Warum Florence Hervé kein Verdienstkreuz will

Würdigung Im Gegensatz zu anderen hat die Journalistin und Feministin die Ehrung durch den Bundespräsidenten abgelehnt. Mit guten Gründen
Ausgabe 28/2014
Warum Florence Hervé kein Verdienstkreuz will

Illustration: Otto

Die einen tun es, die anderen nicht. Die einen betrachten es als Zeichen ihrer Anerkennung in der Männergesellschaft, die anderen als unbilliges Einverständnis mit ihr. Alice Schwarzer etwa hat sich in die Reihe der bundesdeutschen Ehrenbürger aufnehmen lassen, mit einem Bundesverdienstkreuz am Bande, einem der ersten Klasse – und sogar mit dem französischen Ritterorden. Ist frau damit angekommen unter den Männern?

Der Düsseldorfer Journalistin Florence Hervé sollte nun dasselbe zuteilwerden. Die Frauenrechtlerin und bekennende Linke wurde vorgeschlagen für das Bundesverdienstkreuz – und sie hat abgelehnt. „Monsieur le Président“ hebt ihre Erklärung an, in Erinnerung an das antimilitärische Gedicht Le déserteur von Boris Vian. Es widerstrebe ihr, schreibt Hervé, eine Auszeichnung vom höchsten Repräsentanten eines Staats entgegenzunehmen, dessen Regierung selten den Eindruck erwecke, an der Beseitigung von Diskriminierung und sozialer Ungleichheit sowie an dauerhafter Abrüstung interessiert zu sein.

1944 in einem Pariser Vorort geboren, hat sich Florence Hervé besonders für die deutsch-französische Aussöhnung engagiert. Nicht weit von ihrem Heimatort liegt das Dorf Oradour-sur-Glane, das die SS am 10. Juni 1944 völlig ausgelöscht hat: 642 Menschen, meist Frauen und Kinder, fielen dem Massaker zum Opfer. Hervé hat darüber geschrieben wie über andere NS-Verbrechen, die Ausgangspunkt für ihre Aktivitäten in der Friedensbewegung wurden und eingebettet sind in ihr feministisches Engagement. Sie war Mitbegründerin der Demokratischen Fraueninitiative, bringt bis heute den Kalender Wir Frauen heraus und empört sich in ihrem Brief an den Bundespräsidenten, dass sich die offizielle Frauenpolitik damit begnüge, einzelne Frauen in Chefetagen oder in die Bundeswehr zu hieven, während der Mehrheit die mit einer Herdprämie flankierte Sorgearbeit überlassen bleibe.

Ich kenne Florence Hervé noch aus der Zeit, als sie als Journalistin für die Deutsche Volkszeitung, eine Vorläuferin des Freitag, arbeitete. Man musste ihr parteipolitisches Engagement für die DKP nicht teilen, um ihr unermüdliches feministisches Bemühen und ihre friedenspolitischen Aktivitäten zu bewundern. Für Hervé war die Geschlechterfrage immer auch eine soziale Machtfrage. Glücklicherweise gibt es solche wie sie, die keinen Frieden schließen wollen mit einer Gesellschaft der Ungleichheit.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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