Seit Monaten gibt es in Berlin Rufe, ein Gesetz von 2021 zurückzubringen. Damals hatte der rot-rot-grüne Senat die Exmatrikulation als „Ordnungsmaßnahme“ aus dem Hochschulgesetz gestrichen. Nun will sie der schwarz-rote Senat im Handstreich wieder einführen – anlässlich einer Gewalttat an einem israelischen Studenten in einer Bar in Berlin-Mitte.
Ich teile die Bedenken, die in den Hochschulverwaltungen, unter Studierenden sowie seitens der LandesAstenKonferenz geäußert werden: Eine Exmatrikulation als Ordnungsmaßnahme trägt tatsächlich nicht zur Sicherheit jüdischer Studierender bei, sondern bedroht in erster Linie die akademische Freiheit, indem sie unerwünschte politische Stimmen unterdrückt.
Das aktuelle po
Das aktuelle politische Klima schürt solche Befürchtungen. Vor dem Hintergrund einer politischen Rechtsverschiebung wirkt dieser Vorstoß wie ein Versuch, politisch motivierte Exmatrikulationen einzuführen. Wäre die Idee wirklich, Studierende zu schützen, ließe sich das anders erreichen. Um allen von Gewalt oder Stalking Betroffenen einen sicheren Uni-Alltag zu verschaffen, sind Haus- oder Annäherungsverbote das geeignete Mittel. Denn auch Nicht-Immatrikulierte kommen ja auf den Campus. Vor ein paar Jahren liefen Ermittlungen gegen einen „pick-up artist“ aus Frankfurt am Main, den über 40 Frauen wegen Beleidigung, sexueller Belästigung und Vergewaltigung angezeigt hatten. Als er in Frankfurt zu bekannt war, wich er einfach auf Unis in anderen Städten aus. Versuche, ein Hausverbot gegen ihn zu erwirken, wurden zurückgewiesen. Wenn es um Schutz geht, haben die Unis das Mittel des Hausrechts und sollten es nutzen. Oder will das Gesetz eigentlich nicht schützen – sondern vielmehr strafen? Diesbezüglich kann man nur einer Aussage des Präsidenten der Freien Universität Berlin, Günter Ziegler, beipflichten: „Wir sind eine Universität und nicht die Polizei.“ Strafen sind die Sache von Gerichten, und Doppelbestrafung ist verboten. Im Jahr 2023 gab es in Marburg einen brutalen Überfall rechtsradikaler Burschenschaftler auf eine liberale Verbindung. Trotz einer Verurteilung hat niemand eine Exmatrikulation auch nur gefordert.So bleibt dann die Vermutung, das Gesetz solle hauptsächlich bestimmte Ideen und Inhalte treffen, indem es eine Drohkulisse politisch motivierter Exmatrikulationen aufrichtet. Der Entwurf gibt diese Deutung jedenfalls her: Er will den Hochschulen das Recht geben, Studierende sogar ohne strafrechtliche Verurteilung zu exmatrikulieren. Das würde nicht nur ihre Laufbahn, sondern oft auch ihr Aufenthaltsrecht gefährden. Gerade in Berlin gibt es viele internationale Studierende, deren Visa an das Studium gebunden sind. Für diese wäre ein solches Gesetz eine unzumutbare Bedrohung.Hellhörig sollte uns zudem machen, wer dieses Gesetz zuerst vorgeschlagen hat: die rechtsradikale AfD, die von Antisemitismus gewiss nicht frei ist. Und gerade weil diese Partei derzeit an Einfluss gewinnt, sollten wir sehr vorsichtig sein mit der Einführung repressiver Instrumente, die als Ausgangspunkt für tiefere Freiheitseingriffe dienen können.Statt also die Exmatrikulation als „Ordnungsmaßnahme“ in Berlin wieder einzuführen, sollten wir Studierende dafür eintreten, sie in den Ländern abzuschaffen, in denen sie besteht. Wie gesagt: Schutz geht anders. Derweil versucht der Berliner Senat offenbar, das Gesetz durchzubringen, bevor wir von April an zur Vorlesungszeit zurück in den Universitäten sind und etwas dazu sagen können. Das sollten wir aber. Es geht bei alldem schließlich um uns.Placeholder authorbio-1