Es sind stürmische Zeiten in Den Haag. Noch keine 48 Stunden war es her, dass der Erdrutschsieg der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) die niederländische Politik auf den Kopf gestellt hatte, da sorgte eine Ankündigung von Dilan Yeşilgöz für Aufsehen: die Spitzenkandidatin der liberal-rechten Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), unter ihrem Vorgänger Mark Rutte viermal in Serie stärkste Partei, gab bekannt, nicht als Koalitionspartnerin zur Verfügung zu stehen. Grund: „Mit zehn Sitzen Verlust haben die Wähler der VVD ein deutliches Signal gegeben.“
Alle Augen richten sich auf Pieter Omtzigt
Damit hat Yeşilgöz, die bisherige Justizministerin, zweifellos Recht. Durch diese Entscheidung erspart sie
ustizministerin, zweifellos Recht. Durch diese Entscheidung erspart sie ihrer Partei zudem die Zerreißprobe einer Koalition mit den Rechtspopulisten. Diese hatte sie zwar, anders als ihr Vorgänger Rutte, vor den Wahlen nicht ausgeschlossen. Doch hatte man sich die Sache in der VVD grundlegend anders vorgestellt: mit einer Juniorpartnerin PVV. Davon kann nun, nachdem diese die Zahl ihrer Abgeordneten mehr als verdoppelt und mit 37 Sitzen einen enormen Vorsprung gegenüber den 24 der VVD hat, keine Rede mehr sein.Die Bildung einer neuen Koalition wird damit erheblich komplizierter: am Wahlabend noch schienen die heutige Partei von Geert Wilders und diejenige, die er 2004 im Streit verließ, als Sockel der künftigen rechts dominierten Regierung auf der Hand zu liegen.Alle Augen richteten sich daher auf Pieter Omtzigt, den Vormann des sozialkonservativen Nieuw Sociaal Contract: der christdemokratische Dissident hatte mit seiner neuen Partei aus dem Stand 20 Sitze erreicht, hat sich bislang aber noch nicht definitiv zur Zusammenarbeit mit der PVV geäußert. Seine ethischen und inhaltlichen Zweifel sind bekannt, was den öffentlichen Druck auf Omtzigt nun erhöht.Ausweg MinderheitsregierungWahrscheinlicher ist damit nun eine Option, die Yeşilgöz ausdrücklich offen ließ: „ein Zentrum-rechts-Kabinett“ (womit die Kombination aus PVV und NSC gemeint ist), das die VVD unterstützen würde, ohne ein Teil dessen zu sein. Dies liefe de facto auf eine Minderheitsregierung heraus, an der sich auch die BoerBurgerBeweging (BBB) beteiligen könnte.In jedem Fall gilt: die Koalitionsverhandlungen, die nach dem Wochenende beginnen, werden äußerst komplex. Für etwaige Bündnispartner geht es dabei um die Frage, wie sich eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten im konkreten Fall gestalten lässt – und wie weit man dabei gehen will.Aus linker Perspektive bieten diese Parlamentswahlen, die auf den Sturz der Regierung im Juli folgten, ein ambivalentes Bild: zunächst einmal ist da das gute Abschneiden der Verbindung aus Partij voor de Arbeid und GroenLinks mit Spitzenkandidat Frans Timmermans. Die rot-grüne Liste landete mit 25 Sitzen auf dem zweiten Platz, eine deutliche Verbesserung. Dem gegenüber stehen Verluste für die ohnehin kleine Socialistische Partij (SP, von neun auf fünf Sitze) und die auf Nachhaltigkeit, Tierschutz und Klima setzende Partij voor de dieren (PvdD, von sechs auf drei). Die bisherige Regierungspartei Democraten66 (D66), die wahlweise als linksliberal oder progressive Mitte bezeichnet werden, stürzten von 24 auf neun Sitze, VOLT verlor einen seiner bislang drei.Migration statt KlimaInsgesamt bleibt damit unter dem Strich ein deutlicher Verlust linker und progressiver Kräfte im Land. Selbst der rot-grüne Aufschwung, der zum Ende des Wahlkampfs zusätzlichen Schwung bekam, um mit einer strategischen Stimme eine rein rechte Regierung zu verhindern, strandete bei 25 der 150 Parlaments-Sitze. Das entspricht ziemlich genau der langfristigen Prognose in Umfragen.Der Schluss daraus liegt auf der Hand: das gesellschaftliche Reservoir für eine entsprechende Politik, die auf Umverteilung, soziale Gerechtigkeit und ambitionierte Klimapolitik setzt, ist nicht nur begrenzt, sondern auch weiter geschrumpft. Der rechte Diskurs, in dessen Zentrum Immigrationsbegrenzung, Bürgernähe, Kaufkraft und eine Abrechnung mit der etablierten Politik und den vermeintlichen urbanen Eliten stehen, wird in den nächsten Jahren dominieren.