Aslı Erdoğan: Ich, eine Schriftstellerin im Exil

Mythos und Realität Die türkische Autorin und Journalistin Aslı Erdoğan wurde im Sommer 2016 verhaftet und saß mehrere Monate im Bakırköy-Gefängnis in Istanbul. Seit 2017 lebt sie in Deutschland. Hier erzählt sie, was es bedeutet, im Exil zu leben
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 51/2023
Aslı Erdoğan: Ich, eine Schriftstellerin im Exil

Illustration: der Freitag

Exil. Ein uralter Mythos, der Anfang der Geschichte des Menschen, die Metapher für den Zustand der Menschheit … „Mythos“, einst gleichbedeutend mit „Wahrheit“, erzählte uns, warum wir „hier“ sind, zeigte uns, dass wir „wahrhaftig existieren“, lehrte uns, geboren zu werden, aufzuwachsen und zu sterben. Unsere bekannte tragische Geschichte begann mit einem Missgeschick, wir wurden für alle Zeiten von unserem Aufenthaltsort vertrieben. Wir verloren ein ewiges Leben, verloren die Unendlichkeit des Lebens, die Wahrheit, die Unschuld … Die Menschen des unwiederbringlich verlorenen „Goldenen Zeitalters“ lebten in einem unendlichen Dasein, einem permanenten Werden, einem großen Ganzen, wo alles begann und a