Hüpfbälle für die Kleinen

Gesundheit Seit Jahren wird diskutiert, wie man die Leute dazu bringt, gesünder zu leben, um Kosten im Gesundheitssektor zu sparen. Nun gibt es einen Gesetzentwurf – er ist flau
Ausgabe 13/2013

Stellen Sie sich vor, der Stress in Ihrem Betrieb ist nicht mehr zum Aushalten, Sie werden depressiv, und man rät Ihnen: Gehen Sie doch mal in die Burnout-Beratung oder machen Sie ein bisschen Yoga. Oder Sie sind Hartz-IV-Empfänger, und eine Ernährungsberaterin gibt Ihnen auf den Weg, nur noch Gesundes im Biomarkt einzukaufen.

So ähnlich sind die Vorstellungen von Prävention, die Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) noch kurz vor der heißen Wahlkampfphase per Gesetz absegnen lassen will. Eigenverantwortung, diese begriffliche Wunderkerze seines Vorgängers Philipp Rösler erleuchtet nun auch den Vorspann von Bahrs Vorlage, nach der die Krankenkassen statt drei künftig sechs Euro pro Mitglied bereitstellen sollen, um ein bisschen im Betrieb oder in den Kitas und ein wenig bei der Prophylaxe zu streuen.

Das ist alles, was nach zehn Jahren übrig bleibt von der großen und immer wieder torpedierten Präventionsanstrengung, die unter Rot-Grün mit einer gewaltigen Stiftungsinitiative begann und die mit der Großen Koalition in einen bundesweiten Präventionsrat münden sollte – und, tja, nun mit Hüpfbällchen für die Kleinsten und ein bisschen mehr Gesundheitswerbung durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung endet.

Nicht nur die ausschließliche Finanzierung durch die Krankenkassen fordert die Kritiker heraus, es ist der ganze Ansatz, der nichts taugt: Aufklärung, so die Erfahrung aus 70 Jahren Public-Health-Forschung, greift nicht weit genug, insbesondere bei gesellschaftlichen Schichten, die stark gesundheitsgefährdet sind. „Die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung sterben im Durchschnitt zehn Jahre früher als die reichsten 20 Prozent“, wird der Chef des Paritätischen Gesamtverbands, Rolf Rosenbrock, nicht müde zu beklagen. Er hat die Kämpfe um das Präventionsgesetz früher einmal als Berater des Gesundheitsministeriums begleitet und moniert besonders scharf die „substanzlose Symbolpolitik“ Bahrs.

Doch wie schon alle früheren Anläufe wird wohl auch dieses Gesetz nie in der Lebenswelt ankommen: Der SPD-geführte Bundesrat hat schon Ablehnung signalisiert – zum Glück.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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