Hillary Clinton wählen aus Abscheu vor Donald Trump? Das ist mehr als Grund genug zum Gang in die Wahlkabinen und sollte im November zum Wahlsieg reichen. Doch Vorsicht, trotz der einbrechenden Umfragen für Trump: Bliebe das Nein zum rechten Demagogen Hauptmotiv, wäre es schlecht bestellt um die Zukunft der Demokraten, die angeblich die Interessen der Schlechtergestellten und das Prinzip der gesellschaftlichen Teilhabe vertreten. Und in vier Jahren wäre der nächste Rechtspopulist am Start. Vielleicht mit besseren Haaren und Manieren.
Trump hat die Republikaner in eine Identitätskrise gestürzt oder diese zumindest verschärft. Die Demokraten wissen freilich auch nicht so recht, was sie sein wollen. Die Partei ist seit langem eine komplexe Koalition von zum Progressiven tendierenden Interessen- und Identitätsgruppen. Sie stehen für Toleranz und Transparenz, für ein Ja zu Diversität, für Feminismus. Doch bei ökonomischen Fragen haben sich die Wahrnehmungen verschoben. Barack Obama spielt häufiger Golf als Basketball.
Das Herz führender Demokraten schlägt heute lauter für den Hightech-Entrepreneur als den Uber-Chauffeur, mehr für die Managerklasse als für Millionen scheinselbstständige Freelancer und Zeitarbeiter. Wie es um viele junge Leute bestellt ist, hat das Magazin New Yorker kürzlich mit einem bitteren Titelbild auf den Punkt gebracht: Ein College-Absolvent verlässt die Uni im „Jahrgang 2016“-T-Shirt, während ein junger Mann im „Jahrgang 2015“-T-Shirt als Arbeiter einer Reinigungsfirma Überbleibsel der Abschlussfeier wegräumt.
Clintons Rivale Bernie Sanders hat Visionen von einer gerechteren Gesellschaft vorgelegt mit der Ansage, dass es so nicht weitergehen könne mit der sozialen Spaltung. Der Sozialist hat die Erkenntnis im Blut, dass die Elite nicht freiwillig Zugeständnisse macht, und Hillary Clinton hat es nicht mit dem Anprangern der Elite, eher mit Kooperation und Programmpapieren. Sie wolle arbeitenden Familien unter die Arme greifen, sagt sie gern: „Give working families a raise.“ Das wäre nicht schlecht, doch als Slogan zur Motivation taugt das nicht viel. Der Durchschnittswähler weiß, was Trump will. Bei Clinton muss man erst nachdenken.
Sanders wartet noch
Details gibt es auf hillaryclinton.com. Dort werden zu mehr als 30 Themen Reformen vorgestellt. Viele würden Geringverdienern tatsächlich guttun. Bei der Krankenversicherung (man könnte schon mit 55, nicht erst mit 65 an der staatlichen Krankenversicherung für Senioren teilnehmen), bei der Familienpolitik (Geringverdiener könnten Auslagen für Kinderbetreuung von der Steuer absetzen), beim Mindestlohn (Erhöhung auf zwölf Dollar/Stunde) und bei der Hochschulpolitik (bei manchen staatlichen Colleges wäre das Studieren kostenlos, wenn Studenten dafür zehn Stunden die Woche arbeiten und ihren Beitrag leisten).
Von politischer Revolution ist da nicht die Rede, Banken werden auch keine zerschlagen, neue Vorschriften sollten aber mehr Aufsicht bringen. Bei den Vorwahlen haben sich die Demokraten mehrheitlich für Hillary Clintons Flickenteppichreformen ausgesprochen. Sie tritt zudem als Erbin von Präsident Obama an, der Wandel versprach und – auch wegen des republikanischen Widerstands – nur kleine, aber eben für viele fühlbare Fortschritte erreicht hat. Millionen sind dank Obamas Reform krankenversichert.
Wird Sanders gefragt, warum er sich noch zurückhalte mit dem offiziellen Ja zu Clinton, meint er: Die Kandidatin lasse noch viele Fragen offen. Doch auch für Sanders führt der Weg durch die Reihen der Demokraten. Die Einladung der Grünen Partei, er solle doch als Unabhängiger oder Grüner kandidieren, denn Clinton sei eine neoliberale und auf das Imperium ausgerichtete Politikerin, hat Sanders offenbar nie ernsthaft in Erwägung gezogen.
Beim demokratischen Parteikonvent im Juli wollen Sanders’ Leute keine fröhliche Einigkeitsparty feiern. Soll die Demokratische Partei zukunftsfähig werden im Zeitalter des wachsenden Misstrauens gegenüber der Elite, muss sie genau hinhören, was viele junge Amerikaner aus der Sanders-Bewegung sagen. Begeistern kann man nicht mit Programmpunkten. Es gibt reale Chancen auf einen Umbau der Demokratischen Partei. Wie den Amerikanern gerade in Europa vorgeführt wird: Ewig hat die etablierte Politik nicht Zeit, um sich von einem Status quo zu verabschieden, der viele nur frustriert. Und das zu Recht.
