„Ford hat ein Auto gebaut /Das fährt ein wenig laut / Es ist nicht wasserdicht / Und fährt auch manchmal nicht“, reimte Bertolt Brecht 1934 im dänischen Exil in Svendborg. Dort fuhr er noch seine geliebte, wenn auch von Freunden belächelte Kurbelkarosse aus den Detroiter Werken. Doch als visionärer Kopf war Bertolt Brecht auch davon überzeugt, dass Tin Lizzy, das T-Modell von Ford, ebenso ein Durchgangsmodell bleiben würde wie das gerade angebrochene Stadium des imperialistischen Kapitalismus: bei höherer Drehzahl lautes Getöse von sich gebend, garantiert undicht und am Ende betriebsuntauglich.
Gleichwohl war Henry Ford für die zukunftsgläubige Avantgarde dieser Zeit ein Vorbild. Als er 1903 seine Ford Motor Company in Detroit gründete, ahnte noch niemand, dass er damit den Grundstein für das legte, was Paul Virilio später die dromoskopische Revolution nennen würde. Gemeint war die Entstehung des in Beschleunigung versetzten Körpers, für den jede Entfernung schwindet. In einer solchen zusammengeschrumpften Welt vagabundiert aber nicht nur der Mensch, sondern auch das Kapital.
Freiheit ist die Freiheit von Ballast
Ford war es auch, der 1913, vor genau 100 Jahren, ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, jene Innovation einführte, die die Industrieproduktion revolutionieren sollte, das Fließband. „Die Armut“, legte Ford seine Philosophie in seinen Erinnerungen nieder, „entspringt zum großen Teil aus dem Schleppen toter Gewichte.“ Fords Vision bestand darin, alles Belastende abzuschütteln: die Schwere der Materie und die Last der überkommenen Kultur. „Du sollst“, lautete das erste Gebot seines Katechismus, „die Zukunft nicht fürchten und die Vergangenheit nicht ehren.“ Freiheit, so das Credo, ist Freiheit von Ballast. Es sollte die zeitgenössischen Intellektuellen eine Zeitlang beflügeln.
Vergangene Woche musste die Stadt, die als Sinnbild für diese 100-jährige Tradition der erinnerungslosen Beschleunigungsgesellschaft steht, Bankrott anmelden. Während New York, das jahrzehntelang von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Symbol des Finanzkapitalismus, sich in einer Art permanenter Selbstverschwendung am Leben erhalten hat, leistet das urbane Symbol des Industriekapitalismus den Offenbarungseid.
Denn das von Ford proklamierte Modell einer „sauberen“ Geschäftsmoral, die Vorstellung, im Dienst der Gesellschaft zu stehen, und, nicht zu vergessen, die Einführung eines an den Bedürfnissen einer Familie bemessenen Mindestlohns – all das gehört in die Ära eines paternalistisch geprägten Kapitalismus. Die Gründergeneration der Automobilindustrie stand für einen „dritten Weg“ sozialer Versöhnung, während das sich selbst steuernde Gefährt, auf die Überholspur gesetzt, einen Homo oeconomicus hervorbrachte, der nicht mehr in kapitalistischer Echtzeit agiert.
„Eine Maschine, die von Zeit zu Zeit stockt“, schrieb Ford, „ist eine unvollkommene Maschine, die ihre Mängel in sich trägt.“ Das Gleiche gelte auch für das Geschäftsleben. Dessen Fehler, glaubte er, lägen in der ethischen Verfassung. Genau solche Konstruktionsdefizite sind es, die Detroit nun abstürzen lassen. Während sich nämlich die Automobilindustrie vom Gemeinwesen hat kurieren lassen, wurde dieses krank. Im Zeitalter Fords hätte es genau umgekehrt sein müssen.
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