Sie sollten sich bekennen

Atomwaffenabkommen Das Superwahljahr 2021 wäre eine gute Gelegenheit für die bundesdeutschen Parteien, sich zur Ächtung von Kernwaffen zu entschließen
Ausgabe 04/2021
Das Logo der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde
Das Logo der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde

Foto: Kyodo News/IMAGO

Seit dem 22. Januar sind Kernwaffen endlich völkerrechtlich geächtet, genau wie Chemie- und Biowaffen. Maßgeblich beteiligt an dem Erfolg war die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Der Vertrag hat einen vorhersehbaren Haken – kein Atomwaffenstaat hat ihn unterzeichnet, aus freiem Willen seine Machtposition geräumt. Anfangs war das EU-Parlament wacker, alle Fraktionen forderten die EU-Staaten dazu auf, die UN-Vertragsverhandlungen aktiv zu unterstützen.

Doch dann traf am 17. Oktober 2016 bei der NATO in Brüssel eine ultimative Depesche der Obama-Regierung ein, die alle Mitglieder eindringlich davor warnte, an Verhandlungen auch nur teilzunehmen. Wie in einem Protektorat üblich, haben alle Angesprochenen sofort gekuscht und ihre ursprünglichen Absichten nie wieder erwähnt. Nur die Niederlande nahmen als Beobachter teil, um dann gegen den Vertrag zu stimmen. So war der frühe, geschlossene Boykott der NATO-Staaten den übrigen Atommächten willkommener Vorwand, kein einseitiges Entgegenkommen zu erwägen.

Deutschland als Anstifter zweier Weltkriege käme eine besondere Verantwortung als Friedensstifter zu. Frieden ist absurderweise beinahe ein zu kleines Wort. Es geht um das Überleben der Menschheit. Die Arten sterben schon, das Klima beginnt zu kollabieren und die Demokratie auch. Eine Pandemie unterwirft alle, vertieft aber die Spaltung in Privilegierte und Benachteiligte. Unter solchen Voraussetzungen sollten Politiker mit gebotener Rationalität in der Lage sein, nicht auch noch mit atomarer Auslöschung zu drohen. Denn das Argument der funktionierenden Abschreckung übersieht willentlich die enormen Risiken eines Versagens menschlicher oder technischer Intelligenz. Stattdessen will die Bundesregierung auf „nukleare Teilhabe“ nicht verzichten und plant, für geschätzte zwölf Milliarden US-Dollar 45 F-18-Kampfjets anzuschaffen, mit denen die Bundesluftwaffe unter Kommando der Vereinigten Staaten deren A-Bomben ins feindliche Ziel bringt. Trainiert wird das jeden Herbst.

Als im Oktober der zweite Lockdown unvorbereitet anlief, als etwa die normalerweise funktionierenden Online-Lieferdienste der Lebensmittelketten restlos damit überfordert waren (was sie bis heute sind), alte, gefährdete Menschen zu Hause zu beliefern, da wäre der sofortige zivile Einsatz von Soldaten geboten gewesen. Aber die waren bei den Manövern „Steadfast Noon“ in Nörvenich, südlich von Köln, und „Resilient Guard“ in Büchel, wo unter größter Geheimhaltung der Einsatz von Atombomben gegen Russland geprobt wurde. Auf parlamentarische Anfrage lehnte die Regierung Auskünfte dazu ab, da solche Informationen „in besonders hohem Maße das Staatswohl berühren“ und daher nicht gegeben werden können.

Auf keinem Gebiet ist die Kluft zwischen Zivilgesellschaft und Regierung so abgrundtief wie bei der Frage des friedenspolitischen Staatswohls. Nach einer von Greenpeace initiierten Umfrage sind 92 Prozent der Bundesbürger dafür, dass Deutschland das Atomwaffenverbot unterzeichnet. Allein 100 deutsche Städte haben sich dem ICAN-Städteappell angeschlossen, auf Atomwaffen zu verzichten. Wen repräsentieren unsere Repräsentanten? Die völkerrechtliche Ächtung muss im Wahljahr ergänzt werden durch eine bürgerrechtliche Ächtung aller Parteien, die sich in ihren Programmen nicht unmissverständlich zum UN-Verbotsvertrag bekennen.

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