„Illegale Gruppe“: die Hartz-Gespräche und ein Brief von Gysi

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Die Frage, die Verkehrsstaatssekretär Andreas Scheuer am Mittwochnachmittag im Bundestag zu beantworten hatte, behandelte ein ziemlich humorfreies Thema. Bevor der CSU-Mann aber auf die streckenbezogenen Nutzungsentgelte für Bundeswasserstraßen und seewärtige Hafenzufahrten einging, bedankte er sich bei der Linksfraktion für die gerade zu Ende gegangene „kleine Pause“. Das Protokoll verzeichnete fraktionsübergreifende Heiterkeit. Lustig ist die Angelegenheit, die am Mittwoch zur Unterbrechung der Bundestagssitzung führte, aber keineswegs.

Die Linke hatte die Sitzung für eine Fraktionssitzung unterbrechen lassen, um sich mit dem Nicht-Ergebnis der Hartz-Gespräche zwischen Union, SPD, Grünen und FDP zu befassen. Das sei den Abgeordneten vorher nicht möglich gewesen, argumentiert Fraktionschef Gregor Gysi, da seine Partei auf „illegale“ Weise von dem Verfahren ausgeschlossen worden sei. Die Linke hatte dagegen auch vorher schon protestiert und erst die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts verhalf der zweitstärksten Oppositionskraft im Parlament überhaupt zu einem Platz am Vermittlungstische. Nicht jedoch in der „Spitzenrunde“.

Gysi hat sich vor dem Hintergrund der in der Nacht zum Mittwoch offiziell gescheiterten Verhandlungen in einem empörten Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert gewandt. Die Bildung einer weiteren Gruppe außerhalb der Arbeitsgruppe sei „illegal“ gewesen und habe nur dem Zweck gedient, die Linke auszuschließen, damit diese keine Kenntnis von etwaigen Nebendeals erhalte. Damit habe der Vermittlungsausschuss sein „Versprechen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht gebrochen“ - und also die Linke erneut von den Gesprächen ferngehalten.

Daraus ergab sich nach Gysis Ansicht „ein neues Problem“: Seine Fraktion erhielt zunächst „keine Kenntnis über das nicht erzielte Ergebnis“. Während die anderen Parteien bereits über das Scheitern berieten, musste die Linken-Vertreterin im Vermittlungsausschuss noch auf den Beginn der Sitzung am Mittwochmittag warten. Zu der war Dagmar Enkelmann nach Meinung der Linken zudem nicht ordentlich geladen – normalerweise gilt eine Fünftagefrist. Die Behauptung, die vorangehende Sitzung sei lediglich unterbrochen worden, es habe also keiner neuen Ladung bedurft, ist Gysi zufolge „eindeutig falsch“ und zeige abermals, dass Union, SPD, grüne und FDP „die Illegalität vorziehen, um irgendwelche politischen – besser wahlkampftaktischen - Ziele zu erreichen“.

Deshalb, weil die Linke als einzige im Bundestag vertretene Partei erst am Mittwochmittag offiziell über das „Ergebnis“ der Hartz-Verhandlungen informiert wurde, kam es am Nachmittag desselben Tages zu jener Pause, die Gysi in seinem Brief an Lammert bereits angekündigt hatte und an deren Ende es fraktionsübergreifende Heiterkeit gab. Nur eben nicht bei der Linken, deren gleichberechtigte Beteiligung am parlamentarischen Verfahren keine Frage des politischen Geschmacks ist. Aus der einstweiligen Anordnung der Linksfraktion in Karlsruhe wird nun ein Hauptsacheverfahren. „Gestatten Sie mir allerdings den Hinweis“, endet Gysi seinen Brief an Lammert, „dass ich es bedauerlich finde, dass unser Fraktion ihre Rechte regelmäßig nur über das Bundesverfassungsgericht durchgesetzt bekommt.“

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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