Seid reich und geht doch mal zum Arzt

Männer Jeder vierte Mann war noch nie beim Arzt. Daher rückt das starke Geschlecht allmählich verstärkt in den Fokus von Gesundheitsexperten
Ausgabe 17/2015
Geschlechtsspezifische Gesundheitsverhalten: Männer neigen zum Risiko
Geschlechtsspezifische Gesundheitsverhalten: Männer neigen zum Risiko

Foto: Fox Photos/Getty Images

„Bitte bringen Sie Socken und bequeme Kleidung mit“, so werben Volkshochschulen für Yoga- oder andere Entspannungskurse. Und wundern sich, wenn zu Semesterbeginn vor Ort dann nur Frauen Selbstgestricktes oder Schickes aus dem Baumwollbeutel ziehen. An durchtrainierten Männern, die mittels einer Gesundheits-App ihre Biodaten erheben, geht eine solche Aufforderung ebenso vorbei wie an übergewichtigen Couch-Potatoes, die Arztpraxen weiträumig meiden, weil sie überhaupt nicht auf die Idee kommen, ein Problem zu haben.

Männer und Gesundheit, das ist so eine Sache. Jeder vierte Mann war noch nie beim Arzt, nur höchstens ein Drittel nimmt überhaupt eine Vorsorgeuntersuchung wahr. Männer halten sich für gesund – bis sie tot umfallen. Deshalb konzentriert sich der Fokus von Gesundheitsexperten in den vergangenen Jahren auch verstärkt auf das starke Geschlecht. Es gibt mittlerweile Männergesundheitsportale und regelmäßig auch einen Männergesundheitskongress, der sich in diesem Jahr, traurig aktuell, um die psychische Gesundheit von Männern drehte.

Denn entgegen landläufiger Meinung sind es nicht vor allem Frauen, die zu depressiver Verstimmung oder handfesten Depressionen neigen, weiß der Psychiater Harald Gündel. Sondern die Depression wird oft nicht erkannt, weil sie sich klinisch anders ausprägt: Männer ziehen sich nicht zurück wie Frauen, sondern reagieren gereizt, aggressiv oder werden hyperaktiv. Die traurige Statistik zeigt: Zwei Drittel bis drei Viertel aller Suizide gehen auf das Konto von Männern. Und das hat etwas damit zu tun, dass noch immer das alte Rollenbild vorherrscht – und zwar das vom Mann, der keine Schwäche zeigen darf. Männer halten sich mit Aufputschmitteln und Anabolika bei Laune, Frauen schlucken Beruhigungsmittel und Schlaftabletten.

Seelische Gesundheit ist elementar abhängig von den sozialen Beziehungen: Private Probleme oder Arbeitsstress wirken bis in die Zellen und können dann Herzkrankheiten, Rücken-probleme und Ähnliches auslösen. Bekanntlich ist das Risiko für koronare Herzkrankheiten bei Männern höher. Weniger bekannt ist hingegen, dass Männer, wenn sie denn einmal therapiert werden, die teureren Therapien und Medikamente verordnet bekommen. Dass Arbeitslosigkeit einen eklatanten Einfluss auf den Gesundheitsstatus hat, ist seit langem bekannt und drückt sich unter anderem auch darin aus, dass Männer aus benachteiligten Schichten sechs Jahre früher sterben als Gutsituierte. Eine Tatsache, die sich, wie der Pharmaexperte Gerd Glaeske kritisiert, eine Industriegesellschaft eigentlich nicht leisten dürfte.

Aber sicher, es spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Männer neigen zum Risiko, Frauen beugen vor. Das geschlechtsspezifische Gesundheitsverhalten ist schon in der Sozialisation angelegt: Mädchen haben in der Pubertät früh Kontakt zu Gynäkologen, in den Familien sind ganz überwiegend Frauen für die Gesundheit zuständig und deshalb auch Adressatinnen für entsprechende Angebote, weshalb das Gesundheitssystem dazu neigt, den Umweg über Frauen zu gehen, um an die Männer heranzukommen. Ganz falsch sei dieser Ansatz, meint Thomas Altgeld, der sich seit vielen Jahren mit lebensweltlicher Prävention befasst. Man müsse die männliche Selbstwahrnehmung ernst nehmen, statt sie als minderbemittelte Problemgruppe zu behandeln, die irgendwo „abgeholt“ werden müsse.

Aber, liebe Männer, die Zahlen zeigen eins ganz deutlich. Hierzulande ist die beste Prävention schlicht: Seid reich,und sucht euch eine Partnerin oder einen Partner, mit der oder dem ihr glücklich seid!

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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