Ganz überraschend hat der Senat gestern die richtige Entscheidung getroffen: Der Volksentscheid über die Bebauung des ehemaligen Berliner Flughafengeländes Tempelhofer Feld wird am 25. Mai stattfinden, dem Tag der Europawahl.
Im letzten Jahr lief das noch ganz anders. Gegen den Widerstand der Opposition im Abgeordnetenhaus setzte der Senat durch, dass der Volksentscheid zum Rückkauf des Energienetzes nicht parallel zur Bundestagswahl stattfinden sollte. Das hatten sich die Initiatoren ebenso wie die Opposition gewünscht.
Da bei Volksentscheiden ein bestimmtes Quorum an Ja-Stimmen nicht nur im Verhältnis zur Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen, sondern auch im Verhältnis zur Gesamtzahl der Wahlberechtigten erreicht werden muss, kann der Termin die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen. Wenn die Bürger ohnehin zu einer Wahl gehen, können sie auch gleich noch über etwas anderes abstimmen. Steht dagegen nur ein Volksentscheid an, ist es schwierig, die Wähler allein dafür zu mobilisieren.
Auch im Sinne der Sparsamkeit
Eigentlich ist es auch im Sinne des Senats, die Termine zusammenzulegen – wenn schon nicht aus dem demokratischen Gedanken der möglichst hohen Wahlbeteiligung, dann wenigstens aus Sparsamkeit. Wenn der Volksentscheid an einem eigenen Termin stattfindet, ist er wesentlich teurer – eine völlig unnötige Ausgabe für die ständig klamme Hauptstadt.
So kann es sein, dass der Senat ganz eigene Vorstellungen besitzt, die sich mit den Forderungen eines Volksentscheids schlecht vereinbaren lassen: Der Volksentscheid will eine bereits beschlossene Politik verhindern – der Senat wiederum tut alles, um seine Interessen endgültig durchzusetzen. Demokratie geht freilich anders. Die Regierenden sollten sich darauf besinnen, dass sie vor allem Volksvertreter sind und ihr Bestreben dementsprechend nicht dahin gehen sollte, eine Meinungsäußerung des Volkes zu be- oder verhindern.
Der Volksentscheid zum Rückkauf des Energienetzes ist so gescheitert. Denkbar knapp: Hätte Berlin dasselbe Quorum wie Hamburg – nämlich 20 statt 25 Prozent Zustimmung unter allen Wahlberechtigten –, wäre der Entscheid hier ebenfalls erfolgreich gewesen. Die 25 Prozent wären vermutlich auch erreicht worden, hätte man parallel zur Bundestagswahl abstimmen lassen. Der Senat ist heftig für diese Verhinderungstaktik kritisiert worden.
Vox populi - Vox Rindvieh?
Er scheint daraus gelernt zu haben. Das überrascht, denn in den letzten Wochen konnte man den Eindruck gewinnen, dass Politiker Volksentscheide generell kritisieren. Zuletzt stand die Landeswahlleiterin wegen ihrer Auszählungspraxis in der Kritik: Es wurden Stimmen für gültig erklärt, bei denen das Geburtsdatum fehlte – wieso auch nicht? Seit 2008 ist es völlig legal, solange die Person eindeutig identifizierbar ist. Das Landeswahlgesetz lässt diesbezüglich unterdessen einen gewissen Spielraum. Selbst das Bundesverfassungsgericht vertritt die Position, dass Abstimmungsauszählungen volksbegehrensfreundlich zu organisieren seien.
Einige Politiker scheinen das allerdings noch nicht mitbekommen zu haben. So empörten sich einige Berliner Bezirksbürgermeister über zu viele ungültige und unvollständige Stimmabgaben. Zumindest letzteres stimmt laut Landeswahlleiterin allerdings gar nicht. Man könnte meinen, das Aufbegehren des Pöbels erzeugte einen gewissen Unmut.
Umso positiver ist nun die Wahltermin-Entscheidung für den 25. Mai zu bewerten. In Anbetracht der Vorgeschichte vermag man den Senat kaum wiederzuerkennen.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.