Aggressivität schlägt Vielfalt und Ausgleich

Trumps Vertragsbruch Der US-Präsident pfeift auf internationales Recht und handelt damit nach seinen Wahlversprechen. Für ihn zählen nur seine persönlichen, amerikanischen Werte.

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"Kein internationales Gesetz, kein Aufschrei der Weltöffentlichkeit, kein Einspruch einer Opposition, kann ihn und die diversen Willigen wirklich daran hindern."
"Kein internationales Gesetz, kein Aufschrei der Weltöffentlichkeit, kein Einspruch einer Opposition, kann ihn und die diversen Willigen wirklich daran hindern."

Nicholas Kamm/Gettyimages

Was führt uns der gegenwärtige US- Präsident vor Augen? Gradlinige, einseitige, einfache, leicht verständliche und entschiedene, zudem brutale Positionen, setzen sich in der Politik wieder durch. Die, im Vergleich dazu, komplexen und komplizierten Politiken Europas, geprägt von gegenseitigem Interessenausgleich und vielen Rücksichtnahmen, vor allem aber, von der Anerkenntnis der Interessen und vitalen Anliegen anderer Staaten und Völker, zählen hingegen bei immer mehr Wählern und Staatsführungen dieser Welt gar nichts mehr. Die UN und ihre Unter- und Filialorganisationen (in diesem Falle die IAEA, die Internationale Atomenergie- Behörde) werden von der US- Regierung und ihren treuesten aktuellen Bündnispartnern offen verachtet. Internationale Abkommen gelten nur noch, wenn der Stärkste es unbedingt will.

Trump kündigte nun das Abkommen zum Moratorium der Produktion waffenfähigen Nuklearmaterials*, mit dem Iran. Er folgt damit, wie auch bei dem radikal antisozialen und spaltenden Kurs in der Innenpolitik, wie bei der geänderten Klimapolitik, seinen einfach formulierten Wahlversprechen. Pacta sunt servanda gilt nicht mehr! Von des ersten Geschäftsmannes der Welt Lippen kann man tatsächlich ablesen, dass er nur nach seinen Worten und seinen Motiven handelt: "America first" und "Make America great again". - Dabei war doch "Read my lips" einst ein Symbolwort für veritable politische Unwahrheiten.

Scheinexpertokratie in Europas Öffentlichkeiten

"Ich habe es doch gesagt und versprochen. Ich tue, was ich sage!" Das stimmt auf Wort, für den "größten" und größenwahnsinnigsten Präsidenten, der jüngst im Oval office platznehmen durfte. - In allen hochpolitischen Angelegenheiten ist Trump, sonst ein notorischer und alltäglicher, längst überführter Lügner, letztlich eine sehr ehrliche Haut und damit, vielleicht gerade darum, zugleich eine große Gefahr.

Die beruhigenden Kommentare der verbliebenen westlichen Qualitätsmedien, auch in Deutschland (ZEIT, Süddeutsche Zeitung, Welt, ModeratorInnen- Talks der TV-Anstalten,...), sowie der politischen Stiftungen und Hochschulen, das Gewicht des Amtes werde den Präsidenten schon einhegen, die Mitarbeiter der US-Regierung würden ihren POTUS besänftigen und für Ausgleich sorgen, haben sich- wie es fast immer in der Weltgeschichte läuft- als reine Wunschvorstellungen erwiesen. Trump vollendet nichts, er zerstört vollendet, und wirkt darin, wie einst Napoleon I. Die moderaten Kräfte in der US- Regierung, innen- wie außenpolitisch, wurden gefeuert.

Die politische Devise, mein Land, meine Nation zuerst, hatte Trump allen anderen Staaten der Erde in seinem Wahlkampf und in den ersten Monaten seiner Amtszeit mehrfach nachdrücklichst anempfohlen. - Wer erinnert sich?- Es sei doch das natürlichste, einfachste und patriotischste außenpolitische Prinzip. Jede Regierung solle und müsse so handeln, um das Beste für das eigene Volk zu erreichen. Dass es dann, schon aus natürlichen Gründen, nur starke Gewinner und viele schwache Verlierer geben muss, wäre zu viel der Differenzierung. Es käme daher nicht gut an, beim neuen, digital und medial kurzdenkenden und so auch kommunizierenden Wählertypus des 21. Jahrhunderts.