Kommentare 8
>Bei Donald Trump weiß man, was er will.<
Damit dürften sie arelativ allein dastehen. Trump hat eine ausgeprägte Neigung heute dies und morgen jenes zu erzählen. Clinton ist dagegen ein relativ berechenbarer Kandidat. Und das spricht bei der Politik für die sie steht, nicht gerade für sie.
"There are bad things happening. Very, very bad things. And we gotta be smart and tough. Or else we won't even have a country anymore."
Das ist so ziemlich auf den Punkt gebracht wieviel Inhalt Donald Trump in seinen Reden transportiert. Oberes zuletzt zu den Bombenanschlägen in Istanbul. Man weiß was Donald Trump will?! Nein, das weiß nämlich nicht mal er selbst.
wie der autor zu seiner einschätzung zu donald trump kommt, dass " man weiß, was er will ", bleibt mir schleierhaft und unbelegt. was will donald trump, ausser präsident zu werden und amerika wieder " gross " zu machen?
donald trump hat in den letzten wochen so viele " flip flops " hingelegt, dass wohl niemand mehr wirklich weiss, wofür er eigentlich steht. ( z.b. waterboarding/ folter, " neutraler vermittler " im israel/ palästina konflikt, wahlkampfspenden von sheldon adelson )
eigentlich ist der verlust der glaubwürdigkeit durch " umfallen " der super gau für einen präsidentschaftskandidaten. mal sehen, wie donald trump damit umgeht und, wichtiger, die us wähler entscheiden.
Dass Herr Ege irgendetwas über die Kandidaten schreiben MUSS, ist verständlich. Warum er jedoch das Hauptmomentum Clintonscher Politik, die Welt mit noch mehr Kriegen zu überziehen, völlig außer Acht läßt, will mir nicht recht einleuchten, obwohl doch gerade diese Kriegsbesessenheit für uns in Europa weit bedeutsamer ist, als irgendein halbherziger US-interner Kompromiss zwischen Clinton und dem Sanders-Flügel.
Die Frage, warum und inwiefern Herr Ege ausgerechnet D. Trump für berechenbar hält, sollte er wirklich einmal zu erklären versuchen. Aus meiner Sicht gibt Trump eigentlich ständig nur irgendwelche entwaffnenden Aussagen von sich, die mangels Konkretisierung seinerseits überhaupt nicht kritisierbar sind. Das mag zwar an Hitlerscher Wahlkämpfe erinnern, aber ansonsten steht auch dieser populäre Vergleich wohl eher auf wackeligen Beinen.
Trump ist das Schwein, das an die Tröge will. Politik wird eh von immer demselben Apparat gemacht.
eine diskussion über trump ist mmn nicht nur müßig, sondern komplett obsolet.
in amiland steht der präsident (jetzt die präsidentin) schon vorher fest.
um ein wesen wie h.clinton wählbar zu machen stellt man ihr eben einen irren entgegen. damit spart man sich eine weitere wahlfälschung.
das einzige, was "die macher" nicht bedacht haben ist anscheinend, wie dämlich das amivolk inzwischen tatsächlich ist! und trump wählen würde!
folglich wird er jetzt auf anderen wegen unwählbar gemacht.
dass trump für eine solche scharade zu haben ist, da es ihm völlig egal ist, was die öffentlichkeit von ihm hält, ist mehr als wahrscheinlich.
zumal es sich mit sicherheit für ihn "auszahlen" wird!
Frau Clinton wird nicht ohne Grund in den USA Killary genannt. Das Sie gerne zu militärischen Mitteln greift hat sie als Außenministerin bewiesen... Gott hüte Europa vor diesen pseudo Politikern.
Die Welt als Schachbrett - Der neue Kalte Krieg des Obama-Beraters Zbigniew Brzezinski | Welt
Trump hat eine ausgeprägte Neigung heute dies und morgen jenes zu erzählen. Clinton ist dagegen ein relativ berechenbarer Kandidat.
Wenn man die zu erwartende Politik abschätzen möchte, hat man drei Quellen: 1) die öffentlichen Ankündigungen der Kandidaten 2) die Interessen ihrer Geldgeber 3) Extrapolation ihrer bisherigen Politik. Dass bei bei Trump 2) und 3) entfallen, macht ihn erheblich weniger berechenbar.
Die öffentlichen Ankündigungen sind nicht sehr zuverlässig, insbesondere wenn sie von Spin-Doktoren je nach Veranstaltung auf die jeweilige Zuhörerschaft hin frisiert sind. Am zuverlässigsten sind vermutlich die Zusagen, die wichtigen Wahlkampfspendern gemacht werden, aber damit das nicht nach außen dringt, greift Clinton schon mal zu kuriosen Maßnahmen.
Was c) angeht, stimme ich Ihrer Anmerkung zu: "Und das spricht bei der Politik für die sie steht, nicht gerade für sie." Und würde noch hinzufügen: das, was sie fordert anders zu machen, spricht erst recht nicht für sie (ich würde diese und andere Statements von ihr so interpretieren, dass sie eine militärische Lösung der "Ukraine-Krise" anstrebt, aber vielleicht bin ich nur zu ungeübt im Entschlüsseln diplomatischer Sprache),