Marketing des Lebens. Tod des Marketings

Kapitalismus Coca-Cola scheint mit seiner Marke "Life" eine neue Dimension der Vermarktung des Lebens erreicht zu haben. Wird das auch ihr Untergang sein?

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Wenn man derzeit vor einem der Werbeplakate für das hierzulande neueste Lebensverkürzungsmittel aus dem Hause Coca-Cola steht, das auch noch den wunderschön zynischen Namen Life trägt, kann sich einem unweigerlich die Frage aufdrängen, ob hier nicht sogar eine neue Dimension des Marketings erreicht ist. Denn mal abgesehen davon, dass Coca-Cola sich für sein neues Greenwashing gewissermaßen auf den Kopf stellen, oder von innen nach außen stülpen, nämlich sich in seine Komplementärfarbe verwandeln musste; und ganz abgesehen von der Frage, ob der globale Kapitalismus nicht mehr Leben vernichtet, als er schafft, will zwar seine Werbung – und muss das nicht zuletzt sicher auch, um von genau jener Frage abzulenken – natürlich immer schon vor allem eins: mit ihren Produkten zugleich ein ganzes Lebensgefühl verkaufen.

Aber könnte es sein, dass vielleicht wirklich erst jetzt mit Coca-Cola Life zum ersten Mal ein Unternehmen diese Strategie eins zu eins, in reinster Form beim Namen, nämlich sein Produkt nach ihr benennt? Mir ist bisher jedenfalls kein anderes vergleichbares untergekommen (ich bin da allerdings auch sicher nicht der Bewandertste).

Im Grunde ist es aber doch höchst erstaunlich, dass die Werbeindustrie der Versuchung dieses neuen, womöglich letzten Registers so lange widerstehen konnte. (Weniger erstaunlich ist es freilich, dass nun gerade Coca-Cola den Anfang gemacht hat, das durch seine sensationell erfolgreichen Marketing-Strategien seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Marken der Welt gehört.)

Doch vielleicht ist dieses nun endlich vollständig ausverkaufte Leben ja auch ein Menetekel, ein Zeichen des Untergangs dieser Art des Illusions-Marketings überhaupt. Weil ihm nun zu guter Letzt einfach nichts mehr einfällt, was es uns noch mit gutem oder schlechtem Gewissen versprechen könnte. Und wenn die Werbung nun endlich wirklich nichts anderes mehr zu versprechen hat, kann sie uns also nur noch das ganze nackte Leben selbst versprechen. Und könnte dabei noch einmal grandios siegen, weil sie uns zuletzt die größte Gefühlshülse von allen hinhält. Sie wird danach aber wohl – und hoffentlich – noch grandioser scheitern müssen, weil diese letzte Hülse zugleich hohler ist als alle anderen, und mindestens so leer wie all die Millionen und Milliarden bisher von ihr getrunkenen Flaschen.

Dass in der neuen Coca-Cola Life übrigens außer ein paar supertrendigen und supergesunden Stevia-Extrakten genau derselbe Scheiß drin ist wie immer, bedarf wohl auch nicht der gesonderten Erwähnung. So ergeben die Komplementärfarben bei Coca-Cola in der Summe einfach: das alte leblose Braun.

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Geschrieben von

Tom Wohlfarth

Politische Theorie und Kultur

Tom Wohlfarth

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