Ökobäuerin fordert Systemwechsel in Agrarpolitik: „Diesel-Kürzung nicht sinnvoll“
Interview Claudia Schievelbein von der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft erklärt, wie Agrarsubventionen umverteilt werden müssten. Und warum der deutsche Bauernverband dabei nicht helfen wird.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft fordert einen Systemwechsel in der Agrarförderung
Foto: Imago/Photothek
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) vertritt vor allem kleine und mittelständische Landwirtschaftsbetriebe. Neben der sozialen Frage setzt sich die AbL für mehr Tierwohl und Klimaschutz ein. Beispielsweise bei der „Wir haben es satt“-Demo, die jedes Jahr stattfindet und Landwirte, so wie Tierschutz- und Klimaschutzverbände zusammenbringt.
Claudia Schievelbein sitzt im Bundesvorstand der AbL. Im Interview erzählt Schievelbein, warum ihr Hof die geplante Streichung der Agrardiesel-Subvention besonders hart trifft und wie ihr Verband eine ökologische Transformation der Landwirtschaft stemmen möchte. Auf den deutschen Bauernverband setzt sie dabei nicht.
der Freitag: Frau Schievelbein, wie stark sind Sie auf Ihrem Hof von der St
wie stark sind Sie auf Ihrem Hof von der Streichung der Agrardiesel-Subvention betroffen? Bei uns macht es einen großen Anteil aus, was wir an Dieselrückvergütung kriegen. Wir liegen da über dem Durchschnitt. Das hat auch damit zu tun, dass wir ein Öko-Ackerbaubetrieb sind. Wir bekämpfen das Unkraut auf unseren Feldern maschinell, fahren also viel über den Acker, um zu striegeln, zu hacken. Dadurch ist bei uns der Dieselverbrauch hoch und dadurch macht die Rückvergütung eine Menge aus. Für den Gesamtbetrieb sind wir bei über 10.000 Euro im Jahr. Das ist ungewöhnlich viel. Mit der Streichung von Agrardiesel trifft man also Öko-Ackerbaubetriebe unter Umständen stärker als andere.„Wer am meisten Hektar besitzt, kriegt das meiste Geld. Das ist falsch.“Trifft die Streichung also die Falschen? Vor allem ist die Streichung nicht zielführend, weil sie überhaupt keine Lenkungswirkung entfaltet. Natürlich wird bei Agrardiesel von einer klimaschädlichen Subvention gesprochen, weil Diesel klimaschädlich ist. Es gibt aber keine Antriebs-Alternativen für die Landwirtschaft. Zumindest noch nicht. Die Politik macht das Angebot, die Subvention langsamer schmelzen zu lassen. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Rückvergütung zu deckeln bei 10.000 oder 15.000 Litern. So können kleine Betriebe profitieren und größere werden stärker zur Kasse gebeten. Damit hätte es eine soziale Komponente. So hätte man zumindest einen Effekt, der sich positiv auf die Agrarstruktur auswirkt. Man muss aber auch sagen: Es geht bei den Demos um mehr als die Dieselrückvergütung. Worum geht es denn? Es gibt eine grundsätzliche Unzufriedenheit unter den Bauern und Bäuerinnen, die tief reicht. Zum Beispiel gegenüber der EU-Agrarpolitik, die Fördergelder nach Flächengröße verteilt. Hinzu kommt ein immer stärkerer bürokratischer Aufwand, sodass ein Gefühl von Gängelung entsteht. Das steht einer gesellschaftlichen Kritik an der Art und Weise, wie Landwirtschaft betrieben wird, gegenüber. Also an der Art der Tierhaltung, am Pflanzenschutz und an der Grundwasser-Thematik. Die Kritik ist aus meiner Sicht in Teilen berechtigt. Es gibt von der Politik aber zu wenig Unterstützung, um eine ökologische Transformation zu flankieren. Was fordern Sie von der