Meine vier Wände

Frauensache Jeder fünfte Bundesbürger wohnt solo. Freie Entscheidung oder von der Not diktiert?
Meine vier Wände

Illustration: Otto

Von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause kommen, die Beine hochlegen und keiner da, der was von einem will. Perfekt! Aber da ist auch niemand, dem man erzählen könnte, wie der Tag war, oder mit dem man das Wochenende plant.

Allein zu leben ist eine zwiespältige Angelegenheit. Wie man sich damit fühlt, hängt von der sozialen Situation ab und davon, ob man es wählt oder nicht. Tatsache ist: Nach dem Mikrozensus 2011 „Alleinlebende in Deutschland“ wohnen 15,9 Millionen Bundesbürger, das ist fast jeder Fünfte, solo. Vor 20 Jahren waren es nur 11,4 Millionen. Wobei Migranten viel seltener alleine leben als „Bio-Deutsche“. Und es ziehen sich auch immer mehr Männer in ihre eigenen vier Wände zurück, sei es, weil sie keine Familie ernähren können, dieses Modell nicht (mehr) attraktiv für sie ist oder weil sie kein entsprechendes Pendant finden. Über die Gründe sagt der Zensus nichts. Aber allein zu leben korrespondiert auch oft mit Armut, erstaunlicherweise mehrheitlich für Männer.

Vielleicht findet es die gut ausgebildete Managerin oder Juristin, die voll eingespannt ist und ein ordentliches Gehalt nach Hause trägt, tatsächlich nicht besonders verlockend, sich zu Hause von einem Partner sagen zu lassen, wo es langgeht. Der Hartz-IV-Empfänger mit Unterhaltsverpflichtungen aus einer früheren Ehe wird dagegen eher unfreiwillig als Single leben. Viele männliche Studierende ziehen sowieso das „Hotel Mama“ vor.

Freiheit oder Qual der Wahl

Über das „soziale Kapital“, über das Alleinlebende verfügen – also ob sie auf einen Partner, ein Freundesnetzwerk oder die Ursprungsfamilie zurückgreifen können –, sagt die Statistik nichts. Genau das zu wissen, wäre aber aufregend. Denn nur so wären auch Rückschlüsse auf Glück oder Zufriedenheit möglich.

Positiv vermeldet die Statistik, dass viele Lebensformen möglich geworden sind. Frau muss sich nicht mehr misstrauisch beäugen lassen, wenn sie in einer „Kommune“ lebt oder als Alleinstehende Herrenbesuch empfängt. Freiheit ist die Wahl der Möglichkeiten. Die Freiheit der Wahl ist, wie wir wissen, aber auch eine Krux, weil man so vieles verpassen kann.

Schlecht für die, die gar keine Wahl haben. Es könnte sein, dass eine älter werdende Gesellschaft sich das Alleinleben gar nicht mehr wird leisten können und man sich in einer Zwangsgemeinschaft wiederfindet. Die mittlere Generation hat sich die Freiheiten erkämpft. Noch hat sie die Wahl, wie sie später mal leben will.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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