Rot-Rot-Grün wackelt

Koalition In Thüringen wechselt eine SPD-Abgeordnete zur CDU. Sie bringt damit den einzigen Linken-Regierungschef Bodo Ramelow in Bedrängnis – und beschädigt Rot-Rot-Grün
Für Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow kommen die Probleme zur Unzeit
Für Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow kommen die Probleme zur Unzeit

Foto: imago/Reiner Zensen

Die hauchdünne Mehrheit der Koalition aus Linken, SPD und Grünen in Thüringen schrumpft – auf genau eine Stimme. Die bisherige SPD-Landtagsabgeordnete Marion Rosin wechselt zur CDU-Fraktion. Die 47-jährige gelernte Lehrerin spricht in einer persönlichen Erklärung von einem „notwendigen Schritt“. Sie könne die rot-rot-grüne Bildungspolitik nicht mehr mittragen. Für den derzeit prominentesten Befürworter von Rot-Rot-Grün als Modell einer Regierung auf Augenhöhe, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, kommt der Knatsch zuhause zur Unzeit. Ramelow wird nicht müde, sein Erfurter Modell als Blaupause für das ganze Land anzupreisen.

Interessant ist, wie die scheidende SPD-Frau ihren Abgang begründet. Es geht der Abweichlerin nämlich um mehr als um Bildung. Ihre Kritik an Ramelows Koalition ist grundsätzlich – so grundsätzlich, dass das Modell insgesamt Schaden nehmen könnte. Rot-Rot-Grün nämlich werde, so Rosin, „durch die dogmatisch-ideologischen Führungskader der Linken geprägt“. Die Abgeordnete wirft R2G eine „zentralistische Tendenz“ vor. „Auch meine bisherige Partei kann oder will sich dem leider nicht entziehen“, sagte Rosin über die SPD. Das Problem an dem Wechsel ist auch persönlicher Natur: Marion Rosin ist als Ehefrau des ehemaligen Thüringer Innenministers und SPD-Landesvorsitzenden Richard Dewes eine prominente Figur in der Thüringer Sozialdemokratie.

Für die SPD kam Rosins Abgang offenbar völlig überraschend. Fraktionschef Matthias Hey berichtete nach ersten Gerüchten schmallippig über ein Fax, mit dem die Abgeordnete ihren Austritt aus Fraktion und Partei mitgeteilt habe – ohne Angabe von Gründen. Man habe doch gemeinsam wichtige Akzente in der Bildungspolitik setzen können, sagte Hey. Er verstehe nicht, wieso Rosin nun „freiwillig auf den Anspruch verzichtet, weiter Bildungspolitik in der Koalition zu gestalten“.

Unter den verlassenen SPD-Kollegen wurde der Ton im Laufe des Tages rauer. Rosin sei doch stolz darauf gewesen, in den Koalitionsverhandlungen für Bildung, Wissenschaft und Hochschulen gestritten zu haben, meinte etwa die Abgeordnete Dorothea Marx.

Regierungschef Ramelow twitterte derweil entschlossen: „Die Thüringer Regierung steht und es bleibt auch bei der r2g-Mehrheit im Landtag.“ Allein die Tatsache, dass der Ministerpräsident diese Nachricht absetzen muss, zeigt die Crux der Regierung. Die rot-rot-grüne Mehrheit, die sie im Landtag stützt, besteht nur noch dank des Abgeordneten Oskar Helmerich – einem AfD-Mann, der vor einem Jahr zur SPD wechselte. Somit stehen nun im Landtag 46 Stimmen von Linken, SPD und Grünen gegen 45 von CDU, AfD und drei fraktionslosen Abgeordneten – von denen zwei der AfD von der Fahne gegangen sind. Also exakt das Mehrheitsverhältnis, mit dem die erste rot-rot-grüne Landesregierung im Herbst 2014 startete.

Da allerdings war Ramelows Team noch frisch und hoffnungsfroh. Inzwischen steckt die Regierung knietief im Streit um eine Verwaltungsreform, für die es laut Umfragen im Freistaat keine Mehrheit gibt. Zudem muss sich der Justizminister der Grünen, Dieter Lauinger, in einem Untersuchungsausschuss verantworten. Er hatte seinem Sohn mit einem Anruf im Bildungsministerium eine Prüfung ersparen wollen.

Möglicherweise wird Bodo Ramelow nun seine Prioritäten ändern. Noch Anfang der Woche warb er emphatisch Rot-Rot-Grün auch im Bund. Der Termin war in Berlin beim so genannten „Trialog“ von Mitgliedern der drei Parteien.

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