Putins Anwesen - 39x so groß wie Monaco

Navalnyjs Meisterfilm Der aufhaltsame Aufstieg des Vladimir Putin

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

So langsam wird klar, was für einen Coup Alexej Navalnyj mit seiner Rückkehr nach Russland geplant hat. Der Meister der Inszenierungen hat umfangreiche Belege für den Aufstieg Putins gesammelt. Zudem gelang es ihm, Bilder von einem monströsen Anwesen zu erstellen, welches 39x so groß wie Monaco ist.

"Heute werden Sie sehen, was aus der Nähe unmöglich zu sehen ist. Zusammen mit uns gehen Sie dorthin, wo es niemandem erlaubt ist. Wir werden Putin besuchen. Lassen Sie uns mit eigenen Augen davon überzeugen, dass dieser Mann in seinem Verlangen nach Luxus, nach Reichtum völlig verrückt ist. Wir werden herausfinden, mit wessen Geld und wie dieser Luxus finanziert wird. Und wie in den letzten 15 Jahren das größte Bestechungssumme in der Geschichte gesammelt und der teuerste Palast der Welt gebaut wurde."
Einführungstext zum Video, alle im Artikel verwendeten Zitate stammen von Alexej Navalnyj

Der Ausübung seiner Leidenschaft kann er in einem eigenen Eishockeystadion nachgehen, welches unterirdisch errichtet wurde. Im Palast gibt es ein Casino, ein Theater und vieles andere. Das präsentierte Material ist derartig reichhaltig, die Russen werden tagelang damit beschäftigt sein, alles zu lesen und zu sehen:

Palast für Putin - Die Geschichte der größten Bestechungssumme
Von Dresden über St. Petersburg nach Moskau

Video (fast 2 Stunden mit englischen Untertiteln)

Es existierten viele Gerüchte über die Existenz eines Palastes und eines Anwesens. Jahrelang gelang es niemanden, auch nur ein Bild von diesem Anwesen zu machen, der weder vom See aus, noch vom Land aus für Normalsterbliche erreichbar ist. Wer dort war, hatte Kameras, Photoapparate und Handys abzugeben. Navalnyj gibt an, erst im vierten Versuch gelang es, Bilder aufzunehmen.

Wie wird die Wirkung sein? Das Video wurde am 19. Januar hochgeladen und hat in etwas mehr als 24 Stunden sagenhafte 35 Millionen Zuschauer auf youtube angelockt. Die russische Presse schweigt sich bislang aus. Navalnyj ruft zu Demonstrationen auf und es ist vorstellbar, die russische Bevölkerung reagiert ähnlich angewidert wie die Ukrainer, nachdem sie über Janukovychs Mezhyhirya spazieren konnten, der mittlerweile in Volksmuseum für Korruption umbenannt wurde. Dort gibt es so profane Dinge wie ein Golfplatz mit Clubhaus, ein unterirdisches Fitnesscenter, in dem die Luft 7x gereinigt wurde, ein Tennisplatz, ein beheizter Ententeich und die legendäre Galeon, ein Speisesaal in Form eines spätmittelalterlichen Schiffes, die im Jachthafen steht.

Gewächshäuser finden sich sowohl bei Janukovych, als auch bei Putin. Damit wurde eine komplette Selbstversorgung auch mit Südfrüchten gewährleistet. Bei Janukovych sah ich unter anderem Zitronenbäume in den Gewächshäusern. Die Dimensionen auf Putins Anwesen dürften ein Vielfaches monströser sein. Hatte Janukovych nur innerhalb seiner Honka eine reich verzierte Kapelle, steht bei Putin eine komplette Kirche.

Wie entstand all der Reichtum von Putin? Einiges war schon vorher bekannt. Die Suche nach den Oligarchen in Putins Umfeld beginnt in Dresden. Sergey Viktorovich Chemezov ist Leiter von Rostec, einer staatlichen Gesellschaft, zu der mehr als 700 Unternehmen gehören, darunter AvtoVAZ, KAMAZ und der Kalaschnikow-Konzern. Nikolai Petrovich Tokarev ist seit 13 Jahren Leiter von Transneft. Beide saßen in Dresden im gleichen Bürozimmer. Es gibt Photos von gemeinsamen Feiern mit Putin, die im Stadtarchiv der Stasi in Dresden besichtigt werden können.

