„Vielen Bürgern fehlen konkrete Ziele“

Interview Wer die globale Erwärmung als Gefahr erkennt, ändert noch lange nicht sein Verhalten, sagt die Umweltpsychologin Katharina Beyerl. Was hilft da?
Ausgabe 32/2015
„Eine Gefahr nimmt man erst wahr, wenn man akut bedroht ist“
„Eine Gefahr nimmt man erst wahr, wenn man akut bedroht ist“

Foto: Imagebroker/Imago

der Freitag: Frau Beyerl, nach 20 Jahren Weltklimagipfeln verfeuert die Welt ungebremst ihre fossilen Reserven und steuert damit auf eine globale Klimakatastrophe zu. Ein Massenaufstand bleibt trotzdem aus. Wie erklären Sie sich das?

Katharina Beyerl: Viele Menschen haben im Alltag verschiedene Sorgen – Jobsorgen, Geldprobleme, Krankheit. Da ist der Klimawandel, wenn überhaupt, nur ein Teil und rückt schnell in den Hintergrund. Viele denken, dass sie selbst in naher Zukunft nicht betroffen sein werden, sondern eher andere, die weit weg leben. Die bloße Vorstellung, dass es mal schlimm werden könnte, reicht nicht, um einen großen Aufstand auszulösen.

Ist der Klimawandel zu abstrakt, um ihn als Gefahr zu empfinden?

Eine Gefahr nimmt man meist erst als solche wahr, wenn etwas, das einem wichtig ist, akut bedroht ist. Für die menschliche Wahrnehmung sind die klimatischen Veränderungen und damit verbundene Gefahren nur bedingt direkt wahrnehmbar, auch wenn Veränderungen der Jahreszeiten oder Extremwetterereignisse spürbar sind. Näher rückt die Gefahr, wenn Überflutungen, Stürme oder Hitzewellen uns direkt betreffen.

Zur Person

Katharina Beyerl ist Umweltpsychologin und arbeitet am Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS). Sie forscht zur Motivation, auf globalen Wandel zu reagieren

Foto: Privat

Denkt die Mehrheit der Deutschen nach dem Motto: Ein paar Grad wärmer wären doch ganz schön?

Generell wird der Klimawandel schon als Problem wahrgenommen. Aus der psychologischen Forschung wissen wir aber, dass eine allgemeine Einstellung nicht unbedingt zu einem spezifischen Verhalten führt. Wer den Klimawandel als Gefahr erkennt, wechselt nicht automatisch zum Ökostromanbieter oder reduziert seine Urlaubsflüge. In der Psychologie heißt das auch Einstellungs-Verhaltens-Lücke.

Woran liegt das?

Viele wissen nicht, was sie tun können. Ihnen fehlt es an konkreten Zielen. Oder sie bezweifeln, ob ihr individueller Beitrag etwas bringt, um das Weltklima zu retten. Andere wiederum sehen ihren Beitrag geleistet, wenn sie die Lampen in der Wohnung mit LEDs ersetzt haben.

Was bringt den Einzelnen dann zum Klimaschutz?

Klimaschützende Verhaltensangebote, die für den Einzelnen umsetzbar und attraktiv sind. Derzeit sind oft die Produkte am preiswertesten, die ohne Rücksicht auf Umwelt und Gesundheit produziert werden. Eigentlich müsste es andersherum sein, sodass Klimaschutz für den Einzelnen Standard im Alltag ist. Auch Verhaltensvorbilder können helfen: Freunde in der Nachbarschaft, die eine eigene Solaranlage nutzen. Oder Firmen, in denen Klimaschutz vom Essensangebot in der Kantine bis zum Firmen-Elektroauto umgesetzt wird. Wenn in einer Gruppe bestimmte Handlungen erwartet werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die auch realisiert werden.

Gibt es einen Fatalismus?

Nicht wenn man die große Gefahr auf konkrete, erreichbare Ziele runterbricht.

Auf individueller Ebene können das sein: öfter vegetarisch essen, regionale Produkte kaufen, Standby-Betrieb bei Elektrogeräten vermeiden, eine Solaranlage aufs Dach bauen oder einer Energiegenossenschaft beitreten. Allein der Appell „Rettet das Klima!“ hilft wenig.

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