Unterschätzte Gefahren für die Energiewende

Energie Von mangelnden Speicherkapazitäten bis technologischer Abhängigkeit von Huawei - es steht schlecht um unser epochales Energieprogramm

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Unterschätzte Gefahren für die Energiewende

Foto: Miguel Villagran/Getty Images

Es gab einmal eine Zeit, in der Deutschland in der zukunftsträchtigen Branche der Windenergie führend war. Als Vorreiter in Entwicklung und Umsetzung schaute die Welt interessiert auf den Ansatz der Bundesrepublik zu einer echten Energiewende. Mittlerweile allerdings herrscht Flaute in Deutschland – und das, obwohl weltweit die Windkraft erst so richtig Fahrt aufnimmt.

Über Proteste von Bürgerinitiativen gegen Windparks wird oft berichtet, dabei hat die Windkraft eigentlich eine sehr große Zustimmung in der Bevölkerung. Aber der Gesetzgeber errichtet oft zusätzliche Hürden, wie etwa die 1000-Meter-Abstandsregel zeigt, und verkompliziert die Lage für viele Kommunen. Dass dadurch Probleme entstehen ist vorprogrammiert, allerdings sind die wahren Hürden für die Windenergie ganz andere, nämlich technischer Natur.

Sorgenkind Windenergie

Diese stellen langfristig ernste Hindernisse für die Windkraft – und Energiewende – in Deutschland dar. Das Kernproblem ist hierbei der chronische Mangel an Speicherkapazitäten, wodurch dem Land bei anhaltender Windstille (sowie langen, sonnenlosen Perioden) eine „Dunkelflaute“ droht. Tatsächlich sind diese Befürchtungen nachvollziehbar, bläst der Wind doch tatsächlich nicht immer. So es ist durchaus peinlich, dass in einem der reichsten und fortschrittlichsten Staaten der Welt die Möglichkeiten, schnell Abhilfe zu schaffen und die Versäumnisse der Vergangenheit wieder aufzuholen, nicht genutzt werden.

Von wegen Abhilfe: Als es im Januar plötzlich klirren kalt wurde – trotz der Jahreszeit anscheinend überraschend für viele Mitbürger – standen viele Windkraftanlagen wegen Vereisung still. Dies liegt an der Tatsache, dass Windräder in Deutschland abgeschaltet werden müssen, wenn sich an den Rotorblättern Eisansätze bilden. Schweizer Forscher arbeiten bereits an einem Beheizungssystem, damit solche Wetterbedingten Ausfälle bei neuen Anlagen künftig vermieden werden können – eine Innovation, die Deutschland mangels Windkraftausbau auch zu verschlafen riskiert.

Es sind systemische Probleme wie diese, die zur schlechten Wettbewerbsfähigkeit des heimischen erneuerbaren Energiesektors beitragen. Die Energiepreise in Deutschland sind die höchsten Europas und überdurchschnittlich im internationalen Vergleich. Verkrusteten Strukture, deren Wurzeln bis in die Zeit der Industrialisierung zurück reichen, tun ihr Übriges: Große Kraftwerke fest in Unternehmerhand stehen modernen Bedürfnissen entgegen. Ein echtes Umdenken ist geboten, nicht nur innerhalb des bestehenden Systems, sondern in Bezug auf einen kompletten Systemwandel.

Huawei: die Tücken technologischer Abhängigkeit

Neben den Chancen bei solch einem Systemwechsel gibt es aber auch Gefahren, vor allem deshalb, weil die Entwicklung grundlegend neuer Technologien hierzulande weitestgehend verpasst wurde. Unverzichtbare Komponenten für viele unterschiedliche Industrien müssen deswegen im Ausland beschafft werden – mehrheitlich in China. Ein Paradebeispiel dafür ist der Konzern Huawei, marktführend in weiten Bereichen sowohl der Komponenten für Photovoltaik als auch beim für die Digitalisierung so wichtigen G5-Netzes.