Weltunordnung: ein mächtiger Trend

Auf des Präsidenten Kurs segeln schon länger die Regierungen Israels und Saudi- Arabiens. Trump hat damit die militärisch und wirtschaftlich stärksten Mächte auf seiner Seite, geht es um den Iran und die Großregion Naher- und Mittlerer Osten. Er sicherte sich gerade die allergrößte außenpolitische Handlungsfreiheit, an jedem Tag und zu jeder Stunde, ohne allzu viele Rücksichten, gegenüber jedem Partner und jedem erklärten Gegner handeln zu können, auf und über fremden Territorien, zusammen mit seinen gleichgesinnten Verbündeten, die das selbsterklärte Prärogativ auch zunehmend alleine nutzen. Kein internationales Gesetz, kein Aufschrei der Weltöffentlichkeit, kein Einspruch einer Opposition, kann ihn und die diversen Willigen wirklich daran hindern.

Mehr außenpolitische Selbstermächtigung, weltweit, gab es in der jüngsten Geschichte nie. Mehr Annäherung an die nationalistischen und chauvinistischen Politikideale des späten 19. Jahrhunderts, die nun wiederkehren, ebenfalls nicht.

Wenn wir unvoreingenommen auf die Außen- und Sicherheitspolitik der letzten zwei Jahrzehnte blicken, dann tragen die maßgeblichen europäischen Regierungen nicht unwesentlich Mitschuld, an dieser letztlich verhängnisvollen und unweigerlich zu weiteren Gewaltanwendungen und "Regime change"- Versuchen führenden Entwicklung. In ihrem Dilemma, verteidigungs-, außen- und wertepolitisch immer nur passiv auf die Entscheidungen der starken "weisen" Männer im Weißen Haus zu reagieren, die einmal kooperativer, einmal eben nationalistischer auftreten, weil eine stärkere Gegenposition zu unsicher und wirtschaftspolitisch ungesund erschien, machte man eben allzu oft halb mit, um sich heute noch ausreichend und vor allem politisch wirksam distanzieren zu können. - Dass systemrelevante deutsche Großfirmen und Banken sich als betrügerisch erwiesen haben und dafür gerade in den USA angeklagt sind und werden, schwächt zusätzlich die Widerstandskraft der deutschen Politik, denn in Deutschland und Europa wurden die Konzerne für unantastbar erklärt und man lobbyierte diesbezüglich nach Kräften für sie. Die späte Reue hilft nicht ab, sie macht zukünftig impotent.

Trump kann unverblümt allen Staaten und Regierungen drohen, die mit den deklarierten Gegnern seiner Politik noch Handel treiben und wirtschaften wollen. Wenn von ihm kein Twitter- "Gesetz" und Befehl kommt, dann von seinen Hardlinern in Verantwortung und vom neu akkreditierten amerikanischen Botschafter.

Die Antwort Europas, eine Hoffnung

Bei uns wird das Bedauern über die US-Entscheidungen groß ausgemalt. Dagegen wirksam zu handeln, wäre jedoch äußerst untypisch für das einheitssüchtige NATO- Stoltenberg- Europa, für das, zwischen West- und Mitteleuropa geteilte EU-Europa unterschiedlichster Interessen; für die hauptsächlich reaktive, abwartende, sehr submissive alte und neue Regierung Merkel, mit ihren alten politischen Figuren und Denkmustern, mit ihren letzlich völlig fehlenden, weitreichenden politischen Absichten, für Europa, für eine Friedensordnung, für die Einhaltung internationaler Normen. - Einzig der französische Präsident, Emmanuel Macron, fand bisher eine ausreichend mutige und selbstbewusste, europäische Antwort. Gerade heute, zur Verleihung des Karlspreises in Aachen, an den Präsidenten unseres Nachbarn, wurde das wieder deutlich.

Die ersten deutschen Mainstream- Medien, voran die Heute- Nachrichtenredaktion, mit ihrem "Ankermann" Klaus Kleber, stellten zuletzt schon die Frage, ob denn nicht das Trumpsche Politikmodell, weil es so schnell so "erfolgreich" sei, nicht seine Berechtigung habe und die AuslandskorrespondentInnen, vor dem üblichen Hintergrund, wiegten bedächtig die Köpfe: "Ja, ja, nein, nein."

*Aktualisierung,11.05.2018: Im Text wurde "Plutonium" durch "waffenfähiges Nuklearmaterial" ersetzt. Tatsächlich versuchte der Iran, bis zum Abkommen mit der internationalen Gemeinschaft, vor allem Uran-235 mit Ultrazentrifugen anzureichern. Im schnellen Brüter IR-40, bei Arak, wäre es auch möglich waffenfähiges Plutonium zu gewinnen. Der vertragstreue Golfstaat (Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA)), hat auch für diese Anlage ein Moratorium akzeptiert.

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