Auf eine Begnadigung pochen

Prozess in Moskau Ein Moskauer Bezirksgericht hat die drei Angeklagten der Protest-Guerilla Pussy Riot schuldig gesprochen – ihr Anwalt Mark Fejgin könnte in Revision gehen
Unterstützer der Angeklagten vor dem Gerichtsgebäude
Unterstützer der Angeklagten vor dem Gerichtsgebäude

Foto: Jewgenij Feldman / AFP / Getty Images

Der Freitag: Wladimir Putin hat Anfang August in London nach einem Treffen mit dem britischen Premier David Cameron erklärt, man solle die drei Frauen von Pussy Riot „nicht zu streng“ bestrafen. Wie war das zu bewerten?

Mark Fejgin: Als Manöver, mit dem Wladimir Putin auf die heftige Kritik im Westen reagierte. In Russland kann er diese Kritik vollständig ignorieren. Denn die politische Landschaft in Russland ist so aufgebaut, dass die öffentliche Meinung auf nichts Einfluss hat.

Hatte Putin Einfluss auf den Prozess gegen die drei Frauen?

Das System der Macht ist so geschlossen, dass sie dafür niemals Beweise finden werden. Nach meinen Informationen hat der Präsident einen Referenten, der die Publikationen in den russischen und ausländischen Medien und den Prozess beobachtet.

Und im Kreml gibt es keine Spezialisten, die Fälle wie den von Pussy Riot analysieren und Prognosen abgeben, wie sich so ein Fall entwickelt?

Was Prognosen betrifft, überschätzen Sie die Kapazitäten des Kreml. Dort gibt es vorzugsweise Beamte. Es mangelt an Wissenschaftlern und Spezialisten.

Warum erklärte Putin gerade von London aus, dass er von einer strengen Bestrafung der drei Frauen abrät.

Er steht an der Spitze einer Pyramide, an der Spitze eines autoritär-korporativen Systems. Dieses System ist oligarchisch. Die russischen Oligarchen haben ihr Kapital, ihre Konten und ihr Eigentum in Europa und den USA.

Welche Möglichkeiten haben Sie, das Urteil anzufechten?

Wir können das Urteil innerhalb von zehn Tagen vor dem Moskauer Stadtgericht anfechten. Wenn wir dort nicht erfolgreich sind, wird das Urteil vollstreckt, und wir werden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen.

Es gibt also keine Hoffnung auf eine schnelle Freilassung.

Vielleicht wird man den drei Frauen eine Begnadigung vorschlagen, wenn sie einen entsprechenden Antrag stellen. Ich würde ihnen als Ihr Anwalt raten, ein solches Ersuchen an die dafür zuständigen Stellen zu richten.

Glauben Sie, dass die russisch-orthodoxe Kirche versucht hat, auf die Geschädigten des Punk-Gebetes — also die Altar-Diener und Kirchenbesucher – die vor Gericht aussagten, Einfluss zu nehmen, damit sie harte Strafen zu forderten?

So weit ich weiß, hat man dem Kirchen-Personal und den Kirchen-Besuchern geraten, sich korrekt zu verhalten. Denn die Kirche will für eine harte Strafe keine Verantwortung übernehmen. Die Kirche will, dass der Staat die Verantwortung für die Strafe übernimmt.

Haben Sie den Kontakt zur Russisch-Orthodoxen Kirche gesucht?

Wir haben Verhandlungen mit Wsewolod Tschaplin geführt, dem Vorsitzenden der Heiligen Synode des Patriarchats. Die Angeklagte Nadeschda Tolokonnikowa hat ihm einen Brief geschrieben, um ihn zu einem Gespräch im Gefängnis eingeladen. Tschaplin war dazu bereit, doch Patriarch Kirill hat den Besuch untersagt.

Was sollte der Westen tun?

Eine prinzipielle Position vertreten. Gegenüber Staaten wie Syrien und dem Iran erlaubt sich der Westen auch eine solche Position. Aber mit Russland ist die Sache anders: Der Westen ist maximal zufrieden mit dem Zustand in Russland. Unser Land wird immer schwächer. Der Westen kauft Rohstoffe und zahlt dafür Valuta, die dann wieder als Investitionen in den Westen fließen. Russland ist für den Westen ein Land, mit dem man reden kann. Die Frage mit Syrien wird im Gespräch mit Putin entschieden werden.

Mark Fejgin wurde 1971 in Samara geboren. Der ausgebildete Jurist bezeichnet sich als liberalen Konservativen und Freund der CDU. 1994 wurde er als Abgeordneter von Jegor Gajdar, Premier in den frühen neunziger Jahren, und dessen Partei "Russland Wahl" in die Duma gewählt. Von 1997 bis 2007 war Fejgin stellvertretender Leiter der Stadtverwaltung von Samara.

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