"Wenn es möglich wäre, die Formel von Putins Korruption genauer zu beschreiben, würde es so aussehen. Putin sollte nichts zugeschrieben werden. Geld sollte an verschiedenen Orten sein, es sollte von verschiedenen, scheinbar nicht verwandten Personen verwaltet werden. Absolute Risikodiversifikation und vor allem nichts für Sie persönlich.

Zweite Regel. Ein alter Freund ist besser als zwei neue. Nachdem wir Putins Plan gründlich studiert haben, wovon er lebt und wer ihn unterstützt, können wir Ihnen mit vollem Vertrauen versichern: Putins persönliches Geld wird von denen aufbewahrt, die er vor 30 Jahren getroffen hat. Auf der Suche nach Sponsoren für den korruptesten Herrscher in der Geschichte Russlands müssen Sie in seine Vergangenheit gehen. Und wenn wir seine Biografie durchgehen, können wir leicht diejenigen finden, bei denen Putin jetzt seine Milliarden aufbewahrt."

Die weiteren Personen in seinem Machtkreis sind in Putins Anfangszeit in St. Petersburg oder wie beim Cellisten Rodulgin (2 Mrd. Dollar in Panama) und Pjotr ​​Kolbin (vielfacher Millionär und laut eigenen Angaben nicht geschäftlich tätig) sogar in seiner Jugendzeit zu finden. Alexej Miller, seit fast 20 Jahren Leiter von Gazprom, Yuri Kovalchuk, einer der Hauptaktionäre der Rossiya Bank, die Anfang der 1990er lediglich ein kleine Bank im Büro des Bürgermeisters Sobchak war. Putin war dessen engster Vertrauter und unter anderem für die Erteilung von Lizenzen zuständig.

Die geballte Veröffentlichung aller Materialien über Putins Vergangenheit und Reichtum ist eine offene Kampfansage. Navalnyj ruft am 23. Januar zu Demonstrationen in ganz Russland auf. Seine Verhaftung direkt nach seiner Rückkehr gehört sicher zu seinem Plan, den die Salonkolumnisten treffend als Nawalnyjs neues Spiel bezeichnen. Der Kreml wird versuchen, ihn als westlichen Agenten zu diffamieren.

Ob diese Rechnung angesichts der Bilder vom Reichtum Putins aufgehen wird, kann man bezweifeln. Es gibt eine interessante historische Parallele. In der Endphase von Breshnevs Amtszeit gab es einen Machtkampf zwischen den ewigen Rivalen KGB und dem Innenministerium, der zum Sturz und zum Selbstmord des langjährigen Innenministers Nikolai Shchelokov führte. In zwei von sechs sehenswerten Spiegel-Dokumentationen mit dem Titel "Die Sowjet Mafia" Fischerei und Mafia Politik wird der Machtkampf thematisiert. Juryj Andropov gewann diesen Machtkampf, der bis heute Auswirkungen hat. Der KGB bzw. der FSB galt seitdem als Kämpfer gegen organisierte Kriminalität und Korruption. Auf dieser Klaviatur spielt auch Putin, indem er einige Widersacher beseitigte und sich zugleich als bescheidener Vorkämpfer gegen die organisierte Kriminalität gab. Eben dieses Image fällt gerade spektakulär zusammen. Putin mag aus diesem Zweikampf mit Navalnyj als Gewinner hervorgehen. Sein Image als der gute Führer des Landes (Stalin wurde Woshd - Führer genannt) wird ganz sicher Schaden nehmen. Und der FSB befindet sich gegenüber anderen Institutionen wie Armee und Innenministerium in der Defensive.

Bedeutet das, Navalnyj hat eine Chance auf das Präsidentenamt? Ganz sicher nein (ich halte es auch nicht für wünschenswert). Dafür hat er nicht den Rückhalt in der Bevölkerung. Aber er hat zunächst mit der Köpenickiade des FSB-Versagens, der nicht einmal einen Mord hinbekommt, dem Image des KGB/FSB schweren Schaden zufügen können. Zu allem Überfluß plaudert noch einer der Täter aufgrund von hierarchischen Ängsten in einem Telefongespräch. Jetzt wird Putin selbst vom russischen Till Eulenspiegel bloßgestellt. Lukashenko und Belarus zeigen aber, dies führt nicht automatisch zu einem Sturz des Präsidenten. Die Gefängnisse werden sich füllen.

Bleibt die Frage zu klären, ob Putin sein schwer erreichbares Teehaus ähnlich häufig besucht wie es der frühere Inhaber des Teehauses am Mooslahnerkopf getan hat.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden