Eine demokratische Union ist möglich

Europa Seit den jüngsten Pleiten und Pannen – Brexit, CETA, Flüchtlingsverteilung – sind sich alle einig, dass sich in der EU etwas ändern muss, jedoch in welche Richtung?

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Während die einen mehr Integration und mehr demokratische Mitsprache der Institutionen der EU anmahnen, betonen andere die Rückkehr zu mehr Handlungsfähigkeit der Einzelstaaten, damit sich die Bevölkerung der Nationalstaaten nicht noch mehr von der EU entfremdet.

Die EU hat zwar Institutionen mit Bezeichnungen, die wie demokratische Gremien klingen, wie wir sie aus den Mitgliedsstaaten kennen, aber faktisch wird die Politik der EU im Europäischen Rat entschieden. Sogar Martin Schulz, der den bombastischen Titel „EU Parlamentspräsident“ trägt, überlegt – noch insgeheim – ob er das Amt eines deutschen Bundeskanzlers anstreben soll, damit er mal in Europa wirklich etwas zu sagen und zu bestimmen hat.

Der Anfang für eine EU mit demokratischer Substanz könnte gemacht werden, wenn zuallererst die EU Bürger in allen demnächst 27 Mitgliedsstaaten abstimmen dürften, ob sie ein stärker integriertes Europa möchten oder eher eine Zollunion, in der die Nationalstaaten alles für sich alleine entscheiden, außer der Handelspolitik und der Bewachung der EU Außengrenze.

Erst wenn die Abstimmung eine Mehrheit für eine integrierte EU mit demokratischen Institutionen ergibt, sollte man weitere Schritte in diese Richtung gehen.

Als dritter Schritt müsste das Wahlsystem zum Europäischen Parlament radikal geändert werden. Derzeit wird jeder EU Parlamentarier nach dem Wahlsystem seines Heimatlandes gewählt. Von einem Parlament, das ich als demokratische Institution ernst nehmen soll, erwarte ich, dass jedes seiner Mitglieder in einem einheitlichen Wahlgang ins EU Parlament kommt.

Hat schon mal jemand in Deutschland etwas von Syed Kamall gehört? Das ist laut Wikipedia ein britischer Politiker südamerikanischer Herkunft und der „Fraktionsvorsitzende“ der „Europäischen Konservativen und Reformer“. Diese "Partei" gibt es in keinem Mitgliedsstaat, folglich konnte sie auch niemand wählen. Trotzdem verfügt sie über 10 Prozent der Sitze im EU Parlament. Die CDU ist übrigens – obwohl „konservativ“, nicht Mitglied in diesem Parteienbündnis, sondern gehört der „Fraktion der Europäischen Volkspartei“ EVP an. Auch die kann man nach meiner Kenntnis unter diesem Namen nirgends wählen. Und wer von uns weiß schon, ob im EU Parlament EVP und die Europäischen Konservativen und Reformer in irgendwelchen Politikfeldern zusammenarbeiten und gemeinsam abstimmen?

Es fehlt also an echten "europäischen" Parteien, die unter einheitlichem Namen und mit einheitlichem Programm in allen Mitgliedsstaaten antreten. Damit dieser dritte Schritt überhaupt ins Auge gefasst werden kann, muss natürlich zuerst der notwendige zweite Schritt getan werden: Die EU braucht eine einheitliche Unionssprache, damit alle EU Bürger überhaupt verstehen können, was ihre Vertreter im EU Parlament miteinander verhandeln und damit sich die Politiker direkt an das "europäische Wahlvolk" wenden können.

Der Zeitpunkt für eine neue EU-Amtssprache ist günstig. Derzeit sind die meisten Dokumente der EU auf Englisch verfügbar. Nach vollzogenem Brexit wird Englisch in keinem der übrig gebliebenen 27 Mitgliedsstaaten Muttersprache sein. Nur auf Malta ist Englisch wenigstens Amtssprache neben Malti, der eigentlichen maltesischen Muttersprache. Mit Esperanto wurde mal der Versuch unternommen, in Europa eine einheitliche Kunstsprache zu etablieren. Das hat kaum jemanden wirklich interessiert. Andererseits wäre der Aufschrei des Entsetzens groß, sollte eine der in den großen Mitgliedsländern der EU gesprochenen Sprachen, wie z.B. Deutsch, Französisch oder Spanisch zur Amtssprache erklärt werden.

Ich plädiere für Griechisch als zukünftige Amtssprache der EU. Das hat gleich mehrere Vorteile:

- Mit Ausnahme der Griechen und Zyprioten müssen sich alle EU-Bürger anstrengen, die neue Sprache zu lernen. Niemand ist also benachteiligt oder bevorzugt, außer die wenigen Griechen und Zyprioten natürlich.

- Griechisch war schon mal die Sprache der Gebildeten im gesamten mediterranen Raum, wobei mir klar ist, dass Altgriechisch mit Neugriechisch kaum etwas gemein hat.

- Die Debatten im griechischen Parlament in den letzten Jahren haben gezeigt, dass Griechisch eine ausgesprochen lebendige und wortgewaltige Sprache im parlamentarischen Schlagabtausch ist.

- Am wichtigsten ist mir aber der vierte Punkt: Trotz der vielen Hilfsprogramme hat Griechenland schon wieder 350 Mrd Euro Schulden angehäuft und kommt aus der Armutsfalle nicht heraus. Wirtschaftliche Wachstumsfelder, mit denen sich Griechenland selbst aus der Misere ziehen könnte, sind nicht in Sicht. Griechisch als neue EU Amtssprache würde sofort einer Million Griechen für ca. zehn Jahre ein ordentliches Einkommen als Griechisch-Lehrer ermöglichen. Davon können alle griechischen Schulden zurückgezahlt werden. Das ist es doch wert!

Zu anstrengend? Vielleicht. Aber ohne gemeinsame EU Amtssprache dürfen wir uns nicht wundern, falls unsere Enkel demnächst Chinesisch pauken müssen um auf dem Weltmarkt überhaupt wahrgenommen zu werden. Und das ist dann wirklich anstrengend!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Querlenker

Zu den Problemen unserer Zeit stelle ich funktionierende Lösungen vor, die aber aus Gründen der Konvention, der Moral oder Faulheit niemand anpackt.

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