Die politische Diskussion über die Zuwanderung von Zehntausenden findet in Deutschland nicht statt. Auf welche Weise sie nicht stattfindet, ist besonders gut zu beobachten, wenn man sich die Talkshows der Fernsehsender anschaut. Besonders informativ unter diesem Aspekt war vor Kurzem Hart aber fair. Herr Plasberg hatte Leute eingeladen, die alle intelligent, vernünftig und nachdenklich waren. Einerseits. Andererseits waren sie klug genug, um die Sache herumzureden. So um die aktuelle Lieblingsfloskel der Krisen-Versteher: Man müsse die EU-Außengrenzen sichern. Jeder sagt das, aber niemand sagt, wie das gehen soll. Die EU-Außengrenzen müssten dann auf dem türkischen Festland liegen. Aber das will keiner sagen. Also redeten Plasbergs Gäste um den wunden Punkt herum. Und wenn mehrere Leute um einen Punkt herumreden, treffen sie sich in unterschiedlichen Kombinationen immer wieder. Kaum sonst einmal in dieser Sendung gab es so wechselnde Übereinstimmung und Dissens.
Plasberg war das nicht recht. Also begann er zu zündeln. Es ging darum, ob die Terroranschläge von Paris und die größtenteils unkontrollierte Zuwanderung über die bayrische Grenze etwas miteinander zu tun hätten. Die Runde war sich einig: Nein. Das gefiel Plasberg noch weniger. „Ich frage ja nur“, tönte er einmal. Aber eine Frage lautete so: Nehme ich nicht lieber Wartezeiten bei der Einreise an der Grenze in Kauf, wenn ich dafür unbesorgt auf den Weihnachtsmarkt gehen kann! Das ist keine Frage, sondern eine Behauptung. Muster für den Bauernfängertrick ist die Frage: Prügeln Sie ihre Kinder eher am Wochenende oder unter der Woche? Und das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Es sollte nicht sein.
Kaum besser ist das Drängeln der Talkshow-Frauen von ARD und ZDF, der eine oder andere der Gesprächspartner möge jetzt endlich sagen: Ist die Kanzlerin beschädigt? Wird die Kanzlerin demontiert? Die meisten der so Befragten sind besonnen genug, sich darauf nicht einzulassen. Das, so scheint es, bringt die Damen fast zur Verzweiflung. Die Medien werden fast hysterisch: Ist sie beschädigt???!!!
Alle Moderatoren – die es offenbar um der Quote willen aufgegeben haben, sorgsam zu moderieren – berufen sich auf Umfragewerte, nach denen der Stern der Kanzlerin sinkt. Aber wie war es zuletzt in Griechenland, in Wien, in der Türkei, in Polen. Die Institute für Umfragen lagen grotesk daneben. Das ist so in Zeiten beschleunigter Prozesse – also Krisen. Es gibt für Journalisten andere Mittel, die Stimmung in der Bevölkerung zu ermitteln, als Meinungsumfragen. Journalisten wissen das.
Kommentare 2
Und weil Moderatoren offensichtlich gern zündeln, darf man sagen, sie wollen keine Stimmung ermitteln, sondern anfeuern und ihre eigene Stimmung dem Publikum verpassen. Sie suchen die dementsprechenden Gesprächspartner, die so immer die selben sind und wenn ein Alibi-Gast dabei ist, wird er gerne übergangen oder ihm wird seine Antwort abgeschnitten und das ins Wortfallen der gegnerischen Meinung ist erlaubt.
Dabei gab es einmal im ör.TV legendäre Gesprächsrunden, auf die man mit Spannung wartete! Es gab große Journalisten und heute gibt es nur noch kleine Geister. Nicht hinschauen schont die Nerven.
Danke für diesen Beitrag.
Ich unterstelle den Journalisten mal freundlich, dass das gut gemeint ist. Dass sie versuchen Stammtischparolen zu entschärfen, indem sie Fragen genauso manipulierend und reißerisch stellen, wie der Stammtisch das täte. Und dann hoffen, dass der befragte Politiker eine gute Antwort darauf findet.
Doch leider gibt es auf so formulierte Fragen selten eine wirklich gute Antwort. Und meist steht der Politiker mit seiner Antwort dann am Ende als Gutmensch und Verlierer da und der Stammtisch fühlt sich bestätigt.
Dabei wird dann ein Politiker, der wie neulich Jan Korte im DLF, nur darauf hinwies, dass das Asylrecht ein grundlegendes Menschenrecht ist, vom Moderator sprichwörtlich vorgeführt.
Wenn man da genau hinschaute, war klar, dass das bei anderen Fragestellung auch sehr positiv (nämlich vernünftig) hätte rüberkommen können. Es gibt da also ein Wahl.
Und im Augenblick treffen viele Politiker wie auch Journalisten eine Wahl, die die Angstgefühle und bundesweite Massenpanik eher noch verstärkt, als sie mit besonnenen Argumenten wieder zu berühigen. Leider.