Mit Gewalt gegen Gewalt

Blockupy Nach den Protesten gegen die EZB stand nun der erste Demonstrant vor Gericht. Mit einem harten Urteil will die Frankfurter Justiz ein Exempel statuieren

Brennende Streifenwagen, vermummte Steineschmeißer, dichte Rauchschwaden über Frankfurt. Als die EZB am 18. März ihre neue Zentrale eröffnete, gingen Bilder der Gewalt um die Welt. Rund 17.000 Demonstranten protestierten an jenem Tag gegen das kapitalistische System der Banken. Den Demonstranten standen 10.000 Polizisten gegenüber. Auf beiden Seiten gab es viele Verletzte. Mehr als 400 Personen wurden festgenommen. Federico A. war einer von ihnen. Seither ist der 23-jährige Wirtschaftsstudent aus Rom der einzige Demonstrant, gegen den ermittelt wurde.

Am Mittwoch fällte das Amtsgericht in Frankfurt dann ein ungewöhnlich hartes Urteil, das sogar über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinausging: 14 Monate Haft auf Bewährung. Dabei bekannte sich Federico A. gleich zu Prozessbeginn schuldig und gestand, zwei Steine auf Polizisten geworfen zu haben. Nachdem eine Freundin von zwei Polizisten ins Gesicht geschlagen worden war, habe er spontan mit Gewalt auf Gewalt reagiert. Laut Richterin war dieses Geständnis zwar strafmildernd. Durch die Zeugenaussagen der fünf geladenen Polizisten sei aber bewiesen worden, dass er insgesamt fünf Steine geworfen habe.

Drei Monate in U-Haft

Doch nicht nur das Urteil, auch der Umgang der Justiz mit Federico A. im Vorfeld der Gerichtsverhandlung ist unverhältnismäßig hart. Seit seiner Verhaftung hatte er knapp drei Monate in Untersuchungshaft gesessen. Die Staatsanwaltschaft begründete dies mit einer höheren Fluchtgefahr, weil er in Deutschland keinen festen Wohnsitz hat. Das ist ein fadenscheiniges Argument. Die strafrechtlichen Folgen, mit denen er bei einem Fluchtversuch zu rechnen gehabt hätte, wären nämlich viel höher gewesen, als die zu erwartende Bewährungsstrafe.

Mit ihrem harten Urteil unterstützt die Frankfurter Justiz das Vorgehen der Frankfurter Polizei, die sich bereits 2012 im Kampf gegen die antikapitalistischen Proteste durch besondere Unverhältnismäßigkeit hervorgetan hatte. Die Kriminalisierung der Blockupy-Proteste tritt im Fall von Federico A. deutlich zutage. Unter dem Motto „Getroffen hat es einen – Gemeint sind wir alle!“ solidarisierten sich jetzt viele Menschen mit Federico A., darunter zahlreiche Aktivisten und auch einige prominente linke Intellektuelle, wie David Graeber, David Harvey und Noam Chomsky.

Doch als Ikone des europäischen Widerstandes, die viele gern in ihm sehen wollen, scheint sich der italienische Student mit dem dunklen Vollbart nicht so recht zu eignen: Als Sohn eines Arztes ist er in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. Er gehört keiner radikalen linken Gruppierung an, hat sich überhaupt erst kürzlich politisiert und war eher spontan mit Freunden nach Frankfurt gefahren.

Die Frankfurter Justiz scheint aber dennoch ein Exempel an ihm statuieren zu wollen. Das harte Urteils passt zur in Hessen geplanten Verschärfung des Strafrechts. Infolge der Blockupy-Proteste forderte CDU-Innenministers Peter Beuth härtere Strafen bei Übergriffen auf Polizisten. Resultat dieser Forderung ist der „Schutzparagraph 112“. Für Angriffe auf Polizisten sieht dieser eine Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren vor.

Das hessische Modell könnte bald auch in anderen Bundesländern Schule machen. Die meisten Bundesländern unterstützen den Vorstoß Beuths. Auch das bayrische Innenministerium fährt gegenüber den G-7-Demonstranten bereits im Vorfeld der geplanten Proteste einen harten Kurs. Ob dies gewaltbereite Demonstranten in Zukunft tatsächlich abschreckt, oder ob sich nicht vielmehr die Gewalt der Politik und die Gewalt der Straße gegenseitig verstärken, wird sich am Wochenende rund ums Schloss Elmau zeigen.

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Geschrieben von

Bebero Lehmann

Freie Journalistin

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