Pressefreiheit in Russland

Auswärtiges Amt Wie ich in Moskau von der deutschen Presse abgeschnitten werde

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Als deutscher Korrespondent in Moskau hat man so seine Mühen einen lebendigen Kontakt mit der Heimat zu halten. Es gibt keine Direktflüge mehr nach Deutschland. Für eine Flugreise über die Türkei oder Finnland nach Deutschland zahlt man den doppelten Preis und braucht zwei, drei Tage Reisezeit.

Als deutscher Auslandskorrespondent ist der tägliche Kontakt zur deutschen Presse unabdingbar. Die FAZ, Spiegel und Focus konnte ich in den 1990er Jahren noch im Hotel Metropol - nicht weit vom Kreml - kaufen. Doch dort gibt es jetzt keine ausländische Presse mehr. Auch im Hotel Baltschug - ein beliebtes Hotel für deutsche Geschäftsleute und Diplomaten - gibt es seit vier Jahren keine deutschen Zeitungen mehr, wie mir eine Vertreterin des Hotels mitteilte.

Um auf dem Laufenden zu bleiben hatte ich seit den 2000er Jahren Online-Abonements für die "Zeit", "Spiegel" und "Junge Welt". Zudem bekam ich per Post das Fachmagazin "Osteuropa", die Monatszeitung analyse & kritik sowie als Verdi-Mitglied "Menschen machen Medien" und "Publik". Wegen sinkender Einkommen musste ich die Abos für die "Zeit", "Osteuropa" und "analyse & kritik" kündigen.

Als Info-Quelle bleibt noch das Internet. Doch das ist zeitaufwendig. Eine gute Hilfe, um sich über die Meinungen in Deutschland zu informieren, war für mich immer noch die tägliche deutsche Presseschau, welche die Presseabteilung der Deutschen Botschaft in Moskau an Korrespondenten und andere Interessierte per Mail verschickte.

Ich bekomme diese Presseschau - in der im Internet zugängliche Artikel der deutschen Leitmedien über Russland veröffentlicht werden - seit 1992, also seit ich in Moskau arbeite. Später kam noch eine Presseschau über die russische Zeitungen hinzu, in der wichtige Artikel der russischen Presse in knappen Sätzen in deutscher Sprache zusammengefasst werden.

Doch plötzlich versiegte dieser Informationskanal. Am 23. September 2022 wurde mir von der Deutschen Botschaft die letzte Presseschau zugeschickt. Nachdem ich die Presseabteilung der Botschaft schriftlich gebeten hatte, mich wieder in den Verteiler für die Presserundschau aufzunehmen, bekam ich am 27. Dezember 2022 folgende Antwort:

Sehr geehrter Herr Heyden,

aufgrund der aktuellen Lage haben wir nach Rücksprache mit dem Botschafter entschieden, vorerst keine Presseauswertung mehr an einen ungesicherten, externen Verteiler zu schicken.

Ich hoffe, Sie haben hierfür Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Deutsche Botschaft Moskau

Auf diesen Brief antwortet ich am gleichen Tag mit folgenden Zeilen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich verstehe Ihren Brief nicht. Was meinen Sie mit «ungesicherten, externen Verteiler»? Ich bin deutscher Staatsbürger und bekomme die Presseauswertung seit 1992, weil ich als deutscher Journalist in Moskau für deutsche Medien arbeite. Ich bin kein «Verteiler» sondern Endverbraucher. Können Sie mir nicht wenigstens die Auswertung der deutschen Medien schicken?

mit freundlichen Grüßen!

Ulrich Heyden

Eine Antwort auf meine Zeilen habe ich bisher nicht erhalten.

Nun habe ich nachgedacht, was der Auslöser gewesen sein könnte, mich von der Liste der Presseschau-Empfänger zu streichen. Am 23. September 2022 fuhr ich mit dem Zug nach Rostow am Don und von dort aus nach Donezk, um für "RT DE", die "Nachdenkseiten", "Junge Welt" und "Rubikon" über das Referendum in der Volksrepublik Donezk zu berichten. Möglicherweise war man über die Tatsache, dass ein deutscher Journalist aus Donezk über ein Referendum über die Vereinigung mit Russland berichtet, verstimmt und beschloss mich zu sanktionieren.

Für mich ist das keine Lapalie, weshalb ich die Angelegenheit hiermit öffentlich mache.

Weitere Artikel zum Thema:

Donezk: Glühender Raketen-Schrott am Nachthimmel ("Nachdenkseiten" 13.10.22)

„der Freitag“ – auf dem rechten Auge blind? ("Nachdenkseiten" 25.03.22)

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