Nun befürchten westliche Nationen, nicht zu Unrecht, die Gefahr von Spionage und einer Abhängigkeit vom chinesischen Vorzeigekonzern und damit, quasi in Verlängerung, der Staatsführung in Peking. Denn es gibt ein Gesetz, wonach chinesische Firmen verpflichtet werden können, Daten und Erkenntnisse an die Regierung weiter zu geben. Selbst wenn man eine solch gezielte Aggression nicht unterstellen wollte, ist das Risiko erhöhter Erpressbarkeit nicht aus der Welt zu reden.

Es überrascht nicht, dass sich die Konzernführung von Huawei befleißigt, alle Bedenken dieser Art zu zerstreuen, man hege keinerlei böse Absichten. Das mag für den Moment stimmen. Aber der Aufbau einer Infrastruktur für die Technologie der Zukunft ist eine sehr langfristige Angelegenheit und der zunehmende Anspruch Chinas auf Dominanz in der Welt zeigt sich allerorten. So ist es löblich, dass Berlin sich letzten November endlich dazu durchrang, Huawei zwar nicht pauschal auszuschließen, aber die Zusammenarbeit mit dem Konzern so unpraktisch zu machen, dass Huawei de facto wenig Berücksichtigung bekommen wird.

Schwachstelle Photovoltaik

Anders sieht es hingegen auf einem anderen Betätigungsfeld aus: Wechselrichter sowohl für den gewerblichen als auch den privaten Gebrauch, in deren Herstellung Huawei seit Jahren Weltmarktführer ist. 2018 hielt Huawei einen Marktanteil von 22 Prozent, satte 7 Prozent mehr als Sungrow Power Supply auf dem zweiten Platz und ebenfalls eine chinesische Firma. Anwendung finden Wechselrichter im Solaranlagenbereich, einer weiteren Zukunftstechnologie und für die Energiewende strategisch relevant.

Angesichts dieser Tatsache, dass diese Wechselrichter ein wesentliches Element jeder Solaranlage sind und den Stromfluss im Netz regulieren – und potenziell stören können – ist es nicht überraschend, dass einige westliche Gesetzgeber wegen der potenziellen Sicherheitsauswirkungen der Integration von Huawei-Produkten ins Stromnetz Alarm geschlagen haben. Allen voran gehen die USA, wo eine parteiübergreifende Gruppe Senatoren sich schon 2019 für ein Verbot von Huawei-Wechselrichtern im heimischen Netz ausgesprochen hatten.

Dies gilt es im Auge zu behalten, wenn ein neues System der Energieversorgung gedacht wird. Die von Berlin angestrebte Dezentralisierung wird viele Anbieter, Nutzer und Schnittpunkte aufweisen und man mag verleitet sein zu denken, dass deswegen keine Monopolstellung eines einzelnen Konzerns möglich sei. Doch wer die Schnittstellen mit seiner Technologie kontrolliert, kontrolliert die gesamte Infrastruktur.

Man kan also auch hier Huawei durchaus bewusstes strategisches Denken unterstellen, zumal es im Konflikt zwischen China und Indien schon ein ganz konkretes Beispiel dafür gibt, was chinesische Technologie an wichtigen Infrastrukturschnittstellen eines Landes bedeuten kann. So berichtete die New York Times am 28. Februar, dass China letztes Jahr damit begann, Malware in das indische Stromnetz einzuschleusen – mit dem Resultat, dass in Mumbai die Lichter ausgingen.

Vom Winde verweht?

Entscheidungsträger in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft bewegen sich stets im Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Bei den erneuerbaren Energien scheinen nach jetzigem Stand nur zwei dieser Faktoren gleichzeitig erreichbar zu sein, wobei vor allem technische Aspekte eine entscheidende Rolle spielen. Ob mangelhafte heimische Innovation oder systematische Abhängigkeit von China: es ist höchste Zeit, dass Deutschland und die EU sich am Riemen reißen und eigene Zentren für den Ausbau von Kapazitäten in diesen Überlebenswichtigen Bereichen aufbauen. Ansonsten wird von der Energiewende wenig übrigbleiben.

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