Eric Hobsbawm – der treue Marxist

Nachruf Hobsbawm war der große linke Historiker des 20. Jahrhunderts. Nun ist er tot

Wäre er vor 25 Jahren von uns gegegangen, hätte es in den Nachrufen geheißen, er sei der angesehenste marxistische Historiker Großbritanniens gewesen – und dabei wäre es geblieben. Nun ist Eric Hobsbawm mit 95 Jahren gestorben, und er hatte eine einzigartige Stellung erreicht. Er ist zum wohl geachtetsten britischen Historiker überhaupt geworden, der sowohl im rechten, als auch im linken politischen Lager Anerkennung, wenn nicht Zustimmung erfahren hat, auch international. Das ist nur sehr wenigen Historikern irgendeiner Zeit gelungen.

1917 als Sohn jüdischer Eltern in Ägypten geboren, verbrachte er seine Jugend in Wien, Berlin und London. In Deutschland kam er 1933 erstmals mit der KPD in Kontakt – wenige Tage vor der Machtergreifung Hitlers. „Es war unmöglich, sich von der Politik fernzuhalten, die Monate in Berlin machten mich zu einem lebenslangen Kommunisten“, sagte er einst. Über ein halbes Jahrhundert beseelte die sozialistische Idee sein Schreiben, und gerade als sie sich in historischer Verwirrung und schlimmerem Zustand befand, als ihm selbst bewusst war, begann Hobsbawms Renommee zu wachsen. Noch mit 94 veröffentlichte er Wie man die Welt verändert, eine energische Verteidigung der anhaltenden Relevanz Marx’ in den Nachwehen der Bankenzusammenbrüche zwischen 2008 und 2010.

Seine wichtigste Arbeit war sicher die Zeitalter-Serie, die er mit dem 1962 mit dem Buch Europäische Revolutionen. 1789 bis 1848 begann. 1975 folgte Die Blütezeit des Kapitals, 1987 dann Das imperiale Zeitalter. Der vierte Band mit dem Titel Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (1994), war zwar der eigenartigste und spekulativste, aber auch der bemerkenswerteste und großartigste von allen.

Was an diesem Autoren so einzigartig war: Eric Hobsbawm konnte immer zum großen Schwung ausholen, kombinierte die Weite seiner Gedanken aber mit aufschlussreichen Anekdoten und statistischem Wissen. Er hatte Auge fürs Detail und die Bedeutsamkeit von Ereignissen und Worten, aber seine absolute Stärke war vielleicht, wie er all diese Beobachtungen zusammenführen konnte. Das machte seine Bücher schon bei Erscheinen zu Klassikern.

Martin Kettle und Dorothy Wedderburn sind Autoren des Guardian.

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