S21: Im Drogenrausch zum Ermächtigungsgesetz (1)

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Nein, ich werde mich jetzt nicht darüber echauffieren, dass Bahnchef Grube dem Chef der neuen ÖkoAbrissbirnen- AG Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann die Freundschaft angeboten hat. Menschlich betrachtet mag das als schierer Schwachsinn erscheinen. Aber in der Macho-Welt des Western folgt das ja zwingend auf die Prügelei. Der Weg des Mannes zum Männerherzen führt nun mal – sieht man von der schwulen Variante ab – über das blaue Auge. Und außerdem gibt es politisch dazu keine Alternative. Entsprechend fiel denn auch Kretschmanns Antwort auf die Grubesche Anmache aus. Mein Tipp an Grube wäre ohnehin: halten Sie sich an den Winne Hermann. Der ist erstens flexibler, zweitens Pädagoge, und drittens klappt es dann vielleicht auch endlich mal mit dem Marathon.

www.netzticker.com/allgemein/bahnchef-grube-bietet-kretschmann-nach-streit-um-stuttgart-21-freundschaft-an/112949

www.kurs-magazin.de/content/Handelsblatt-News/_p=578,_t=fthb,hid=5913262

Damit zum Thema. Die sogenannte „Volksabstimmung“ am 27.11.2011 in Baden-Württemberg wäre ein völlig belangloser Vorgang, hätte sie zum Gegenstand nicht einen vermutlichen Verfassungsbruch gehabt und wäre sie nicht durch Uminterpretationen, Vernebelungen, Lügen Überfrachtungen, Missbrauch für parteipolitische Zwecke, offenen Klassenkampf und anderes bis zu ein Maß aufgeladen worden, dem man sich als Teilnehmer am Stuttgarter Widerstand schon lange nicht mehr entziehen konnte und nun selbst dann Trauerarbeit leisten muss, wenn einen die materielle Sache, um die es im Kern geht, persönlich wenig berührt - wie das bei mir selbst der Fall ist.

Dies ist nicht zuletzt deshalb so, weil als Höhepunkt des ganzen Prozesses und ultimative Waffe der herrschenden Kaste und ihrer medialen Kampfhunde eine niederträchtige Uminterpretation der Veranstaltung stattfindet, in der nicht zuletzt dem Widerstand selbst per Gehirnwäsche eingetrichtert werden soll, es sei über Stuttgart 21 abgestimmt worden (Lüge), die Mehrheit hätte dieses Projekt gegen den Widerstand durchgesetzt (Lüge), das Projekt sei nunmehr endgültig demokratisch legitimiert (Lüge) und der Widerstand habe eine Niederlage erlitten (Halbwahrheit).

Der absolute Gipfel der Verdrehung aber ist die Behauptung, die Demokratie habe gewonnen. Das genaue Gegenteil ist passiert. Die herrschende Kaste darf befriedigt zur Kenntnis nehmen, dass weiterhin Macht und Geld bestimmen, wo es lang geht, weil sich allemal genügend tumbes Stimmvieh findet, das man nach Belieben zu erwünschten Mehrheiten zusammen treiben kann.

Diese Volksabstimmung war denn auch – im Nachhinein betrachtet - eine Falle, der man allerdings wohl nicht ausweichen konnte. Was zunächst als stümperhafter Versuch der SPD-Führung begann, sich der Außenseiterrolle zu entledigen und sich als „Friedenstifter“ ins Spiel zu bringen, hat ihr zwar schon bei der Wahl keine Stimmen gebracht, und bei der Volksabstimmung offenbar auch nicht. Insofern war der Jubel des Herrn Schmid diesmal genauso dämlich wie damals. Und gäbe es bei der SPD-Führung auch nur einen Hauch von politischer Restkompetenz, dann müssten sich die Herren jetzt in den Arsch beißen, weil sie zu feige waren, das Volk unverbindlich zur eigentlichen Sache zu befragen, nämlich zu dem nicht mehr landesweit abstimmungsfähigen Projekt S21, wie es wohlmeinende klügere Genossen und andere hinlänglich oft vorgeschlagen hatten.Wäre es der CDU auch dabei gelungen, ihre Anhänger zum Rachefeldzug gegen Gün-Rot zu mobilisieren, wir hätten in der Tat eine krachende Niederlage erlitten und das Projekt wäre mehrheitlich abgesegnet. Danke SPD, dass du so dumm warst, uns das zu ersparen!

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.volksabstimmung-die-cdu-hat-besonders-stark-mobilisiert.bfdbbbce-75b8-470b-91be-fa8a1f64c2fa.html

Schlimm für den Stuttgarter Widerstand war aber, dass diese Abstimmung über die Finanzierungsbeteiligung des Landes dennoch – gewollt oder ungewollt – zunehmend eine Eigendynamik entwickelte, in der der Kern der Sache, die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Mitfinanzierung , völlig unter den Tisch fiel. Selbst Fakten, die S21 betrafen scheinen die Mehrheit der Bevölkerung nicht im geringsten interessiert zu haben. Sie wollte offenbar weder Mitbestimmung noch eine Auseinandersetzung um die beste Lösung, sondern vor allem einfach nur ihre Ruhe. Manche scheinen dafür bei der Landtagswahl in den grünen Apfel gebissen zu haben und sahen danach nicht nur die politische Landschaft keineswegs beruhigt, sondern in der medialen Lügen-Berichterstattung über die Baustellenbesetzung am 20. Juni 2011 sogar ihre schlimmsten Wahnvorstellungen über die bevorstehende Machtübernahme durch Chaoten, Gewalttäter und Drogenabhängige bestätigt, die nur eines im Sinn hatten, das angebliche Erfolgsmodell Baden-Württemberg zu zerstören. Koin Trollinger meh leischta kenne, koine Hocketse, nemme zom Breuninger ganga kenna, koine Mercedes meh....Oh je, oh je....

