Sieg für Schwarz-Rot-Grün

Bundestagswahl 2013 Der Souverän hat entschieden: Schwarz-Rot-Grün steht für Solidität und Sicherheit - ohne Diskurs. Die Fünf-Prozent-Hürde sorgt überraschend für scheinbare Stabilität

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Sieg für Schwarz-Rot-Grün

Foto: Nigel Treblin/Getty Images

9,5 Prozent. Das ist vielleicht die bedeutendste Zahl dieser Bundestagswahl. Es ist die Summe von FDP und AfD die auf 4,8 und 4,7 Prozent der Stimmen kommen. Beide sind an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Der Souverän hat sich für Angela Merkel (CDU) und die große Schwarz-Rot-Grüne Mehrheit entschieden. Die CDU allein kommt auf 41,5 Prozent der Stimmen.

Angela Merkels Wahlstrategie ist fast voll aufgegangen. In der Mitte der vergangenen Legislatur legte die CDU ein Papier vor, aus dem unverblümt hervorgeht, im Lager von Rot-Grün Stimmen abzugreifen. Zeitweise hat die Union in den Hochrechnungen vor der absoluten Mehrheit gestanden.

Schwarz-Gelb indes ist damit Geschichte ein bloßes Intermezzo. Nun bleibt der Kanzlerin nichts anderes übrig, als sich eben eine Partei aus der linken Mitte für ihre dritte Amtszeit zu suchen. Ob sie SPD und Grüne nun noch vor sich hertreiben kann, werden die kommenden Wochen zeigen.

Das Wahlergebnis zeigt aber auch, dass Merkel zumindest die CDU stramm in die linke Mitte geführt hat. Die CSU hechelt immer etwas hinterher. Selbst von Schwarz-Gelb ist in der vergangenen Legislatur weit weniger gegen den Sozialstaat vorgegangen als Rot-Grün oder die Große Koalition von 2005 bis 2009.

Es ist nicht nur ein Sieg von Angela Merkel. Es ist faktisch ein überdeutlicher Sieg von Schwarz-Rot-Grün - Angela Merkel hat ihren finalen Machtpoker gewonnen.

Diese Mehrheit aus CDU/CSU, SPD und Grünen regiert faktisch seit der Griechenlandrettung Mitte 2011. Angela Merkel hat überdies die CDU seit über einem Jahrzehnt derart modernisiert, dass allein in ihrer Partei schon schwarze, rote und grüne Strömungen zu identifizieren sind.

Was bedeutet dieses Wahlergebnis? Was will der Souverän den Regierenden mitteilen? Zum einen ist es historisch, dass die FDP mit 4,8 Prozent den Einzug in den Bundestag verpasst hat, zum anderen ist es ein Menetekel, dass eine in der Tendenz rechtspopulistische Anti-Euro-Partei aus dem Stand an der Fünf-Prozent-Hürde gekratzt hat.

Politisch ist es gut vertretbar, dass die FDP nicht in den Bundestag eingezogen ist. Sie hängt bisweilen einer falschen Freiheitsromantik an und hat sich in der vergangenen Legislatur zu einer Lobbypartei reduziert. Fast könnte man meinen, der Umstand, dass die FDP 1982 den linken Flügel abgehackt hat, wird heute, im Jahr 2013, bestraft.

Die AfD sollte man indes nicht unterschätzen. Sie ist quasi eine rechte Abspaltung der Liberalen, hervorgegangen aus der Eurorettungspolitik der vergangenen Jahre. Sie hat mit einem klar rechtspopulistischen Wahlkampf fast fünf Prozent erreicht. Bernd Lucke zeigt bereits Kampfeswille für die Europa-Wahl 2014 . Mit dieser Protestpartei aus dem Nichts muss bisweilen weiter gerechnet werden. Sie wird auf der rechten Welle weiter verankert bleiben. Das beweist dieses Sensationsergebnis aus dem Stand.

Weimar 2.0 ist vorerst ausgeblieben. Statt Weimarer Verhältnissen, wie befürchtet, sieht nun alles danach aus, als würde sich der 18. Deutschen Bundestags harmonisch zusammensetzen. Als einzig richtige Oppositionspartei wird die Linke mit 8,6 Prozent ins Parlament einziehen.

Vielleicht wird es in den nächsten Wochen schwarz-grüne Sondierungsgespräche geben, allerdings wird das grüne Spitzenpersonal es wahrscheinlich nicht schaffen, die grüne Basis von einer schwarz-grünen Spontanhochzeit zu überzeugen.

Neuauflage der Großen Koaltion

Nach einigem Geplänkel werden sich Union und SPD in eine neuerliche Große Koalition begeben. Dabei hat die SPD in diesem Wahlkampf einen großen strategischen Fehler begangen: Sie hat Rot-Rot-Grün von vornherein kategorisch ausgeschlossen. Aus dieser Nummer kommen die Sozialdemokraten jetzt nicht so einfach heraus.

Es ist schon grotesk aus einer Umfragemehrheit aus dem Jahr 2011 gehofft zu haben, tatsächlich eine rot-grüne Mehrheit zu erreichen. Nach 2009 hätten vor allem Sigmar Gabriel und Andrea Nahles die SPD zur Linken öffnen müssen. Dieser strategische Fehler verhilft letztlich Angela Merkel in eine dritte Amtszeit und die SPD zu mageren 25,7 Prozent. Das ist ihr zweitschlechtestes Ergebnis seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Dennoch, ein Faktum bleibt: Das sogenannte bürgerliche Lager konnte eine rot-rot-grüne Mehrheit nicht verhindern. Rechts der Mitte wurden 9,5 Prozent durch die Fünf-Prozent-Hürde aufgefressen. Dieses Lager rechts der Mitte ist derzeit noch zerfasert und unsortiert. Daraus hätte die politische Linke in Deutschland eigentlich Kapital schlagen müssen.

Das linke Lager steht vor einem Trümmerhaufen. Es hat zwar eine Art geliehene linke Mandatsmehrheit, aber nutzen kann sie sie nicht. Sie ist mehr per Zufall zustande gekommen.

Nun steuert alles auf Schwarz-Rot zu. Sigmar Gabriel und die Strategen im Willy-Brandt-Haus sind sehr gut beraten, sich unverzüglich mit der Partei die Linke auseinanderzusetzen. Wenn die SPD ihre Regierungszeit von 2005 bis 2009 nun wiederholt, dann wird es auf lange Zeit keine Mehrheit links der Mitte geben.

Und dass sich das Lager rechts der Mitte noch einmal so zerfasern lässt, wie am 22. September 2013, an dem sie 9,5 Prozent der 5-Prozent-Hürde geopfert hat, ist nahezu ausgeschlossen.

Denn in der Zeit nach Angela Merkel, die wahrscheinlich ihre letzte Amtszeit antritt, ist ungewiss, wie lange die CDU in der linken Mitte bleibt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Daniel Martienssen

Enttarnung durch Analyse: ein privates Blog zu Demokratie und Rechtsstaat, Soziales und ein bisschen Kultur.

Daniel Martienssen

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