Eine Jury ist diesen Sommer unter dem Vorsitz der ehemaligen Beauftragten für Kultur und Medien, Christina Weiss, zu dem Schluss gekommen, dass die Möglichkeiten der Kunst begrenzt sind. Dass sie nicht in der Lage sei, auf einen 34 Meter hohen Steingötzen des deutschen Kolonialismus derart einzuwirken, dass der unzeitgemäße Monumentalbau eine postkoloniale Einordnung erfahre.
Der Anlass für diese Entscheidung liegt nunmehr drei Jahre zurück. Damals hatte sich Hamburg darangemacht, das weltweit größte Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark zu sanieren. Risse hatten sich gezeigt, im Sockel hatte sich Feuchtigkeit gesammelt. Das 1906 enthüllte Granit-Denkmal, das den Reichskanzler auf ein Schwert gestützt als mittelalterliche Roland-Statue insz
tatue inszeniert, schien ernstlich bedroht. Ende Juli 2023, pünktlich zu Otto von Bismarcks 125. Todestag, konnten die Bauzäune um das Denkmal nun wieder abgebaut werden. Sauber gekärchert erstrahlt das Denkmal wie wohl noch nie in seiner über hundertjährigen Geschichte. Neun Millionen Euro ließen sich Bund und Hansestadt das kosten.Natürlich hatte es von zivilgesellschaftlicher Seite Kritik an der Instandsetzung des Denkmals gegeben. Seinen Kritikern gilt die schwer zu greifende historische Figur Bismarck als Monarchist, Feind der Sozialdemokratie und Wegbereiter des deutschen Kolonialreichs. Und in der Tat, nachdem der Reichskanzler sich lange gegen deutsche Kolonien ausgesprochen hatte, hatte er schließlich eingelenkt, war dem Druck nachgekommen, der auch und gerade von norddeutschen Kaufleuten ausgegangen war, die sich von den Kolonien lukrative Handelsgeschäfte erhofften.Auf die Kritik reagierend, veranlasste die Hamburger Kulturbehörde 2022 einen internationalen Kunstwettbewerb, an dessen Ende eine Neu-Kontextualisierung des Denkmals stehen sollte. Man erhoffte sich ästhetische und didaktische Ansätze, die eine breite öffentliche Auseinandersetzung veranlassen und eine kritische Distanz zum Denkmal herstellen würden, so der Ausschreibungstext. Architekturbüros, Künstler:innen und Privatpersonen reichten 76 Beiträge ein, von denen acht in die engere Auswahl gelangten. Und dann am 5. Juli die Entscheidung der 13-köpfigen Fachjury: Keine der künstlerischen Interventionen werde der komplexen Aufgabe gerecht, den Bismarck-Koloss zeitgemäß einzuordnen und umzudeuten, weshalb das Preisgeld von insgesamt 27.000 Euro nun als Aufwandsentschädigung unter den acht Entwürfen der zweiten Runde aufgeteilt werde.Mit Laserschwert, als Kletterwand oder im Friesennerz?Dabei hatte kein Mangel an originellen Ideen bestanden, wie die Auslage der Einreichungen im Museum für Hamburgische Geschichte jetzt zeigte. Bismarck als Kletterwand, Bismarck mit übergestülptem Gehirn aus Upcycling-Plaste, Bismarck mit Federkopfschmuck – in der Präsentation freilich in die Nische für sensible Inhalte verbannt –, Bismarck in einem Kondom aus Thermoplast. Die Teilnehmer:innen des Wettbewerbs hatten ihren Spaß mit der Statue, statteten sie mit Laserschwert und Darth-Vader-Helm aus, setzten ihr eine Fontäne auf den Kopf, die Bismarck im Regen stehen lässt, oder kleideten sie in einen leuchtend gelben Friesennerz. Andere Vorschläge waren radikaler, wollten dem Denkmal den Kopf abschlagen oder es mittels einer Schiffskanone mit Projektionen beschießen.Ein Motiv fand sich besonders häufig: der Anspruch, der Bismarck-Figur auf Augenhöhe zu begegnen. Das Studio Frank Bölter schlug ein gestapeltes „Hub- und Liftwagenwerk“ vor, mittels dessen Bismarcks historischer Gegenspieler, der Zentrums-Politiker Ludwig Windthorst, auf Kopfhöhe des Reichskanzler befördert würde. Andere, wie der Soester Landschaftsarchitekt Klaus Schulze, wollten mittels Wendeltreppen die Besucher:innen selbst auf Augenhöhe bringen. Ohne Beispiel hingegen die Vorschläge des Dresdner Architekten Ruairí O’Brien, das Denkmal unter einem monströsen Sonnenschirm auf ewig in den Schatten zu stellen, oder eine Miniatur-Kopie der Statue in der Unterwasserlandschaft eines Aquariums zu präsentieren, wie von R. Albers aus Minden vorgesehen.Dass nun keiner dieser Vorschläge umgesetzt wird, ist für den Historiker Jürgen Zimmerer, Leiter der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ und Mitglied der Fachjury, auch eine Folge der Denkmalschutzauflagen. Für Zimmerer eine „absurde Bestimmung“, die den „Denkmalschutz zum Handlanger eines kaiserzeitlichen Erinnerungsensembles“ mache, wie er noch vor der Jury-Entscheidung der Jungen Welt sagte. Im Interview mit dem NDR widersprach Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda erst kürzlich dieser Darstellung. Eingriffe in die Substanz des Denkmals wären durchaus möglich gewesen. Dennoch sei ein baulicher Eingriff keine Voraussetzung für die kritische Auseinandersetzung. Der Wettbewerb habe jedenfalls gezeigt, dass man in Hamburg für Entscheidungen noch nicht bereit sei, so Brosda.Die Jury rät nun, den Schwerpunkt auf die Vermittlung und den gesellschaftlichen Diskurs zu legen. Von all dem unbeeindruckt üben sich die Hamburger:innen derweil in der alltäglichen Dekonstruktion der historischen Bismarck-Weihestätte. Jugendliche chillen nachmittags auf dem Sockel aus blassem Granitstein, dem zwei frische Graffiti etwas Farbe geben.Placeholder infobox-1