Politik, um das zu ändern?Unser Verband fordert einen Systemwechsel in der Agrarförderung. Subventionen für die Landwirtschaft sind der größte Haushaltsposten in der EU. Die werden im Moment nach Fläche verteilt. Wer am meisten Hektar besitzt, kriegt also das meiste Geld. Das ist falsch aus unserer Sicht. Es muss ein neues System etabliert werden, das die Gelder nach Umweltleistungen und sozialen Aspekten verteilt. Dafür gibt es mittlerweile auch verschiedene Konzepte. Die AbL hat zum Beispiel ein Punktesystem entwickelt, in dem bestimmte Leistungen, die von den Betrieben erbracht werden, mit Punkten versehen werden. Und daraus errechnet sich dann die Prämienhöhe. Das wäre auch sinnvoll, um vor der Gesellschaft zu begründen, warum so viel Geld in den Landwirtschaftssektor geht. Wenn ich gesellschaftliche Leistungen entlohne über die Subventionen, dann habe ich natürlich viel mehr Rückhalt, als wenn ich einfach für die Flächen zahle. Es gibt aber große Beharrungskräfte, die nicht vom aktuellen System weg wollen. „Wir als AbL sagen: eine ökologische Transformation muss stattfinden, die Betriebe dürfen aber nicht alleine gelassen werden.“Setzt sich der deutsche Bauernverband genug für eine ökologische Transformation ein? Der Bauernverband ist schon immer ein Verband gewesen, der nicht zu viel ändern möchte an der aktuellen Situation. Er ist schon immer eng verbandelt gewesen mit dem nachgelagerten Sektor der Agrarindustrie. Es gibt also ein großes Interesse daran, dass agrarische Rohprodukte günstig sind und deswegen wird der Verband auch kaum ein Akteur sein, der sich für eine ökologische Transformation oder für höhere Preise für Agrarprodukte einsetzt. Fühlen Sie sich vom deutschen Bauernverband repräsentiert? Nein. Aber genau deswegen gibt es ja auch die AbL – als alternative Interessenvertretung.Gibt es zu wenig Bewusstsein in der Gesellschaft dafür, dass Landwirte Unterstützung brauchen, um eine ökologische Transformation zu absolvieren? Ich glaube schon, dass viele in der Gesellschaft verkennen, wie schwierig diese Transformation wirtschaftlich ist. Daraus speist sich meiner Meinung nach viel Unmut bei den Bauern und Bäuerinnen. Aus dem Gefühl des Nicht-Gesehen-Werdens. Es gibt aber auch Bauern und Bäuerinnen, die sagen, wir machen schon alles richtig. Wir als AbL sagen: eine Transformation muss stattfinden, die Betriebe dürfen aber nicht alleine gelassen werden. Sie müssen zum Beispiel durch einen festen Rahmen wissen, wo es langgeht. Gerade Betriebe in der Tierhaltung kämpfen gerade mit dem Gefühl, es entscheidet sich jedes Jahr neu, wie groß beispielsweise eine Abferkelbucht sein muss. Das ist das eine. Es braucht aber auch eine verlässliche und langfristige finanzielle Unterstützung, es braucht letztendlich auch Geld. „Ich glaube, Rekordgewinne hat im letzten Jahr kaum jemand eingefahren.“Schriftlich fordert die AbL von der Bundesregierung, dass die Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft umgesetzt werden sollen. Beide Gremien fordern zweistellige Milliardenbeträge von der Bundesregierung, um die ökologische Transformation in der Landwirtschaft zu stemmen. Stand jetzt sind aber nur eine Milliarde für die Transformation im Haushalt eingeplant. Woher sollen wir das Geld denn nehmen? Im ganz konkreten Beispiel der Finanzierung der Tierhaltung gibt es ja den Vorschlag der Borchert-Kommission, eine Tierwohl-Abgabe einzuführen. Also einen Aufschlag auf den Liter