Bock auf ’ne Tüte?

Kiffen Kommunen aus ganz Deutschland wollen von den geplanten Kreuzberger Cannabis-Shops lernen. Die sollen superpreußisch sein
Ausgabe 27/2015
Nicht ohne meinen Joint: Soli-Kiff-In gegen eine schärfere Regulierung in Berlin
Nicht ohne meinen Joint: Soli-Kiff-In gegen eine schärfere Regulierung in Berlin

Foto: Christian Mang/Imago

Die Bürgermeisterin das sagenumwobenen Berliner Bezirks Kreuzberg, Monika Herrmann, hat es also tatsächlich geschafft. Sie hat vergangene Woche einen dicken Umschlag an eine Bundesbehörde versandt, um im Kiez der Freiheit und der Armut irgendwann Marihuana verkaufen zu können. Ganz legal, staatlich lizenziert. Angeblich stehen seit Wochen die Telefone bei der Kiezgröße der Grünen nicht mehr still. Aus ganz Deutschland erkundigen sich Kommunen, wie man einen städtischen Coffee-Shop beantragen und betreiben könnte.

Doch, halt, hier liegt bereits das große große Missverständnis vor. Wer gedacht hätte, die grüne Hanf-Revolution hätte irgendetwas mit Libertinage, sexueller Revolution oder gar FlowerPower zu tun, hat sich getäuscht. Die Haschisch-Revolte in Kreuzberg ist ein bürokratischer Akt. Die Grüne Herrmann ist keine wilde Hilde, sondern eine zutiefst preußisch gesinnte Beamtin. Sie beantragt die insgesamt vier Orte, an denen Marihuana erhältlich sein soll, beim "Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte". In Kreuzberg und Friedrichshain wird es ohnehin keine Coffee-Shops geben, in die jeder hineinstolpern kann, der Bock auf eine Tüte hat. Diese Läden heißen formell Cannabis-Fachgeschäfte. Eigentlich sind es keine Geschäfte, sondern behördliche Distributionsstellen. Das Kreuzberger System orientiert sich mehr an der Zeit der Not nach dem Zweiten Weltkrieg: Es werden praktisch Bezugsscheine ausgegeben, Lebensmittelmarken für Cannabis, die man nur mit einer guten Begründung erhält – und dem richtigen Wohnsitz. Hasch wird es in Kreuzberg nur für Kreuzberger geben. Auf bürokratisch: „Formal zur Teilnahme berechtigt sind melderechtlich registrierte Einwohnerinnen und Einwohner des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben.“

Härter als die Ausgabe von Lebensmittelmarken in Nazi-Zeiten

Preußische, äh, pardon Kreuzberger Coffe-Shops sollen nämlich nicht etwa Gras oder Haschisch verkaufen, sie sollen folgendes sicherstellen: „Riskantem Cannabiskonsum ist entgegenzuwirken“. Das ist Regel Nummer eins, und zu ihr gehören „Maßnahmen hinsichtlich der Suchtprävention, des Jugendschutzes, der Schulungsmaßnahmen des Verkaufspersonals und der Einbindung in das örtliche Suchthilfesystem.“ Fast meint man, nicht die grüne Herrmann, sondern der CDU-Mann und Berliner Innensenator Frank Henkel hätte den Antrag geschrieben. Regel Nummer zwei lautet, dass die Cannabis-Fachgeschäfte genau regeln und beaufsichtigen müssen, wer alles Zutritt zum Verkaufsraum erhält: Und das sind nur Kreuzberger, die sich obendrein gesondert als Haschisch-Konsumenten registrieren lassen. Das ist härter als die Ausgabe von Lebensmittelmarken in Nazi-Zeiten – hier wird jeder registriert, der Hasch haben will. Hoffentlich hat die Bezirksbürgermeisterin an den Schutz der sensiblen Daten gedacht!

Zunächst will Monika Herrmann jedoch Vorsorge treffen, dass die Coffeeshops nicht ein ähnlich munteres Eigenleben entwickeln wie die ambulanten Drogenhändler, die in den Kreuzberger Parkanlagen ihr Dope feilbieten. Zu diesem Zweck wird, ehe auch nur ein Gramm über die Ladentheke geht, ein „Betäubungsmittelverantwortliche/r“ für den Bezirk benannt. Es soll ein ausgebildeter Apotheker sein, und es ist nicht auszuschließen, dass er eine Pickelhaube tragen wird. Anders als alle anderen Kunden darf der Betäubungsmittelverantwortliche die Cannabis-Fachstellen jederzeit betreten – und sie gegebenenfalls schließen. Sofort. Zum Beispiel, wenn dort illegale Rauschmittel vertrieben werden. Gemeint sind Marihuana oder Shit aus fernen Ländern. Auch das Hanf darf nämlich nur aus dem heimischen Berlin stammen, kein schwarzer Afghane kein hochgezüchtetes holländisches Supergras, in Berlin gibt’s pro Kauf maximal 10 Gramm und das nur Homegrown. Wegen der Ökologie. Frau Herrmann ist eben bei den Grünen.

Und wenn dem Kunden das alles ein bisschen zu kompliziert ist für ein hübsches Haschisch High? Ach so, na ja, dann holt er sich halt schnell ein Tütchen im Görlitzer Park. Geht blitzschnell und ist sehr billig, wenn er kein Idiot ist. Denn der Schwarzmarkt, das teilt Frau Herrmann vorsorglich mit, werde mit ihren Fort-Knox-ähnlichen Verkaufsstellen nicht verschwinden.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

Christian Füller

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden