#Barbenheimer verhilft „Barbie“ und „Oppenheimer“ zu überraschenden Megaerfolgen
Kinokasse Ein Film profitiert vom anderen: #Barbenheimer war ein nicht geplantes Social-Media-Phänomen. Der gleichzeitige Kinostart von Christopher Nolans „Oppenheimer“ und Greta Gerwigs „Barbie“ hat Kinogeschichte geschrieben
Pop und Zerstörung ist eine Mischung, die im Kinomarketing offenbar wunderbar funktioniert
Montage: der Freitag; Fotos: Warner Bros. Pictures, Ullstein/dpa
Was als intendiert alberner Meme-Trend begann, hat nun tatsächlich Kinogeschichte geschrieben. „Barbenheimer“ ist zu einem Phänomen in gleich mehrerer Hinsicht geworden. Zum einen ist da die Box-Office-Story, für sich genommen schon selten aufregend. Vor einigen Monaten, als bekannt wurde, dass Greta Gerwigs Barbie und Christopher Nolans Oppenheimer am selben Datum in die Kinos kommen würden, gab es Spekulationen, inwieweit die beiden Filme überhaupt in Konkurrenz zueinander stünden. Schließlich setzte Barbie mit seinem grell-pinken Marketing auf Humor, Leichtigkeit und ein in erster Linie weibliches Publikum, während Oppenheimer als Biopic über den Vater der Atombombe erstens für ältere, zweitens „ernsthaftere“
grell-pinken Marketing auf Humor, Leichtigkeit und ein in erster Linie weibliches Publikum, während Oppenheimer als Biopic über den Vater der Atombombe erstens für ältere, zweitens „ernsthaftere“ und drittens, mit Blick auf Nolan als Batman-Regisseur, mehr männlichere Zuschauer gemacht schien. Der alten Tradition gehorchend, die in der Kunst das Seriöse dem Humoristischen vorzieht, wurde letzterer noch als der wahrscheinlich am Ende irgendwie erfolgreichere Film eingeschätzt.Doch dann erzeugte Barbie allein schon mit seinen Trailern einen derartigen Hype, dass sich die Verhältnisse umzudrehen begannen. In den Kassenergebnis-Prognosen wunderte man sich nicht mehr darüber, dass der bonbonfarbige Film überhaupt mit Oppenheimer mithalten konnte, je intensiver „Barbenheimer“ zum Social-Media-Trend wurde, desto mehr zog Greta Gerwigs Spielzeug-Verfilmung Nolans doch ebenfalls Spektakuläres versprechendes Drama sogar davon. Zuletzt ging man davon aus, dass Barbie mit bis zu 150 Millionen Dollar das Dreifache von Nolans Thriller einspielen würde über das Eröffnungswochenende.Das reale Ergebnis aber gab dem Ganzen noch einmal eine neue Wendung: Mit 155 Millionen alleine in den USA übertraf Barbie sämtliche Erwartungen und setzte gleich mehrfach Rekorde, darunter das höchste Einspielergebnis für einen von einer Frau realisierten Spielfilm – selbst der von Anna Boden in Co-Regie mit Ryan Fleck verantwortete Captain Marvel mit seinerzeit sensationellen 153 Millionen musste sich geschlagen geben, genauso Patty Jenkins, die 2017 mit ihrem Wonder Woman erstmals überhaupt die 100-Millionen-Marke erreicht hatte. Die eigentliche Sensation aber bestand darin, dass auch Oppenheimer viel mehr Tickets verkaufte als noch zuletzt vorausgesagt: Statt rund 44 Millionen Dollar waren es satte 81.Der „Barbenheimer“-Hype hat mithin beiden Filmen geholfen – zusammengenommen haben sie eines der besten Ergebnisse der amerikanischen Box-Office-Historie erzielt, genauer gesagt das viertbeste. In einem Jahr, in dem der gesamte Ticketumsatz in den USA und Kanada laut Comscore-Datenanalyse immer noch zwanzig Prozent unter dem von 2019 liegt, ist das Anlass zum Jubel für die ganze Branche.