Milch und das Kilo Fleisch, der relativ gering ist, aber in der Summe eine Menge Geld ausmachen würde. So muss der Staat nicht mehr Geld bereitstellen. Verbraucher werden nur durch eine geringe Preiserhöhung belastet. Generell muss es wieder eine höhere Bereitschaft geben, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Das ist natürlich nicht einfach. Wir haben Zeiten, in denen bei den meisten das Portemonnaie enger sitzt. Ein höherpreisiger Öko-Markt muss sich daher langsam entwickeln. Außerdem geht es bei staatlichen Subventionen auch immer darum, wie viel einem die Sache wert ist. Warum kriegen wir denn keine Kerosinsteuer, während in der Landwirtschaft die Transformationsprozesse nicht angestoßen werden? Es ist auch eine Frage der Verteilung. Wenn man sagt, es ist kein Geld da, muss man vielleicht auch die Prioritäten anders setzen.Wie ist aktuell die Lage auf Ihrem Hof? Das Problem ist, dass durch den Klimawandel das Wasser oft im richtigen Moment fehlt. Im Frühjahr hat durchaus Wasser gefehlt, hinterher hat es dann aber zu viel geregnet. Ein Spezialbetrieb wie unserer ist auch darauf vorbereitet, dass es mal schwieriger werden kann. Wir sind so aufgestellt, dass wir unsere Kartoffeln auch schnell ernten können. Bei anderen Betrieben, wo Kartoffeln nicht so eine große Rolle spielen, kann das anders laufen. Ich kenne viele Betriebe, die mit den Maschinen nicht auf den Acker gekommen sind, weil es so nass war und ihre Kartoffeln gar nicht rausgekriegt haben. In verschiedenen Zeitungen, von taz bis Handelsblatt, hört man, dass Landwirte im Jahr 22/23 Rekordgewinne erwirtschaftet haben. Von 115.000 Euro durchschnittlich ist die Rede. Wie gut geht es Ihnen wirklich nach diesem vermeintlichen Rekordjahr? Ich glaube, Rekordgewinne hat im letzten Jahr kaum jemand eingefahren. Es gab gerade im letzten Jahr Gewinne bei Betrieben, die sehr durchrationalisiert sind und größere Ackerflächen haben. Die konnten durch die gestiegenen Preise durch den Ukrainekrieg Profit machen mit ihren großen Mengen an Getreide. Man muss dazu sagen, dass es vor allem Betriebe sind, die sehr auf die Weltmarkt-Konditionen angepasst sind und nicht gerade ökologisch wirtschaften. Alle anderen – und da würde ich unseren Hof zu zählen – hatten durch das viele Wasser eher Probleme und haben dadurch durchschnittlichen oder sogar unterdurchschnittlichen Gewinn gemacht. Es gibt nicht DIE Bauern, es gibt nicht DIE Betriebe. Und diese ganz hohen Gewinnmargen, die da jetzt herumgereicht werden, das betrifft eben eine sehr spezialisierte Minderheit, die nicht besonders ökologisch wirtschaftet. Sind Sie selbst demonstrieren gegangen letzte Woche? Nein. Der Grund der Demonstration wäre für uns anschlussfähig gewesen. Aber mein Mann und ich wollten nirgendwo hinfahren, wo wir im schlimmsten Fall hinter einem Trecker landen, der eine Ampel am Galgen trägt. Das Risiko wollten wir nicht eingehen. Ich bin aber froh zu hören, dass solche Vorfälle die große Ausnahme waren. Man kann da bestimmt nicht von einer rechten Unterwanderung sprechen. Von allen Verbänden gab es im Vorfeld ja sehr bewusste Abgrenzungen. Ich habe auch von Beispielen gehört, wo eben Demonstrationsteilnehmer bei sich verhindert haben, dass die AfD irgendwelche Flyer verteilt. Wir fahren stattdessen zur alljährlichen Demo „Wir haben es satt“ am 20. Januar, wo wir uns gegen das Höfesterben aussprechen.
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