Wie geschaffen füreinander

Mali Viele arabische Stammesführer im Norden des Landes paktieren mit Al-Qaida-Filialen und werden wohl diese Zweckallianzen nicht so schnell wieder aufgeben
Ausgabe 14/2013
Wie geschaffen füreinander

Foto: Joel Saget / AFP

Nur ein Narr würde behaupten, er wisse, was in Nordmali passiert, wenn die französischen Interventionstruppen irgendwann abziehen. Das Afrika-Korps aus den ECOWAS-Staaten sollte bisher allein für eine Stabilisierungsmission eingesetzt werden. Resolution 2085 des UN-Sicherheitsrates vom 20. Dezember 2012 erteilt ausdrücklich keinen Kampfauftrag. Genau den aber könnte es geben, sollten die dschihadistischen Kombattanten ihre Rückzugsräume wieder verlassen und erneut auf Landnahme zwischen Timbuktu, Gao und Kidal bedacht sein.

Kann die Politik in Bamako darauf Einfluss nehmen? Für Ende Juli sind Wahlen anberaumt. Sollte es danach eine neue, demokratisch legitimierte Regierung geben, sollte sie das Gespräch mit den Volksgruppen suchen, die lange ausgegrenzt wurden und an der Peripherie dieser Gesellschaft leben. Jeder Versuch, die proklamierte in eine authentische Demokratie zu überführen, sollte alle einbeziehen und nicht neoliberal grundiert sein, so dass nur die Eliten davon profitieren. Nur wenn das geschieht, kann es einen Gewinn an innerer Stabilität geben, die wenig Raum lässt für al-Qaida nahe Strukturen.

Brutal niedergeschlagen

In Malis inneren Konflikten entladen sich seit einem halben Jahrhundert andauernde Spannungen zwischen Völkern und ethnischen Gruppen. Durch die jeweils in Bamako Herrschenden wurden sie nie wirklich eingedämmt, sondern genutzt, um unterschiedliche Akteure gegeneinander auszuspielen. Wenn daran westliche Regierungen und Institutionen eine Mitschuld tragen, dann durch ihre unbekümmerte Akzeptanz einer bestenfalls formalen Version von Demokratie, die allein den Mittel- und Oberschichten etwas brachte.

Aber was sollte man davon überrascht sein? Mali ist nicht der erste Staat, dessen politische Liberalisierung überbewertet wurde. Man denke an Ruanda und Uganda, an den Irak oder an Afghanistan, wo westliche Demokratie-Implantate die gewünschte Wirkung schuldig blieben.

Malis trockener Norden, zu dem 70 Prozent des Staatsgebietes gehören (wo aber nur zehn Prozent der Bevölkerung leben), ist seit langem eine der ärmsten Gegenden Afrikas – marginalisiert und von der Entwicklungspolitik vergessen. Kein Wunder, dass sich die hier lebenden Tuareg und Araber nie wirklich in den malischen Staat integriert fühlten. Der erste Tuareg-Aufstand fand nicht lange nach der Unabhängigkeit 1960 statt und wurde brutal niedergeschlagen. Eine zweite Erhebung 30 Jahre später geriet schnell zu einem weit komplexeren Low-Level-Konflikt. Es entstanden Rivalitäten zwischen den Aufständischen, den Tuareg und sesshafteren Songhai (die durch eigene Milizen geschützt waren) einerseits sowie militanten arabischen Gruppen andererseits, denen viel an einer Vorherrschaft gelegen war. Ein fragiler Frieden hielt von Mitte 1995 bis Anfang 2006, als sich die Gewalt kaum mehr zügeln ließ.

Die Antwort der Regierung in Bamako auf den periodisch ausbrechenden Aufruhr blieb deprimierend gleich. Man setzte auf Militiatary-Policy („ miliz-militärische Politik“), bei der die Armee ihre Aufgaben an Stammesmilizen übertrug, was zur Folge hatte, dass sich immer mehr Gruppen bewaffneten und gegenseitig in Schach hielten. Die Nationalarmee und die Zivilbehörden in Bamako sahen gelassen zu. Je mehr sich die Gegner im Norden untereinander bekämpften, desto weniger musste man tun. Diese dysfunktionale Art des Regierens lud zu einer Sezession des Nordens förmlich ein – egal, ob sie von arabischen Islamisten oder Tuareg betrieben wurde.

Die Internationale-Mali-Krisengruppe der UNO schrieb Mitte 2012 in einem Report, dass während der Amtszeit des früheren Präsidenten Amadou Touré (er wurde im März 2012 durch einen Putsch gestürzt) „die Beziehungen zwischen dem Zentrum der Macht in Bamako und der Peripherie auf einem losen Netzwerk persönlicher, vetternwirtschaftlicher und mafiöser Kontakte basierten“. Dieses kostengünstige Regierungssystem – so die Autoren – habe in dem Moment ausgedient, als 2011 in Libyen die Revolte gegen Gaddafi begann.

Während Touré seine Macht noch auf arabische Stammesführer in Nordmali stützte, die oft vom Zigaretten- und Drogenschmuggel lebten, hatten sich dort längst algerisch dominierte Al-Qaida-Gruppen eingenistet. Mit denen zu kollaborieren, war für die Araber in dieser Region kein Problem. Ihr Seitenwechsel schwächte die Zentralregierung, wurde zur Ursache für die heutige Instabilität und begünstigte die Nähe zwischen Dschihad und Kriminalität. Diese Partnerschaften wieder aufzulösen, dürfte schwerfallen.

Peter Beaumont ist Observer -Korrespondent

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Übersetzung: Holger Hutt

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