Lebensschützer und Dreikindfamilien

Frauensache Seit dem Erfolg bei den Landtagswahlen wird klar: Homophobe Tendenzen und erzkonservative Ansichten in der Familienpolitik werden immer mehr zum Leitbild in der AfD
Ausgabe 39/2014
Lebensschützer und Dreikindfamilien

Illustration: Otto für der Freitag

Spätestens seit Frauke Petry im sächsischen Wahlkampf die Dreikindfamilie als Leitbild ausgerufen hat, ist klar geworden, in welcher Ecke sich die AfD im familienpolitischen Spektrum positioniert. Zwar präsentiert sich die Anti-Euro-Partei nicht offen frauen- und schwulenfeindlich, doch die Invektive gegen „gesellschaftspolitische Umerziehungsmaßnahmen wie Gender Mainstreaming“, die Positionierung gegen die Frauenquote und die Ablehnung sexualpolitischer Aufklärungskampagnen zeigen, wohin die Reise geht. Die homophobe Tendenz wird unterstrichen durch abfällige Bemerkungen über das Coming-out von Fußballspielern oder die Disziplinierung einzelner, sich eher schwulenfreundlich gebender Landesverbände. „Homosexualität darf kein Leitbild sein für eine Gesellschaft, die Bestand und Zukunft haben will“, postuliert der hessische AfD-Promi Wolfgang Hübner.

Der Soziologe Andreas Kemper hat im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung die geschlechterpolitischen Positionen der AfD bereits anlässlich der Europawahlen untersucht. Nach der Analyse der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, die die inhaltlichen Gewichte verschoben haben, sieht sich Kemper nun in seinen Befürchtungen bestätigt. In Sachen Abtreibungsrecht verbündet sich die AfD mittlerweile mit den ultrakonservativen Christen, die am vergangenen Samstag ihren alljährlichen „Marsch für das Leben“ veranstalteten. Und die erzkonservative EU-Parlamentarierin Beatrix von Storch organisiert Kampagnen für den Familienschutz mit dem Ziel, die EU-Genderpolitik zu sabotieren.

Die Kritik am „Genderismus“ könnte, sagt Kemper, zu einem Markenzeichen der Partei avancieren. Und sie liefert der feministischen und genderaktivistischen Bewegung ein neues Feindbild, wie auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin im Vorfeld des „Marsches“ deutlich wurde. Es ist, als ob die alten Lager des Abtreibungsstreits der 70er Jahre wieder auferstehen würden.

Doch die Welt ist komplizierter geworden, das Recht auf selbstbestimmte Abtreibung wird beispielsweise konterkariert vom eingeklagten Konsumentenrecht auf alles, was der Reproduktionsmarkt hergibt. Dazu gilt es kritische Positionen zu entwickeln – und diese können einen unversehens ins Lager der „Lebensschützer“ katapultieren. Differenzierte Aufklärung ist ein schwieriges Unternehmen, schwieriger jedenfalls, als eine Gegendemo zu organisieren und in die Falle zu tappen, die die AfD aufstellt.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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