Seit 1949 steht es da, wie auf einer begrünten Insel, umgeben von den Rollfeldern des Flughafens Schönefeld – das ehemalige sowjetische „Generalshotel“, nach der Übergabe an die DDR „Spezialgästehaus“ genannt. Mit seinem Walmdach und den breiten, von Balkonen bekrönten Vorhallen könnte man es für ein märkisches Gutshaus aus der Zeit um 1800 halten.
Nun soll es nach einem 2011 gefassten Beschluss abgerissen werden, vielleicht ist es das schon, wenn dieser Artikel erscheint. Und dies wegen eines Regierungsterminals, dessen exorbitante 350-Millionen-Euro-Planung aus Kostengründen schon seit einem Jahr vom Tisch ist. Stattdessen sah der Bund die Weiternutzung eines als Zwischenlösung errichteten Gebäudes vor; das hatte immerhin ein Fünftel davon gekostet. Das bis vor kurzem von der Bundespolizei genutzte Generalshotel sollte dennoch weg, für eine Stellfläche, die nach dem Umzug der Flugbereitschaft 2034 gerade einmal einer Maschine Platz in ungünstiger Lage bieten würde, so der renommierte Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa. Stattdessen müsse dieser, auch für den Schallschutz maßgebliche, Bereich in den Wettbewerb zur Neuordnung des nördlichen Bereichs einbezogen werden – das Haus wäre ein wertvoller Baustein dafür.
Geht es dem Bund nur um Gesichtswahrung?
Nun, da eine völlig neue Sachlage besteht, fand ein offener Brief von Fachleuten an die Bundesregierung (nicht der erste seiner Art!) mehr als 1000 Unterschriften. Auf die Einladung der Grünen Landtagsabgeordneten Sarah Damus zu einer Informationsveranstaltung im DDR-Museum reagierte keine der verantwortlichen Bundesministerien für Verkehr, Verteidigung und Finanzen. Dabei gibt es durchaus prominente Fürsprecher für den Erhalt, wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Landeskonservator Thomas Drachenberg, der den Bau als in Bezug auf die Bausubstanz als „wunderbar in Ordnung“ einschätzt und Vertreter der für die UNESCO beratend tätige Denkmalschutzorganisation ICOMOS regen eine Umnutzung an.
Die neue Situation erfordere ein Abrissmoratorium, um Zeit zu schaffen, darüber nachzudenken, wie der repräsentative Bau mit seinen Hallen in Marmor und Travertin in das Entwicklungsgebiet einbezogen werden könne. Angesichts dessen, dass im Umfeld mehrere Behördenneubauten vorgesehen sind, wird der 2,7 Millionen Euro teure Abriss noch unverständlicher: Es scheint, als würde man sich bewusst der Hinwendung der Fachwelt zur Erhaltung und Nachnutzung angesichts der in Bestandsbauten gespeicherten „grauen Energie“ verschließen. Den an der Diskussion Beteiligten drängte sich der Eindruck auf, dem Bund ginge es nur um Gesichtswahrung. Dabei würde es dem Ansehen der Exekutive durchaus nicht schaden, einen auf überholten Grundlagen getroffenen Beschluss aufzuheben. Stattdessen kommt nun zur kulturellen und ökologischen Ignoranz massive Geldverschwendung. An dieser Stelle wurde die Vertreterin der Schönefelder Bürgerschaft, die in der Breite an ihrem Baudenkmal hängt, drastisch: „Und da wundert man sich, wenn die Leute die AfD wählen“.
Che Guevara, Nikita Chrustschow und Louis Armstrong waren da
Was macht denn nun diesen Aufenthaltsort sowjetischer Spitzenoffiziere und von Prominenten späterer Jahre so wertvoll? Immerhin sollten hier Politiker wie Che Guevara und Nikita Chrustschow einen ersten Eindruck von der DDR erhalten; Louis Armstrong reiste 1965 als Staatsgast ein. Entworfen wurde der in klassizistischer Tradition stehende – also nicht „ostmoderne“ – Bau 1947 von Max Schmidt, dem Planungsleiter für den Umbau des ehemaligen Henschel-Flugzeugwerks zum Verkehrsflughafen. Nach seiner Verhaftung, und hier sind wir schon beim historischen Zeugnischarakter des Hauses, überarbeitete Georg Hell die Pläne.
Herta Hammerbacher von der Charlottenburger TU gestaltete die Bepflanzung. Die Geländer und Gitter im Inneren stammen von Fritz Kühn, dem bedeutendsten Metallgestalter der DDR, der 1958 sogar den bundesdeutschen Pavillon auf der Brüsseler Weltausstellung mit einer Gitterwand ausstattete. Koordiniert und maßgeblich finanziert wurde das auf Befehl der sowjetischen Militäradministration begonnene Vorhaben von der Brandenburgischen Landesregierung. Der Baufortschritt litt unter den Bedingungen von Kompetenzgerangel und Spionagefurcht, unter Streiks bei den beteiligten West-Berliner Baufirmen und gigantischen Engpässen. So gab es vor Ort nur einen Telefonanschluss für über 100 beteiligte Unternehmen, geschaltet vom Fernsprechamt Schöneberg – im durch die Blockade abgeschnittenen Westteil Berlins.
Von dem überschaubaren Bauvolumen der ersten Nachkriegsjahre bis 1951, als auch in Ostdeutschland noch eine große Stilvielfalt möglich war, ist heute nur ein Bruchteil erhalten. Mit dem Verlust dieses charaktervollen Hauses verlieren wir ein Schlüsseldokument einer Umbruchzeit, einen frühen, gut erhaltenen Prachtbau, der von der Selbstdarstellung der Besatzungsmächte in einem zerstörten Land aber auch von kaum bekannten gesamtdeutschen Verflechtungen erzählt.
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