Seit der Pandemie hat Deutschland ein weiteres Gesundheitsproblem: Crack. Das gab es als sichtbare Straßendroge zuvor nur im Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main. Jetzt ist es in andere Großstädte mit festen Drogenszenen vorgedrungen. Zum Beispiel in bestimmte Parks. Groß in den News ist mal wieder der „Görli“, der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. Armageddon!
Tatsächlich gibt es nach langem Rückgang wieder mehr Drogentote, auch jenseits von Crack. Doch während akzeptierende Drogenhilfe bei entsprechendem Rückhalt mit Aufklärung, Streetwork und Konsumräumen in der Einhegung und Schadensminimierung bei Heroin und Partydrogen Erfolge vorzeigen kann, gelingt das bei Crack (noch) nicht. Hier fehlt es an adäquaten, pr
quaten, praktikablen medizinischen und sozialarbeiterischen Antworten.Die Basis von Crack ist Kokain. Bereits eine kleine Menge davon lässt sich zu rauchbaren „Steinen“ aufbereiten. Mit fünf Euro pro Stück sind die recht billig. Eine Konsumeinheit macht aber nur ein kurzes, intensives High. Dann folgen Depression und die Jagd nach der nächsten Dosis. Hoher Suchtdruck und kurze Konsumintervalle bis zur Erschöpfung, Aggression – wo Crack grassiert, ist das schnell spürbar.Die Folge ist Skandalisierung. Anwohnende und Gewerbetreibende machen Druck auf Politik und Verwaltung. Es gibt Razzien, die Szene wird temporär verdrängt, verschwindet aber nicht. Aus dem „Görli“ zum Beispiel will Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) den offenen Drogenhandel nun per Zaun nachts ausschließen. Zu Recht fürchtet man in der Nachbarschaft eine noch stärkere Belastung in Straßen und Hausfluren. Auch ich bin Anwohner. Was tun?Mein Vorschlag: Den Drogenhandel nicht aus-, sondern einschließen, womit ich nicht ein Gefängnis meine. Wo Drogenszenen ohnehin bestehen, könnte das letzte Glied der Kette – der „Ameisenhandel“ – unter Aufsicht stattfinden. Schon damit die massive Konkurrenz, die im Drogenhandel herrscht, nicht in Gewalt umschlägt. So würden die täglichen Berührungspunkte für Dealer, Konsumierende und auch das Wohnumfeld sicherer. Auch könnte man gezielter mit niedrigschwelligen Hilfsangeboten präsent sein. Wie bei der Raucherecke auf dem Bahnsteig: Wer kein Interesse hat, kann besser Abstand halten, wenn der Handel klar umgrenzt ist.Geschütztes Dealen! Unerhört? Nein. Ganz alleine bin ich nicht mit dieser hierzulande verbotenen Idee. In Frankfurt, wo die Lage im Bahnhofsviertel eskaliert, versucht ausgerechnet die CDU, die Stadtregierung aus Grüne, SPD, FDP und Volt in eine solche Richtung zu treiben. Referenz ist dabei das „Zürcher Modell“. Dort lässt man den Ameisenhandel in Drogenkonsumräumen zu, um die Umgebung zu entlasten. Die Berliner Christdemokraten sollten sich das einmal von ihren hessischen Parteifreunden erklären lassen. Es wäre ein erster Schritt, immerhin.Betreuter Ameisenhandel an kontrollierten Orten kann Armut, Elend und Drogenkonsum ein wenig aus den Augen der Öffentlichkeit drängen. Eine Zwischenstufe, ja – aber noch keine Lösung. Keine Polizeistrategie und keine Sozialarbeit konnte bisher die illegalisierten Drogen abschaffen oder auch nur den Konsum nachhaltig senken. Ist da die Legalisierung nicht eigentlich unausweichlich? Um dann Produktion und Handel streng zu regulieren? Nicht bloß eine Entkriminalisierung?Letztere soll es in Deutschland beim relativ harmlosen Kiffen geben. Doch eine Lösung ist das noch nicht. Entkriminalisierung fasst die Drogenökonomie nicht wirklich an. Es landen bloß Kiffer nicht mehr vorm Kadi. Die Mafia braucht den Staat, denn Verbote machen ihren Profit.Es ist zurzeit noch unvorstellbar, dass die deutschen Botschaften mit südamerikanischen Kokainproduzenten über Fairtrade-Koks für heimische Bürotürme, Discos oder Crack-Stuben verhandeln, um mafiöse Strukturen aus dem Drogenmarkt zu drängen. Aber warum eigentlich? Das ist die Gretchenfrage der Drogenpolitik: Ob man ein Problem anpacken will – oder nur ein leichtes Tor auf dem Boulevard schießen.Placeholder authorbio-1