Johnson, Bolsonaro, Trump. Die Reihe der infizierten Präsidenten und Premiers, die das Coronavirus zunächst verharmlost hatten, wird fortgeführt. Nicht wenige haben sich heimlich ins Fäustchen gelacht, als der Briten-Clown und der Tropen-Trump erkrankten. Schadenfreude darüber, dass es ausgerechnet die erwischt hat, die das Virus nicht ernst genommen haben, gepaart mit der Hoffnung, dass diese Männer der Situation nun endlich angemessen begegnen. Oder, dass man diese Typen hoffentlich bald los ist. Weil ihre Popularität abnimmt, weil sie nicht wiedergewählt werden.
Die Ergebnisse ernüchtern. Johnsons Zustimmungsrate wuchs nach seiner Genesung um die Hälfte, Bolsonaros um ein Drittel. Das wirkt zunächst unerklärlich. Schließlich lebt, gerade in Europa, die Metapher des Staatskörpers fort. Der zufolge funktioniert der Staat wie ein Körper, wobei der Kopf für den Regierenden steht, der lenkt, und der Rest für die ausführenden Subjekte, die gelenkt werden. Ein körperlich geschwächtes Staatsoberhaupt müsste diesen Leviathan, wie der englische Staatsphilosoph Thomas Hobbes ihn im 17. Jahrhundert imaginierte, schwindeln und taumeln lassen. Doch scheinbar ist das Gegenteil der Fall. Großbritannien hat die höchste Corona-Todesopferzahl in Europa, Brasilien die Südamerikas. Dennoch hat die Schwächung ihrer Führung nicht zu einer Abwertung in der öffentlichen Meinung geführt. Bei Trump, dessen verharmlosende Politik die weltweit höchsten Fall- wie Todeszahlen zu verantworten hat, ist wohl Ähnliches zu erwarten.
Dafür gibt es vielfältige Gründe. Boris Johnson war demütig, das mag man auf der Insel. Sein brasilianisches Pendant hat sich als athletisches Potenzpaket inszeniert, das jedem Sturm standhält. Das weckt bei vielen Vertrauen, deshalb verfolgt auch Trump diese Strategie. Doch auch die gegenteilige Interpretation ist möglich: Nicht die heldenhafte Stärke ist Motor ihrer Beliebtheit, sondern die Tatsache, dass man es für gerecht und richtig hält, wenn Leader leiden.
Es ist ein wenig in Vergessenheit geraten, aber das Konzept der Herrschaft ist nicht nur mit Macht, sondern auch mit Ohnmacht verbunden. Besonders da, wo Herrscherfiguren eine direkte Verbindung zu Gott haben. Das gibt es nicht nur in der politischen Theologie des Mittelalters (man denke an Shakespeares Richard II.), sondern abgewandelt auch heute in den USA. Immerhin endet der Amtseid des Präsidenten mit: „So wahr mir Gott helfe.“ Schaut man in die Ideengeschichte von Herrschaft, sieht man, dass Herrscher gar nicht so viel eigene Macht haben. Von Gott eingesetzte Monarchen, ähm, Präsidenten, sind effektiv keine autonomen Agenten, sondern Medien. Sie sind von göttlicher Kraft durchflossen, also omnipotent, aber auch hilflos, Marionetten des unberechenbaren Willen Gottes.
Möglich also, dass die erkrankten Präsidenten besonders in religiösen Staaten so gut wegkommen, weil sie damit einen Gottesbeweis führen. Auch beruhigt vielleicht der Gedanke, dass sie zum Abwenden größeren Unheils die Opferlämmer spielen, so wie es manchen Königen im Alten Ägypten ergangen ist. Doch da liegt das Missverständnis. Die heutigen Herrscher opfern sich nicht im Dienst der Gemeinschaft. Stattdessen opfern sie das Wohlsein der Bevölkerung dem eigenen Machtstreben, sogar dann noch, wenn die eigene Erkrankung das Unbehagen im Staat eigentlich verstärken sollte.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.