„Barbenheimer“-Erfolg lässt sich auf Macht der Meme-Kultur zurückführenDie Erörterungen des Weshalb-Warum sind nun, zum anderen, mindestens so spannend wie die reinen Zahlen (die, es soll gesagt sein, für alle historischen Vergleiche eigentlich inflationsbereinigt werden müssten). Die Freude über das Doppelergebnis rief als Erstes die Stimmen auf den Plan, die es als Bestätigung dafür sehen wollen, dass das Publikum nach „Originalstoffen“ hungere. In einem Jahr, in dem Filme wie Indiana Jones 5, Ant-Man 3, Shazam! 2, The Fast and The Furious 10 und besonders spektakulär der DC-Superhelden-Film The Flash floppten, scheint der Wunsch nach Filmen ohne Zahlen im Titel auf der Hand zu liegen. Die Erfolge von Spider-Man: Across the Spider-Verse (zweiter Teil einer geplanten Trilogie) und John Wick 4 in diesem Jahr werden als Ausnahmen gelesen, die die Regel bestätigen.So erfreulich der Trend wäre, muss man den Originalstoff-Enthusiasten doch entgegenhalten, dass das Originelle der jetzt bejubelten Filme gerade nicht in ihren Stoffen liegt – beruht Barbie doch auf einem weltweit bekannten Markenspielzeug, während Nolan eine Marke für sich darstellt und einen Film über einen der bekanntesten Physiker aller Zeiten gemacht hat.Man kann den „Barbenheimer“-Erfolg auch auf die Macht der Meme-Kultur zurückführen, die offenbar gerade da unglaubliche Kräfte entfaltet, wo sie aus den Händen der gesteuerten Werbung ausbricht. Im vorigen Jahr war das mit Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss geschehen (einem Sequel zu einem Spin-off der „Ich, einfach unverbesserlich“-Trilogie), zu dessen überraschendem Einspielerfolg die #Gentleminions benannte Meme-Kultur beitrug, die junge Menschen in Anzügen zeigte, die oft mit Minions-Fetischen ausgestattet ins Kino gingen. Dass #Barbenheimer so einschlug, mag direkt mit der Gegensätzlichkeit der Filme zusammenhängen – das pink-positive Lebensbejahende gegen den düsteren „destroyer of worlds“ –, den Diskussionen darüber, ob man beide Filme zusammen anschauen sollte – und wenn ja, in welcher Reihenfolge, eine gewisse Fallhöhe verlieh.Und dann gibt es noch die „Culture War“-Komponente. Beide Werbekampagnen hatten nämlich gemein, dass die Filme selbst erst sehr knapp vor Filmstart der Presse gezeigt wurden und bis dahin ein strenges Embargo galt – üblicherweise eher ein Zeichen dafür, dass negativer Buzz befürchtet wird. Für Barbenheimer hat sich die Vermeidung ausgezahlt, nicht weil die Filme schlecht wären, sondern im Gegenteil, weil gerade ihre positiven Seiten den Kulturkämpfern wohl zu sehr in die Hände gespielt hätten: Im Fall von Barbie hätte der Disput über zu viel Wokeness und ironisches Gender-Bending die Ressentiments der „Red States“-Zuschauer wecken können. Und Oppenheimer, bei dem sich viele wunderten, dass er nicht wie sonst üblich mittels der Herbstfestival-Runde zum Oscar-Favoriten aufgebaut wurde, gelang es auf diese Weise nicht nur, dem Diskurs etwa über die fehlende Perspektive der japanischen Opfer auszuweichen, sondern auch zu verschleiern, wie wenig negativ er die amerikanischen Kommunisten und ihre Sympathisanten zeigt. Ein Großteil der Zuschauer konnte sich also jenseits solcher Etikettierungen ein Bild machen – und viele haben es offenbar genossen.