Was kann Deutschland über Solidaritätskundgebungen hinaus für Israel tun?
Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago Images
Die Barbarei der Hamasangreifer in Israel hat die Organisation zu Recht zu einem Paria in der zivilisierten Welt gemacht. Und dennoch sind nicht nur Stimmen aus der arabischen und sogar der weiteren muslimischen Welt zu hören, die den Hamas-Angriff unterstützen, sondern auch aus der extremen Linken gibt es Erklärungen, die den Hamas-Angriff befürworten, oder auf jeden Fall nicht verurteilen. Derartige fundamentalistische Haltungen, die darauf hindeuten, dass der Zweck die Mittel heiligt, sind kein neues Phänomen, und sie müssen einmal mehr zurückgewiesen werden.
mit seiner Aussage, dass die Hamas-Attacke nicht in einem Vakuum stattgefunden hat. Die Bezugnahme auf den Kontext bedeutet keineswegs eine Relativierung – wissen wir doch seit vielen Jahren um die Besetzung des 1967 eroberten palästinensischen Gebietes durch Israel, den systematischen Landraub und die ethnischen Säuberungen, die Israel durchführt, sowie die rücksichtslose und erbarmungslose Behandlung von Millionen Palästinensern unter seiner Herrschaft.Wir wissen von Tausenden von palästinensischen Zivilisten, die jetzt getötet werden, und von Tausenden weiteren Frauen, Kindern und anderen unschuldigen Palästinensern, die im Laufe der Jahre bei israelischen Luftangriffen unter dem Deckmantel der „Bekämpfung von Terroristen“ oder der „Auslöschung der Hamas“ getötet wurden. Jeder, der es vorher nicht wusste, sollte nun wohl begriffen haben, wie ineffektiv all diese „Terrorbekämpfungs“-Aktionen waren.Tatsache ist, dass die Welt weder Empathie noch ein Herz hat. Einzelne Menschen schon, aber die Regierungen, die in ihrem Namen handeln, agieren auf einer reinen Interessenbasis. Länder, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, werden wahrgenommen. Andere nicht. Man denke nur an die jüngsten Gräueltaten im Jemen oder in Birma. Und selbst die mitfühlende Frau oder Mann auf der Straße lassen ihre Gefühle der Empathie nicht gegen ihre persönlichen Interessen ankommen. Haben Deutsche, Amerikaner, Briten oder Israelis aufgehört, chinesische Waren zu kaufen oder China zu bereisen, weil China seine eigene Bevölkerung misshandelt und einen kulturellen Völkermord an den Uiguren verübt? Haben wir aufgehört, Birma zu besuchen, weil die Regierungstruppen dort Gräueltaten verüben, morden, systematisch vergewaltigen und Rohingya-Dörfer auslöschen?Für Deutschland stellt sich, in dieser brennenden, akuten Lage, die Frage, was wir tun können, um das Leiden zu lindern – außer Empathie zu zeigen, für wen oder was auch immer wir Empathie empfinden wollen. Es gibt zwei dringende Notwendigkeiten: die Freilassung der circa 240 Geiseln, die im Gazastreifen festgehalten werden, und die Beendigung des israelischen Vergeltungskrieges. Die längerfristige, aber nicht weniger dringende Frage ist die Gründung eines palästinensischen Staates.Das einzige Land, das wirklich Einfluss auf Israel haben könnte, sind die Vereinigten Staaten. Die USA versorgen Israel mit Waffen, Munition, nachrichtendienstlicher Unterstützung, sehr viel Geld und diplomatischem Schutz. Sie sollten dies endlich mit klaren Bedingungen verknüpfen. Leeres Gerede über eine Zwei-Staaten-Lösung ist nichts als leeres Gerede und als solches verlogen.Aber auch Deutschland hat einige Hebel, die es nutzen kann und sollte. Es unterstützt Israel nicht nur finanziell und in bestimmten Bereichen auch militärisch, sondern ist maßgeblich Israels wichtigster Einflussfaktor in der EU: Seit Jahren hat Deutschland trotz seiner Kritik an Israels illegaler Besetzung und Besiedlung des Westjordanlands systematisch sein Veto eingelegt, wenn die EU Israel disziplinieren wollte. Angela Merkel trägt einen Großteil der Verantwortung für diese moralisch verfehlte Außenpolitik Deutschlands.Die feierliche Staatsraison-Erklärung, die regelmäßig wiederholt wird, könnte mit Wenns und Abers verbunden sein. Merkel hat beispielsweise die Gelegenheit verpasst, die Zahl der israelischen Siedler im Westjordanland erheblich zu reduzieren, indem sie die Lieferung des letzten U-Boots an die Bedingung geknüpft hätte, dass etwa 100.000 Siedler aus dem Westjordanland abgezogen werden. Es wäre dann an Israel gewesen, zu entscheiden, was seine wahren Prioritäten sind.Deutschland hat eine Vergangenheit und seine Politik in Bezug auf Israel ist das Produkt dieser Vergangenheit. Die Art und Weise, wie dies gehandhabt wird, ist meiner Meinung nach fehlerhaft und schadet allen Seiten: Israel, den Palästinensern und der Bundesrepublik Deutschland selbst.Die „Nie wieder“-Phrase wird von deutschen politischen und medialen Eliten einseitig und damit in einer moralisch inhaltsleeren Weise interpretiert. Deutschland muss es verinnerlichen, dass es seine Hände nicht von seiner Schuld für den Holocaust reinwaschen kann, indem es zum Mit-Ermöglicher des palästinensischen Leids wird.Deutschland muss seine diplomatische, militärische und finanzielle Unterstützung Israels an moralische Bedingungen knüpfen. Und die EU soll eine ähnliche Politik auch von den USA verlangen.
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