zu tun ist, nämlich die Einnahmen zu erhöhen in Form der Besteuerung der Vermögen.
Legal, illegal, scheißegal wird bei manchen Bevölkerungsgruppen akzeptiert.
Formatierungsaufhänger ...
Doch während Firmen eifrig nachrüsten, schläft der Staat weiter.
Da grüßt Kaiser Wilhelm ("in allem das Gute sehen"). :-))
Im September war Bundestagswahl. Warum sollten die Jamaica-Parteien oder die SPD, plus AFD, denn "nachrüsten"?
Ganz so pessimistisch würde ich das nicht sehen; die Demokratie ist eben "die schlechteste Regierungsform, mit Ausnahme aller anderen". Darin liegt ja nicht, dass wir die Perfektion erreicht hätten, sondern dass die Demokratie immer nur so stark ist wie ihr gesellschaftlicher Zusammenhalt und ihre Selbstbereinigungsfunktion. Ein Werkzeug ist der Journalismus - und der hat ja bei den ParadisePapers eigentlich ganz gut funktioniert. Ein anderes Werkzeug ist das Korrektiv des Staates - da müssen wir noch dringend nachbessern.
Ich sehe den Staat weniger als Akkumulator, als vielmehr ein sinnvolles Konzept für eine gerechte Verteilung großer Aufgaben (etwa Infrastruktur). Ich bin auch tatsächlich im guten Glauben, dass es im Großen und Ganzen funktioniert. Insofern behalte ich mir gerne eine gewisse Naivität vor. Auf der anderen Seite bin ich nicht so naiv zu glauben, dass es nichts mehr zu verbessern gäbe.
Ich glaube gar nicht so sehr, dass der Staat solche Auswüchse ignoriert, sondern dass bestimmte Personen in Positionen mit viel Macht und damit Möglichkeiten (etwa zur Formulierung eines für einen persönlich besonders günstigen Gesetzes) ihre Funktion als Staatsdiener aus den Augen verlieren und missbrauchen. Ich halte bspw. Wolfgang Schäuble für gefährlich, weil man mit ihm den Bock zum Gärtner gemacht hat - solange seine Rolle in der Weirauch-Affäre nicht geklärt ist, darf dieser Mann meiner bescheidenen Meinung nach eigentlich gar kein öffentliches Amt mehr ausfüllen. Schäuble entstammt einer alten Riege um Kohl, die Steuern immer schon als etwas betrachtet haben, was anderen zustößt. Genauso halte ich hochrangige Zweite-Reihe-Persönlichkeiten wie Jörg Asmussen für kreuzgefährlich, weil diese im Hintergrund eben jene Papiere ausbaldowern, die später unser aller Leben bestimmen werden; Jörg Asmussen ist schon seit Jahrzehnten in den Finanzministerien unterwegs und hat sich zusammen mit seiner Ehefrau ein Imperium aus Interessen-Netzwerken und finanziellen ... nennen wir sie: Möglichkeiten erarbeitet. Man muss da vorsichtig sein, weil diese Menschen so intelligent sind, dass man ihnen schwer etwas nachweisen kann - mal abgesehen von den offiziellen Informationen. Und genau deswegen sind sie gefährlich: Sie arbeiten mit etwas, was uns alle bestimmt, und was sie besser verstanden haben als alle anderen. So etwas führt gerne mal zu Allmachtsphantasien und Missbrauch. Bevor ich mich also zu weit aus dem Fenster lehne, übergebe ich an HG Butzko. (Video, ca. 6 Min)
Eine gute Frage. Ich sehe da leider auch nicht viel Potenzial. Derzeit lassen sich die Grünen nicht einmal mehr von der FDP und CSU über den Tisch ziehen, sondern krabbeln ganz freiwillig direkt selbst drüber. m(
An alle Mitdiskutanten: Entschuldigt bitte die späte Reaktion; die Woche war ziemlich voll und ich kam kaum hinterher. Aber: Es ist mir doch wichtig, jeden Kommentar ernst zu nehmen und entsprechend zu beantworten. Besser spät als nie :)
Sie irren , wenn Sie mir Pessimismus unterstellen. Zu dem habe ich als Realist keinen Grund, denn ich sehe ja, was das Problem ist. Pessimismus wird dem Realisten nur von Idealisten unterstellt, denn nur die halten Realismus für Pessimismus.
Auch hier ein Missverständnis: ich haben nicht geschrieben , dass der Staat selber Akkumulator ist. Er stellt den strukturellen Rahmen dafür her und beschützt diesen Rahmen mit Gewalt. An diesem System des in der Verfassungs genagelten Schutzes des Großeigentums gibt es indes nichts mehr zu verbessern. Das funktioniert also tatsächlich "im Großen und Ganzen". Ist es aber das was "man", der Bürger will? Ich bezweifele es. Das wollen nur ganz wenige ... und die sorgen genau damit , dass sie dieselben wenige bleiben.
Der Staat kann und will da nichts verbessern ausser den weiteren Abbau der Sozial- und Solidarsysteme , die weitere Privatisierung von Gemeineigentum und die Unterdrückung von Widerstand genau dagegen mit militärischer Gewalt. Beispiele kann ich mir trotz Ihrer Naivität vielleicht sparen.
Auch das ist kein Pessimismus, sondern lediglich interessiertes Beobachten der politischen Praxis seit Jahrzehnten.
sorry : und die sorgen genau damit DAFÜR , dass ...