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.polizisten-verletzt-bahn:-das-ist-nur-noch-kriminell.50117fb9-fbcb-4c11-a763-675acbb30c3a.html

neues.stuttgarter-tagblatt.net/2011/06/23/skepsis-ist-geboten/

Die herrschende Kaste, die von den Trögen der Macht vertrieben worden war, wollte dagegen wieder festgeschrieben haben, dass sie weiter an der Macht ist und Herr Kretschmann lediglich vorübergehend als Krankheitsvertretung für Herrn Mappus fungiert, der wegen Durchgeknalltheit aus dem Verkehr gezogen werden musste. Da fand dann zusammen, was zwar nicht unbedingt zusammengehört, aber eben einen gemeinsamen Gegner hatte. Dann machte man das Wahlvolk mit Lügen und Propaganda besoffen und erreichte so am Ende die Zustimmung zu einem ungeschriebenen Ermächtigungsgesetz, das nicht mehr und nicht weniger beinhaltet als die freie Hand für das Kapital und seine Lakaien. Genau das nämlich ergibt sich, wenn man alles zusammen nimmt, was konnotativ in diese Volksabstimmung hineingepackt wurde.

www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2011/11/die-wirtschaft-als-retter/

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/hans-peter21-versuch-einer-satire

Fakt ist aber: wir stehen in der Sache immer noch unverändert da, wo wir seit dem Abriss des Nordflügels stehen. Und Fakt ist auch, dass wir – mit freundlicher Unterstützung von Herrn Mappus – die politische Landschaft in Baden-Württemberg vielleicht nicht nachhaltig, aber immerhin vorübergehend verändert haben. Und dass das kein kleiner Sieg war, zeigt das Gejohle des schwarz-braunen Mobs nach der Stimmauszählung bei der Volksabstimmung, der sich an der Wahnvorstellung besoffen gröhlte, nun habe man ein Rückspiel nach der historischen Wahlniederlage gewonnen.

Es war aber kein Rückspiel und auch keine Entscheidung über irgendeinen Weiterbau, sondern - wie schon gesagt - eine ganz banale Abstimmung darüber, ob das Land sich an der Finanzierung des Projektes beteiligen soll. Sagt der Verstand. Das Gefühl dagegen lässt sich vermutlich bei nicht wenigen nur allzu gerne dazu überreden, man habe jetzt alles verloren. Das mag schon sein. Aber das passierte – wie ebenfalls schon gesagt – beim Beginn der Zerstörung des Bonatzbaus und des Schlossgartens. Ich habe damals getitelt „Stuttgart stirbt“. Und das ist ja wohl ein hinreichend klarer Beleg dafür, dass zumindest ich selbst bereits damals die Sache verloren sah – und dennoch genau an diesem Punkt selbst zu kämpfen begann.

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/s21-stuttgart-stirbt

Und dieser Kampf kann weitergehen. Muss auch jenseits der Bahnhofsfrage weitergehen. Zuvor muss aber alles aufgearbeitet werden, was zwischenzeitlich und bis zur Volksabstimmung gelaufen ist. Das wird eine Menge Kraft und Zeit erfordern. Man wird der Versuchung widerstehen müssen, sich die Sache schön zu reden. Und es sieht im Moment so aus, dass der Patient tot sein wird, wenn das neue Behandlungskonzept steht.

Dennoch sind Dinge passiert, die noch nicht oder noch nicht hinreichend angeschaut worden sind. Und da das Ergebnis im Moment nicht dem entspricht, was der Widerstand erwartet, erhofft, sich gewünscht oder erträumt hat, muss auch die Frage nach dem, was ablief, falsch lief und womöglich hätte anders gemacht werden können beantwortet werden.

Erste Gedanken dazu habe ich mir hier bereits gemacht. Am 4.12.2011 wird von 9:00 – 16:00 Uhr im Stuttgarter Rathaus ein „Großer Ratschlag“ des Widerstandes stattfinden und bei fluegel.tv live übertragen werden. Und ich selbst möchte – sofern meine Zeit es erlaubt - in einem weiteren Teil dieses Beitrages einige Punkte noch genauer beleuchten.

www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=1143

www.fluegel.tv/

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/stuttgart-21-was-nun-ein-paar-querbeet-gedanken

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/s21-gruen-rot-hat-informationen-zur-va-unterdrueckt

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/volksabstimmung-bw-idioten-in-der-mehrheit

Die weiteren Teile dieses Beitrags finden sich hier:

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/s21-im-drogenrausch-zum-ermaechtigungsgesetz-2

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/s21-im-drogenrausch-zum-ermaechtigungsgesetz-3

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/s21-im-drogenrausch-zum-ermaechtigungsgesetz-4

www.freitag.de/community/blogs/seriousguy47/s21-im-drogenrausch-zum-ermaechtigungsgesetz-schluss

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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