Verteidigungsminister Boris Pistorius: Law and Order für die frustrierte Truppe

Meinung Boris Pistorius ist als innenpolitischer Hardliner bekannt. Nun soll er als neuer Verteidigungsminister die Bundeswehr umbauen. Ist er dem Amt gewachsen?
Ausgabe 03/2023
Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius gilt als Hardliner
Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius gilt als Hardliner

Foto: Moritz Frankenberg/picture alliance/dpa

Nun wechselt die Leitung des Verteidigungsministeriums vom linken Flügel (Christine Lambrecht) zum rechten Flügel der SPD (Boris Pistorius), und das Bundeskabinett nimmt Abschied von der stolz verkündeten Geschlechterparität: So geht Zeitenwende! Das geschmeidige Kanzlerwort, das fast überall kritiklos übernommen wird, benennt ja in Wirklichkeit einen Rechtsruck, einen Backlash, dessen Ausmaß sich erst in zarten Umrissen abzuzeichnen beginnt.

Natürlich war Christine Lambrecht, die dem linken SPD-Bezirk Hessen-Süd entstammt, keine Ikone des Pazifismus, so wie Boris Pistorius trotz seiner Verwurzelung im konservativen SPD-Landesbezirk Niedersachsen nicht als Galionsfigur einer Gustav-Noske-Rechten taugt. Aber ein Law-and-Order-Mann, wie sein bisheriger CDU-Kollege Herbert Reul in NRW, ist er schon. Ein Polizeiminister. Und mit diesem Image wird er bei der frustrierten Truppe mehr Anerkennung finden als die Riege seiner drei Vorgängerinnen.

Aufgrund 30-jähriger Erfahrung in der Innenpolitik kennt er sich mit Sicherheitsfragen bestens aus: Pistorius’ Schwerpunkte waren die Terrorismusbekämpfung, die Cybersicherheit, der Zivil- und Katastrophenschutz sowie der Aufbau einer europäischen Polizei nach FBI-Vorbild und die Formierung einer schlagkräftigen EU-Grenzschutzpolizei. Themen, die eine beachtliche Schnittmenge zu heutigen Aufgaben der Bundeswehr zeigen. Denn die Militarisierung der Polizei (Stichwort: Spezialeinsatzkommandos) hat enorme Fortschritte gemacht: Ausrüstung und Einsatzverhalten werden soldatischer (siehe Lützerath). Auch umgekehrt schwindet die Trennschärfe, da sich das Militär bei Sportereignissen, G8-Gipfeln und Großdemos zunehmend in Aufgaben der inneren Sicherheit einmischt. Der künftige Schutz der „kritischen Infrastruktur“ und die häufigeren gemeinsamen Auslandseinsätze von Polizei und Militär werden die Verzahnung der Sicherheitsorgane weiter intensivieren.

Landespolizeiminister ist nicht gleich Verteidigungsminister

Kurz: Aus staatlicher Sicht ist ein Polizeiminister die zeitgemäße Wahl für die Leitung des Verteidigungsministeriums. Und Pistorius’ ursprüngliche Ausbildung als Großhandelskaufmann könnte ihm bei der kostengünstigeren Beschaffung von Waffen und Material sogar nützen. Mit dem Waffenkauf beginnen aber auch schon die Unwägbarkeiten des Amtes. Ein Verteidigungsminister innerhalb eines Militärbündnisses sieht sich ganz anderen Abhängigkeiten ausgesetzt als ein Landespolizeiminister, dem kaum jemand reinredet. An einem Verteidigungsminister zerren nicht nur NATO-Strategen, Rüstungskonzerne, Geheimdienste und Generäle, sondern, seit Beginn des Ukraine-Krieges, auch ausländische Regierungen samt ihren Botschaftern, von verdeckt operierenden Einflussagenten und Propagandaschwadronen ganz zu schweigen. Als „Minenfeld“ und „Schleudersitz“ ist das Amt deshalb richtig beschrieben worden.

Bereits am Freitag wird Pistorius einen Vorgeschmack auf das Gezerre erhalten, denn in der leidigen Kampfpanzerfrage und der weiteren Unterstützung für die Ukraine müssen sich die rund 40 Regierungen der in Ramstein tagenden Anti-Putin-Koalition einigen. Zumindest vorläufig, da man sich noch immer nicht auf ein gemeinsames Kriegsziel verständigen kann. Ob Pistorius nach einem Jahr verschlissen aufgeben muss wie seine Vorgängerin Lambrecht, wird sich zeigen. Sicher ist nur, dass er seine „natürliche Autorität“ nicht durch amateurhafte Instagram-Filmchen kaputtmachen wird.

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